Typisch deutsch:Vom Holzknüppel zum Holzlöffel

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Drei Leute beim Versuch, den Kofferraum eines Autos zu beladen (Symbolfoto). (Foto: Florian Peljak)

Der Kofferraum verrät oft viel über den Fahrer und seine Umgebung. Wie sich der Inhalt bei unserem Autor über die Jahre verändert hat.

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Es war nur eine kleine Reparatur - und doch eröffnete sich mir Großes. Mein Schreibtisch hatte ein wackeliges Tischbein - weswegen mir ein Bekannter bei der Behebung assistierte. Er sah sich die Gemengelage an, dann nickte er mir zu, ich möge mitkommen. Am Parkplatz hob er den Kofferraumdeckel an. Oder besser: den Deckel einer Schatztruhe.

Der Kofferraum war vollgepackt: Werkzeug, Schuhe, Wechselkleidung, Regenschirm, Plastikgeschirr, Becher, Besteck, Decken, Luftsofa, Notfallapotheke, Badeklamotten, Handtücher. Er ließ die Schwimmhose liegen, lupfte stattdessen einen Schraubenzieher aus der Werkzeugkiste - dann widmeten wir uns dem Tischbein.

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Es ist weniger die Geschichte einer Schreibtisch-Reparatur, mehr die einer Kofferraum-Türöffnung. Was macht dieser Kerl mit all diesen Dingen und warum fährt er sie im Auto durch die Gegend? Eventuell handelt es sich bei ihm um einen Leidtragenden der Münchner Wohnungsnot? Haust er in seinem Auto?

Der Inhalt des Kofferraums sagt mehr über den Fahrer und seine Umgebung aus, als es dem einen oder der anderen womöglich genehm ist. In Syrien etwa hatte ich meine Standardausrüstung dabei: einen (idealerweise vollen) Wasserkanister, einen Holzknüppel, eine Taschenlampe, Batterien, eine Schaufel, eine Fotokamera - und eine Shisha. Das Wasser diente nicht nur zum Durstlöschen, sondern auch um (bei nicht selten 40 Grad im Schatten) den Automotor zu kühlen. Der Knüppel half bei der Selbstverteidigung gegen Banditen. Weil in Syrien während des Krieges oft der Strom ausfiel, brauchte es die Lampe als Ersatzlicht. Mit der Schaufel indes kratzte man den Schlamm von der Straße, um weiterfahren zu können. Die Kamera erfüllte den Zweck, Zerstörungen nach Luftangriffen zu dokumentieren. Die Wasserpfeife kam meist dann zum Einsatz, wenn man all die anderen Utensilien mal nicht brauchte.

In Syrien schaute ich einst klassische deutsche Filme. Auffällig waren die stets ähnlichen Hutablagen von Autos samt Wackeldackel und Klopapierrolle, garniert mit einer gehäkelten Haube. Im echten Leben findet man sowas hier tatsächlich eher selten. Dafür hat heute jeder eine orange Weste und ein Warndreieck dabei.

Ich werde nie vergessen, wie ich einst am Isarufer in der Sonne saß, als sich eine schwarze Wolke vorschob und ein Platzregen niederging. Während ich mich notdürftig unter einem Baum verschanzte, hastete ein Mann zu seinem Auto und kehrte mit Regenschirm und Nylondecke zurück. Seine kleine - trockene - Tochter schaute mich unter dem Regenschirm vergnügt an, wie ich da saß, nass wie ein Huhn im Wasserbad.

Es war für mich die Initialzündung für eine neue Strategie der Selbstversorgung im Auto. Die Strategie eines Glücklichen, der in einer friedlichen Luxusregion gelandet ist. Man nehme: eine Flasche Wasser, ein Starthilfeset, eine Decke, eine kleine Apotheke, einen Notfallhammer, eine Musikbox, Toilettenpapier (wichtig bei Staus auf der Autobahn) - und wie erwähnt, einen Regenschirm.

Die erweiterte Luxus-Variante, etwa an Ausflugstagen, sieht so aus: Sonnencreme, kleine Kissen, ein Heißwasserbehälter, Holzlöffel und -gabeln im Geleit von Papptellern, dazu ein Volleyball und ein Schachbrett samt Figuren, Tischtennisschläger samt Bällen - und einen Klapptisch samt Wackelbeinen. Im Kofferraum ist Wackeln erlaubt.

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