Typisch deutsch:Griaß di Himmelfahrt

Lesezeit: 2 min

Halleluja: eine Fronleichnamsprozession in Murnau in Oberbayern (Symbolfoto). (Foto: Johannes Simon/Bongarts/Getty Images)

Fronleichnam, Pfingsten, Ostern - warum lassen sich die Deutschen ihre Feiertage weitestgehend vom Christentum vorschreiben? Stattdessen könnte man die Bürger demokratisch wählen lassen.

Kolumne von Mohamad Alkhalaf

Fronleichnam ist für mich in aller Regel ein langes Wochenende, an dem ich mal Besuch bekomme, mal wegfahre, oft irgendwo in der Sonne rumliege und mich immer wieder frage: Warum genau muss ich heute nicht arbeiten? Ähnlich ist meine Beziehung zu Pfingsten. War das jetzt das Fest mit den Palmwedeln, die mir aus dem Religionsunterricht in Syrien im Kopf geblieben sind?

Prinzipiell ist gegen Feiertage überhaupt nichts einzuwenden, ganz im Gegenteil. Je mehr desto besser. Nur: Gerecht muss es sein. Eine kleine Anekdote: 2016 lebte ich seit Kurzem in Bayern, als ich erfuhr, dass die Sprachschule wegen eines Feiertags geschlossen sei. Es war offenbar der Tag des Grußes, irgendwas mit Griaß di. Fein, dachte ich mir, rief einen Fluchtkumpanen an, der in Hannover gelandet war, und kündigte meinen Besuch an. Es ist ja Feiertag, begründete ich aus meiner Sicht schlüssig. Der Mann am anderen Ende der Leitung war verwirrt. Junge, was redest du?

In Hannover war eben kein Feiertag, trotz dieser Angelegenheit mit dem Griaß di. Nun, es stellte sich heraus, dass der Anlass keine bayerischen Höflichkeitsfloskeln waren, sondern das Christentum. Christi Himmelfahrt lautete das Zauberwort, allerdings eben nur in Bayern Ruhetag, nicht in Hannover. Ich freute mich, offenbar genau den richtigen Fleck in Deutschland erwischt zu haben.

Typisch deutsch
:Der kann doch noch nicht schwimmen!

Für Kirchgänger ist es ein übliches Ritual. Doch unser Autor empfindet es als befremdlich, wenn Babys ins Weihwasserbecken getaucht werden.

Kolumne von Mohamad Alkhalaf

Jahre später wundert mich diese ungleiche Verteilung der Feiertage in Deutschland zunehmend. Es passt so überhaupt nicht zu dieser Nation, wo doch die tiefe Verankerung von Gleichberechtigung und Demokratie tagtäglich zu spüren ist. Warum hat Bayern in diesem Jahr 13 gesetzliche Feiertage - und Niedersachsen nur zehn?

In Syrien würde mich so eine Willkür weniger überraschen. Feiertage werden dort zur Not mit Gewalt verordnet. Etwa während der Revolution vom 8. März 1963, einem Militärputsch der Arabischen Sozialistischen Baath-Partei. Oder im Jahr 2000, da war ich in der neunten Klasse. Der damalige Präsident Hafez al-Assad starb - und sein Sohn, Bashar al-Assad, übernahm die Macht. Zum Einstieg verordnete er, dass die Schulen aus Staatstrauer für 40 Tage geschlossen wurden. Meine Schulprüfung wurde um 40 Tage verschoben. Es waren 40 Tage voller Anspannung und Nervosität. Als einige Jahre später Assads Bruder starb, wurde eine Woche nicht gearbeitet, alle Läden und Schulen waren zu. Wer Musik bei offenem Fenster im Auto hörte, wurde verhaftet.

In Syrien bestimmt ein Diktator, wann gearbeitet oder gelernt, getrauert oder gefeiert wird. In Deutschland weitestgehend die katholische Kirche - die im Süden offenbar einflussreicher ist als im Norden. Das ist - natürlich - Ergebnis des Föderalstaats, des 16-teiligen deutschen Fleckerlteppichs. Dabei ist es sicher nicht an mir, mich zu beschweren, als Bayer. Aber wenn ich ein Hannoveraner wäre? In Syrien würde man sagen: Die Bayern sind Kinder der weißen Ente, die anderen die Kinder der schwarzen Ente.

Man könnte in diesem demokratischen Land natürlich auf die Idee kommen, die Bürger über die Anlässe und Anzahl ihrer Feiertage abstimmen zu lassen. Eine meiner Arbeitskolleginnen etwa wünscht sich einen Feiertag des Baumes, an dem die Leute zugunsten des Klimaschutzes Bäume pflanzen. Ich könnte damit mehr anfangen als mit Pfingsten, das mit Palmwedeln übrigens nichts zu tun hat, das war natürlich Palmsonntag. Solange es aber bei den kirchlichen Feiertagen bleibt, werde ich diese Feste eben feiern wie sie bei den Christen fallen. Grüß Gott Fronleichnam, Griaß di Himmelfahrt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Typisch deutsch
:Ich schwanke nicht

Warum braucht man in dieser schönen Jahreszeit Volksfeste, deren Kern daraus besteht, sich dem Frühling zu entziehen und in ein Zelt gequetscht auf unbequemen Holzbänken zu sitzen?

Kolumne von Mohamad Alkhalaf

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: