"Ich habe in den Heimen Menschen am Coronavirus sterben sehen und zehn meiner Patienten verloren", sagt Richard Aulehner. Aus diesem Grund übernimmt der Facharzt für Innere Medizin mit einer Praxis in Krailling die Leitung des Impfzentrums, das der Landkreis auf dem Gelände der Asklepios-Klinik einrichtet. "Ich sehe einfach die Notwendigkeit." Ganz neu ist die Situation für ihn nicht, in der ersten Reihe gegen den Erreger zu kämpfen.
Im Frühjahr hatte der 59-jährige fünffache Vater mit Unterstützung der Gemeinde Krailling eine der ersten Teststationen im Landkreis eröffnet und betrieben. Seit Dienstag steht fest, dass der Kreisverband des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) den Betrieb des Impfzentrums übernehmen wird, Aulehner ist dort Vorstandsmitglied und seit mehr als 20 Jahren leitender Notarzt. Die Hausarztpraxis in Krailling führt er zusammen mit seiner Frau Christina.
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Seit Anfang Dezember verzeichnet die Schindlbeck-Klinik acht Tote. 45 Mitarbeiter sind infiziert. Neue Ausbrüche meldet das Landratsamt auch aus einer anderen Klinik und in einem Heim.
Aulehner glaubt jedoch nicht, dass in diesem Jahr noch Menschen im Landkreis gegen das Coronavirus immunisiert werden: "Bis der Impfstoff da ist, dauert es noch." Zwischen 2000 und 4000 Dosen erwarte man in der ersten Lieferung für den Landkreis, "doch vor Weihnachten wird das nichts". Ob wie vom Landratsamt angekündigt in der Woche nach den Feiertagen die ersten Impfungen erfolgen können, müsse man abwarten, sagt Aulehner. "Lieber fangen wir ein paar Tage später an, dafür aber vernünftig strukturiert." Er rechnet damit, Anfang Januar die ersten Spritzen setzen zu können.
Eigentlich hatte die Regierung die Landkreise aufgefordert, bis zum 15. Dezember einsatzbereit zu sein. In Starnberg kam es zu Verzögerungen, weil zunächst eine Firma den Zuschlag bekam, die ihr Angebot wieder zurückzog. Seit der Vertragsunterzeichnung am Dienstag liefen nun die Vorarbeiten, zehn BRK-Mitarbeiter seien beteiligt. Was die Logistik betrifft, ist bislang lediglich ein Kühlschrank auf dem Gelände eingetroffen, wie eine Sprecherin der Asklepios-Klinik sagt. Bei minus 70 Grad Celsius würde der Impfstoff gelagert und von einem Sicherheitsdienst bewacht, so Aulehner. Mehr über den Stand in Gauting könne er nicht sagen, die Ausstattung koordiniere ein Kollege.
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Nach nur 24 Stunden zieht der ausgewählte Bewerber sein Angebot zurück, die Corona-Praxis in Gauting zu betreiben. Grund sind Zweifel des Landratsamtes an seiner Vergangenheit.
Der Arzt hat ganz andere Sorgen: Was, wenn eines der zusätzlich geplanten mobilen Impfteams in ein Altenheim kommt und die Bewohner dort nicht aufgeklärt sind oder aber die zustimmenden Unterschriften von Betreuern oder Angehörigen fehlen? "Dann stehe ich da mit meinem Impfstoff, der aufgetaut nur fünf Stunden haltbar ist." Er ist deshalb in Gesprächen mit den Einrichtungen, dass die Patienten und Bewohner, welche vorrangig geimpft werden sollen, auch bereit stehen, wenn die Ärzte kommen. Vier mobile Teams sollen unterwegs sein und Risikopatienten am Wohnort sowie medizinisches Personal am Arbeitsplatz impfen.
Zusätzlich würden Ärzte im Impfzentrum in Gauting bereitstehen, "denn viele Risikopatienten sind mobil", wie Aulehner weiß. Er selbst werde sich auch impfen lassen - "auch wenn man noch nicht allzu viel über den Impfstoff weiß". Klar sei lediglich, dass die Impfantwort älterer Menschen schlechter ausfalle als bei jungen Patienten. "Die Illusion dürfen wir nicht haben, alle älteren Menschen schützen zu können", so Aulehner. Doch auch wenn die Impfung womöglich nicht jeden immunisiere, so mildere sie bestenfalls den Krankheitsverlauf ab.
Aulehner hofft, dass auf die erste Lieferung schnell die zweite folgt. Denn jeder Patient müsse innerhalb von drei bis vier Wochen zweimal geimpft werden. Solange sich also kein Nachschub abzeichnet, muss Aulehner die Hälfte der Impfdosen zurückhalten.
Mehr als 50 medizinische Mitarbeiter und Ärzte, darunter niedergelassene, pensionierte und Klinikärzte, hätten sich bereits gemeldet, um mitzuarbeiten. Weitere sollen folgen. Für kommenden Montag ist eine Videokonferenz zur ersten Abstimmung von Dienstplänen vorgesehen, das Impfzentrum soll an sieben Tagen in der Woche besetzt sein.
Aulehner macht keinen Hehl daraus, dass die Leitung des Impfzentrums zusätzlich zum Praxisbetrieb für ihn ein "Spagat" wird. Die Patienten in Krailling würden ihn wohl nicht mehr wie bisher an fünf Tagen in der Woche in der Praxis antreffen. Auch die Arbeit in drei Altenheimen in Krailling und Planegg, die er zusammen mit seiner Frau als koordinierender Heimarzt während der Pandemie übernommen hat, wird zunächst vorrangig seine Frau übernehmen.