Typisch deutsch:Der kann doch noch nicht schwimmen!

Typisch deutsch: Eine katholische Taufe in der Kirche (Symbolfoto).

Eine katholische Taufe in der Kirche (Symbolfoto).

(Foto: kb-photodesign/Shotshop/Imago)

Für Kirchgänger ist es ein übliches Ritual. Doch unser Autor empfindet es als befremdlich, wenn Babys ins Weihwasserbecken getaucht werden.

Kolumne von Mohamad Alkhalaf

Kerzen, Musik und Hymnen. Inzwischen bin ich das Kirchen-Ambiente gewohnt, aber damals war das wie das Abtauchen in eine neue Welt. Wobei, abgetaucht bin ja nicht ich, sondern das arme, arme Baby. In meiner Erinnerung tunkte man es mit dem Kopf regelrecht ins Wasser wie Klöße in einen Suppentopf. Ein fünf Monate alter Knabe! Was ist der Sinn davon? In Syrien lernt ein Kind mit sechs Jahren schwimmen. "Der kann doch noch nicht schwimmen!", wollte ich fast rufen.

Stattdessen sprach ein Mann in Kutte, er rezitierte seltsame Worte aus einem schweren Buch. Die Gestalt, welche sich als Priester entpuppte, wiederholte Verse und Sätze, die mich an die Szenen erinnerten, wenn Imame aus dem Koran referieren. Nur dass dieses Referat nun von eindringlichem Geplärre begleitet wurde.

Ich verstand nichts. Schließlich hatte ich mit so etwas zuvor nicht zu tun gehabt. Ich war ja nie dabei, wenn Christen sich in der Kirche trafen. Der sogenannte Islamische Staat hat ja in Syrien fast alle Kirchengebäude zerstört und verwüstet oder in Kasernen verwandelt. Nun also war die Gelegenheit gekommen, eine echte, nicht verfallene Kirche zu betreten und zu sehen, was sie da drin treiben, die Kirchgänger. Mir war nur nicht bewusst, dass es sich in dieser Stunde nicht um einen herkömmlichen Messdienst handelte, sondern - wie ich später erfuhr - um eine katholische Taufe.

Das schreiende Kind im Wasser irritierte mich zutiefst. Mehr noch, der Anblick machte mir ein bisschen Angst. Zu meinem Glück saß ich neben einer Frau, die mir einige Dinge erklärte. Mit der Taufe werde das Kind unter den Schutz Gottes gestellt. Es wird drei Mal mit Wasser übergossen, wobei der Name des sogenannten dreifaltigen Gottes ausgesprochen wird. Vater und Sohn sind offenbar beteiligt - und ein Geist ist auch noch involviert. Der wahrhaftige Mensch jedenfalls muss das Ritual überstehen, um in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen zu werden.

Schon eigenartig. Da gerät man über Fluchtwege in eine der zivilisiertesten Zivilisationen, die es überhaupt gibt, und dann sowas. In Syrien bleibt einem ja wenig erspart, aber das mit dem Wasserbecken immerhin schon. Stattdessen werden Babys am siebten Lebenstag der Aqiqah unterzogen. Das läuft auch nicht komplett schmerzfrei ab, weil dabei zwei Schafe geschlachtet werden - oder nur eines, falls es sich beim Baby um ein Mädchen handelt. Ich finde, bei einem Bub würde es ein Schaf auch tun. Aber gut, was folgt, ist ein Festschmaus mit Familien und Freunden, keiner muss unfreiwillig baden.

In Syrien ist derjenige, der den Gebetsruf verrichtet und die Schafe schlachtet, ein Familienmitglied. In Bayern gibt es eine Person, die mit einer dekorierten Kerze dabei steht und wie die anderen zusieht, wie das feuchte Ritual vollzogen wird. Diese Person nennt sich Pate. Und das Bad im Taufbecken ist ein Angebot, das man nicht ablehnen kann.

In der Schule, in der ich arbeite, habe ich in der zweiten Klasse einen Schüler bemerkt, der Wachs auf eine Kerze klebte und sie damit dekorierte. Ich hörte außerdem, wie ein zweiter Schüler ein Lied aus dem Gotteslob übte. Es war nicht direkt kunstvoll, aber besser als Babygeschrei. Sie erklärten mir alsbald nicht ohne Stolz, dass sie demnächst in der Kirche getauft werden. Als Spätberufene, die mitreden konnten bei dieser Entscheidung. Dieses Mal werde ich gerne in die Kirche gehen und zusehen, denn die beiden können schon schwimmen.

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