Herrschinger Seehof:Im Alleingang

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Gerda Reichert (Mitte) ist bald alleinige Chefin im "Seehof Herrsching". An ihrer Seite hat sie Anna Eberle und Andreas Eleftheriadis. (Foto: Nila Thiel)

Gerda Reichert führt künftig das Unternehmen, weil ihr Ehemann Peter Wiesnwirt wird. Bis Weihnachten darf die Gastronomin aus Leidenschaft nur Geschäftsreisende beherbergen.

Von Christine Setzwein, Herrsching

Bisher haben Gerda und Peter Reichert alles zusammen betrieben. Das Hotel, das Restaurant und den Biergarten des "Seehof Herrsching", das "Wirtshaus zum Starnbräu" in Bad Tölz und schließlich das Zelt "Zur Schönheitskönigin" auf der Oidn Wiesn. Jetzt trennen sich ihre Wege - beruflich. Peter Reichart wird Wirt im Münchner Donisl und im Bräurosl-Zelt auf dem Oktoberfest. Gerda Reichert führt den Seehof alleine weiter.

Am Tag, nachdem die Personalie der Hacker-Pschorr-Brauerei bekannt worden war, ist Gerda Reichert völlig gelassen. Viel haben ihr Mann und sie über diese weitreichende Entscheidung nicht gesprochen, "das hat er vor allem mit sich ausgemacht", sagt die 54-Jährige. Sie will auch alleine den Seehof so weiterbetreiben wie bisher. Mit Musikveranstaltungen - der Herrschinger Seehof ist bekannt für seine Volksmusikanten-Treffen -, Weißwurst-Frühschoppen, Konzerte, Hochzeiten und Märkten - wenn die Corona-Pandemie erst einmal vorbei ist.

Oktoberfest
:Neuer Wiesnwirt: Peter Reichert übernimmt Bräurosl-Zelt

Er hat bisher schon auf der Oidn Wiesn das kleine Volkssängerzelt betrieben. Nun übernimmt Reichert neben der Bräurosl auch noch das Traditionslokal Donisl am Münchner Marienplatz.

Von Franz Kotteder

Gerda Reichert ist Gastronomin aus Leidenschaft. "Schon mit zwölf Jahren war ich mir sicher: Ich will ein Hotel haben." Ihre Eltern haben 24 Jahre lang das Hofbräuhaus in Münchengeführt, bis es 2004 ihre Brüder übernommen haben. Gerda Reichert macht die Ausbildung zur Hotelfachfrau, lernt unter anderem im Hotel "Vier Jahreszeiten". Auch Ehemann Peter Reichert stammt aus einer Wirtsfamilie.

1996 zieht das Ehepaar an den Ammersee und übernimmt den Seehof direkt am Dampfersteg. Das Restaurant hat 200 Plätze, der Biergarten 600, dazu kommen die 40 Hotelzimmer. 25 Mitarbeiter im Winter und 50 im Sommer kümmern sich um das Wohl der Gäste. Das Haus wird Stück für Stück renoviert. Seit zwei Jahren gibt es die Bar "See-Liebe".

Ein Wirtshaus sei wie ein Theater, die Zuschauer sollten die Aufführung genießen

Sich als Wirtin bei den Gästen zu zeigen, ist das eine, aber die Hauptarbeit läuft im Hintergrund, sagt Gerda Reichert. "Ich führe ein Unternehmen." Da geht es um Organisation, um die Speisekarte, um Personalführung, um ständige Verbesserungen. Sie sei als Chefin eine Teamplayerin, sagt sie. Auf ihre Mitarbeiter lässt Reichert nichts kommen. Gerade in der Corona-Krise hätten sie engagiert mitgemacht und vorausgedacht. Das Team habe sogar eine Beauftragte benannt, die sich um die neuen Bestimmungen gekümmert, alle Texte der mittlerweile zehnten Infektionsschutzmaßnahmenverordnung gelesen und die Kollegen informiert habe. "Es gab ja ständig Veränderungen", sagt Gerda Reichert. "Zuerst durften wir bis 16 Uhr öffnen, dann bis 20, dann bis 22 Uhr. Hygienevorschriften, Abstands- und Einbahnregeln, dann wieder nur Essen To Go - da ist Flexibilität und schnelles Reagieren gefragt." Um den Gästen wenigstens ein bisschen Christkindlmarktstimmung zu vermitteln, wurden im Garten zwei weihnachtlich geschmückte Hütten aufgestellt - "die waren genau zwei Tage in Betrieb, bis der Shutdown kam".

Die 54-Jährige vermisst ihre Gäste, momentan darf sie bis Weihnachten nur Geschäftsreisende beherbergen. Die Kommunikation mit ihnen genießt sie. "Die Menschen sind mitteilungsbedürftig", sagt sie. "Es ist schön, wenn ich ihnen eine Heimat bieten kann." Das gelte auch für die vielen Stammgäste, die bei den Corona-Regeln "so toll mitgemacht haben". Reichert vergleicht ein Wirtshaus mit einem Theater: "Die Zuschauer sollen die Aufführung genießen, die Arbeit läuft auf und hinter der Bühne."

Die Zeit in der "Schönheitskönigin" hat ihr sehr gut gefallen. Die Stimmung auf der Wiesn sei ganz besonders, "alle halten zusammen, man kann jederzeit zum Nachbarn gehen, wenn etwas kaputt ist oder fehlt". 2017, 2018 und 2019 waren die Reicherts Wirte des Zelts, in dem die Münchner Wirtshauskultur um 1900 heraufbeschworen wird, es noch eine Kronfleischküche gibt und einen Volkssänger-Wettbewerb. Schließlich ist Ehemann Peter Reichert auch Volksmusikant, spielt seit mehr als 40 Jahren Trompete.

Dieses Silvester wird sie zum ersten Mal seit 1985 zu Hause feiern

Der Seehof hat in normalen Zeiten 365 Tage im Jahr geöffnet, "nur an Heiligabend schließen wir schon um 16 Uhr". Aber Gerda Reichert nimmt sich auch Zeit für sich, "das muss sein". Sie macht Yoga, und sie geht gerne in die Berge. Doch die Gedanken sind immer beim Betrieb, räumt sie ein. Was kann verbessert werden? Wie geht es weiter? "Das nimmt man schon mit nach Hause."

Das Jahr 2020 wird bei den Reicherts nicht nur als das Jahr der Corona-Krise, des ständigen Auf und Abs in die Geschichte eingehen. Für Gerda Reichert ist es das erste Mal seit 1985, dass sie an Silvester zu Hause sitzt - "sitzen muss", bedauert sie. Kein Jahresausklang mit ihren Gästen, die heuer ein Menü mit Lachsroulade auf Kürbisrisotto, Tomatenconsommé mit Quarknockerl, Zitronen-Minz-Sorbet, Zweierlei vom Rind und Dreierlei Mousse serviert bekommen hätten. Da bleibt wohl nur der Spieleabend mit der Familie, die Hoffnung, dass 2021 alles besser wird - und die Vorfreude "auf meine Gäste".

© SZ vom 18.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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