Süddeutsche Zeitung

Studie:Den Fischen im Starnberger See geht es miserabel

  • Die Renken im Starnberger See werden nicht mehr so groß, ihre Zahl sinkt.
  • Im Rahmen eines dreijährigen EU-Projekts soll der aktuelle Fischbestand erfasst werden.
  • Vier Wochen lang werden mit traditionellen und innovativen Methoden Fische gefangen und die Ergebnisse miteinander verglichen.

Von Astrid Becker

An der guten Wasserqualität des Starnberger Sees erfreuen sich alljährlich Zigtausende Badegäste. Den Fischen, allen voran den Renken, wird sie aber zunehmend zum Verhängnis. "Dramatisch" nennt der Biologe und stellvertretende Leiter des Instituts für Fischerei der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, Michael Schubert, den Zustand des fünftgrößten deutschen Gewässers.

Im Rahmen eines dreijährigen EU-Projekts soll nun der aktuelle Fischbestand erfasst werden. Am Montagabend wurden dafür die ersten Netze in Starnberg gesetzt. Vier Wochen lang werden mit traditionellen und innovativen Methoden Fische gefangen und die Ergebnisse miteinander verglichen.

Zwölf Partner aus sechs Ländern arbeiten seit April 2018 am sogenannten "Interregprojekt Alpine Space Eco-Alps Water". Die Aufgabe der Starnberger Forscher ist es dabei, fischspezifische Fragen am Starnberger See und in der Wertach zu untersuchen. Hintergrund dafür ist die Europäische Wasserrahmenrichtlinie, die eine ökologische Zustandsbewertung von Oberflächengewässern verlangt.

Zum Einsatz kommt neben konventionellen Monitoringmethoden auch ein neues Verfahren, das als weniger arbeits- und zeitintensiv gilt: die environmental DNA-Analyse (eDNA) oder auf Deutsch "Umwelt-DNA-Analyse". Dabei werden Wasserproben gezogen und über Erbgut-Nachweise herausgefunden, welche Fischarten überhaupt noch im See leben und wie sich die jeweiligen Populationen entwickeln.

Mit dem Forschungsprojekt erhofft sich Schubert - ganz nebenbei - auch Erkenntnisse über Vermehrung und Altersaufbau der Renken zu gewinnen, was Hinweise auf den Rückgang des Bestands liefern könnte. Es gibt zwar Statistiken, aber präzise Angaben fehlen laut Schubert derzeit. Den bisherigen Erkenntnissen zufolge bewegt sich der Renkenertrag der Berufsfischer im Vergleichszeitraum von 1975 bis 2018 mit unter fünf Kilogramm pro Hektar auf historisch niedrigem Niveau. Auch das Gewicht der Renken ist im selben Zeitraum von einst knapp einem Pfund auf etwa 200 Gramm gesunken. "Äußerst bedenklich", wie der Biologe meint. Wenn es um Fischbestand gehe, sei der Starnberger See der schlechteste in Bayern, sagt er.

Was sich überhaupt noch im See tummelt und welche Fischarten ganz verschwunden sind, will er nun mit seinen Mitarbeitern bis zum 27. September mit Forschungsfängen herausfinden. Dafür werden in den See von Norden bis Süden, von den Uferbereichen bis hin zu 72 Metern Tiefe, sukzessive 250 verschiedene wissenschaftliche Fangnetze eingebracht. 18 dieser Netze waren es allein in Starnberg am Montag.

Anwohner, aber auch Bootsverleiher wie Segelclubs hat Schubert darüber informiert - auf großes Verständnis für diese Aktion ist er aber offenbar nicht gestoßen. Segler hätten Regatten im September geplant und daher entsprechend verärgert reagiert, erzählt er. Anwohner fühlten sich um ihr Schwimmvergnügen gebracht.

Dabei, und das betont er auch, würden die Netze nur zwölf Stunden an derselben Stelle verbleiben, immer nur abends gesetzt und am nächsten Morgen wieder herausgeholt - um den Fang dann auszuwerten - und dies auch nur an fünf Tagen die Woche: "Von Freitagmorgen bis Sonntagabend wird es keine Netze im See von uns geben."

Klimawandel

Der Zustand des Starnberger Sees ist auch Gegenstand anderer wissenschaftlicher Studien. Der Gewässerökologe Herwig Stibor (LMU München) arbeitet seit drei Jahren am Projekt "Nitroflex", unter anderem mit dem Ziel, herauszufinden, wie sich ansteigende Stickstoff-Phosphor-Verhältnisse auf die Ernährungsgrundlage von Renken in zwölf Seen in Bayern auswirken. Der Starnberger See, so sagt er, schneide dabei mit am schlechtesten ab. Veränderte Nährstoffverhältnisse - bei einem erhöhten Stickstoffgehalt sei der Phosphor gesunken und könne von Renken schlechter verwertet werden - seien aber nur ein Faktor. Denn: "Bei anderen Seen mit ähnlichen Nährstoffverhältnissen gibt es dennoch mehr Renken." Sicher sei aber, dass der Klimawandel eine große Rolle spiele: Dadurch steigen die Temperaturen an der Wasseroberfläche, was die Fische zwingt, sich zu früh in die Tiefe zurück zu ziehen. Dort gibt es aber weniger Futter und weniger Licht für ihre Entwicklung. abec

Zu den Netzen werden noch andere traditionelle Fangmethoden angewandt: Elektrofischerei und Hydroakustik, also Echolot. Die so gefangenen Fischarten werden anschließend auf Größe, Alter und Gewicht untersucht. Die Ergebnisse werden mit denen verglichen, die die Umwelt-DNA-Analyse erbracht hat - und mit dem, was die Forscher bis jetzt zu wissen glauben.

Zum Beispiel, dass es derzeit noch 28 Arten in den hiesigen Seen gibt - einige davon, wie Aal und Karpfen, gelangen nur durch Besatz in den See, andere sind bereits komplett verschwunden, wie die Elritze und die Mühlkoppe im Starnberger See. "Vielleicht erleben wir ja auch eine positive Überraschung", sagt Schubert, "und die eDNA ergibt, dass doch noch Exemplare dieser Arten im See leben."

Die innovative Methode wenden er und seine Mitarbeiter nur auf Fische an. Möglich ist damit aber auch eine exakte Analyse darüber, welche Bakterien und Algen im See angesiedelt sind, oder wie es um das Phytoplankton bestellt ist: "Das machen aber nicht wir, sondern die Kollegen aus Wielenbach."Mit allen Erkenntnissen sollen neue Ansätze für die Bewirtschaftung von Gewässern entwickelt werden.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4586784
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 04.09.2019/amm
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.