Studie:Den Fischen im Starnberger See geht es miserabel

Lesezeit: 2 min

Mit dem EU-Projekt hofft Michael Schubert, präzise Erkenntnisse über den Fischbestand zu gewinnen. Seit Montag setzen er und seine Mitarbeiter, hier Max König (li.) und Michael Auerbach, spezielle Fangnetze in den See. (Foto: Franz Xaver Fuchs)
  • Die Renken im Starnberger See werden nicht mehr so groß, ihre Zahl sinkt.
  • Im Rahmen eines dreijährigen EU-Projekts soll der aktuelle Fischbestand erfasst werden.
  • Vier Wochen lang werden mit traditionellen und innovativen Methoden Fische gefangen und die Ergebnisse miteinander verglichen.

Von Astrid Becker, Starnberg

An der guten Wasserqualität des Starnberger Sees erfreuen sich alljährlich Zigtausende Badegäste. Den Fischen, allen voran den Renken, wird sie aber zunehmend zum Verhängnis. "Dramatisch" nennt der Biologe und stellvertretende Leiter des Instituts für Fischerei der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, Michael Schubert, den Zustand des fünftgrößten deutschen Gewässers.

Im Rahmen eines dreijährigen EU-Projekts soll nun der aktuelle Fischbestand erfasst werden. Am Montagabend wurden dafür die ersten Netze in Starnberg gesetzt. Vier Wochen lang werden mit traditionellen und innovativen Methoden Fische gefangen und die Ergebnisse miteinander verglichen.

Forschungsprojekt
:Nektar sammeln für die Wissenschaft

Auf dem Schachen im Landkreis Garmisch-Partenkirchen produzieren zehntausende Bienen Honig - im Dienste der Wissenschaft. Erforscht wird unter anderem das Verhalten der Insekten.

Von Hannah Friedrich

Zwölf Partner aus sechs Ländern arbeiten seit April 2018 am sogenannten "Interregprojekt Alpine Space Eco-Alps Water". Die Aufgabe der Starnberger Forscher ist es dabei, fischspezifische Fragen am Starnberger See und in der Wertach zu untersuchen. Hintergrund dafür ist die Europäische Wasserrahmenrichtlinie, die eine ökologische Zustandsbewertung von Oberflächengewässern verlangt.

Zum Einsatz kommt neben konventionellen Monitoringmethoden auch ein neues Verfahren, das als weniger arbeits- und zeitintensiv gilt: die environmental DNA-Analyse (eDNA) oder auf Deutsch "Umwelt-DNA-Analyse". Dabei werden Wasserproben gezogen und über Erbgut-Nachweise herausgefunden, welche Fischarten überhaupt noch im See leben und wie sich die jeweiligen Populationen entwickeln.

Mit dem Forschungsprojekt erhofft sich Schubert - ganz nebenbei - auch Erkenntnisse über Vermehrung und Altersaufbau der Renken zu gewinnen, was Hinweise auf den Rückgang des Bestands liefern könnte. Es gibt zwar Statistiken, aber präzise Angaben fehlen laut Schubert derzeit. Den bisherigen Erkenntnissen zufolge bewegt sich der Renkenertrag der Berufsfischer im Vergleichszeitraum von 1975 bis 2018 mit unter fünf Kilogramm pro Hektar auf historisch niedrigem Niveau. Auch das Gewicht der Renken ist im selben Zeitraum von einst knapp einem Pfund auf etwa 200 Gramm gesunken. "Äußerst bedenklich", wie der Biologe meint. Wenn es um Fischbestand gehe, sei der Starnberger See der schlechteste in Bayern, sagt er.

Für den Biologen Michael Schubert vom Institut für Fischerei ist der Zustand des Starnberger Sees "dramatisch". (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Was sich überhaupt noch im See tummelt und welche Fischarten ganz verschwunden sind, will er nun mit seinen Mitarbeitern bis zum 27. September mit Forschungsfängen herausfinden. Dafür werden in den See von Norden bis Süden, von den Uferbereichen bis hin zu 72 Metern Tiefe, sukzessive 250 verschiedene wissenschaftliche Fangnetze eingebracht. 18 dieser Netze waren es allein in Starnberg am Montag.

Anwohner, aber auch Bootsverleiher wie Segelclubs hat Schubert darüber informiert - auf großes Verständnis für diese Aktion ist er aber offenbar nicht gestoßen. Segler hätten Regatten im September geplant und daher entsprechend verärgert reagiert, erzählt er. Anwohner fühlten sich um ihr Schwimmvergnügen gebracht.

Dabei, und das betont er auch, würden die Netze nur zwölf Stunden an derselben Stelle verbleiben, immer nur abends gesetzt und am nächsten Morgen wieder herausgeholt - um den Fang dann auszuwerten - und dies auch nur an fünf Tagen die Woche: "Von Freitagmorgen bis Sonntagabend wird es keine Netze im See von uns geben."

Zu den Netzen werden noch andere traditionelle Fangmethoden angewandt: Elektrofischerei und Hydroakustik, also Echolot. Die so gefangenen Fischarten werden anschließend auf Größe, Alter und Gewicht untersucht. Die Ergebnisse werden mit denen verglichen, die die Umwelt-DNA-Analyse erbracht hat - und mit dem, was die Forscher bis jetzt zu wissen glauben.

Zum Beispiel, dass es derzeit noch 28 Arten in den hiesigen Seen gibt - einige davon, wie Aal und Karpfen, gelangen nur durch Besatz in den See, andere sind bereits komplett verschwunden, wie die Elritze und die Mühlkoppe im Starnberger See. "Vielleicht erleben wir ja auch eine positive Überraschung", sagt Schubert, "und die eDNA ergibt, dass doch noch Exemplare dieser Arten im See leben."

Die innovative Methode wenden er und seine Mitarbeiter nur auf Fische an. Möglich ist damit aber auch eine exakte Analyse darüber, welche Bakterien und Algen im See angesiedelt sind, oder wie es um das Phytoplankton bestellt ist: "Das machen aber nicht wir, sondern die Kollegen aus Wielenbach."Mit allen Erkenntnissen sollen neue Ansätze für die Bewirtschaftung von Gewässern entwickelt werden.

© SZ vom 04.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Fünfseenland
:Wenn Wildtiere durch die Ortschaften ziehen

Füchse, Biber und Wildschweine rücken den Menschen immer weiter auf die Pelle. Nach dem Fuchs-Angriff auf zwei Mädchen in einem Garten warnen Experten aber vor Panikmache.

Von Christian Deussing

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: