Grüne Landtagsfraktion auf Tour:Schrubben für die Energiewende

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Mit einer langen Bürste reinigt Landtagsabgeordnete Katharina Schulze von den Grünen Solarzellen. (Foto: Arlet Ulfers)

Solarenergie ist in der Bevölkerung gefragt, die Politik will sie ausbauen - doch es fehlt an Material, Fachkräften und Beratungsmöglichkeiten. Unterwegs mit Katharina Schulze von den Grünen, die einen Solar-Monteur begleitet.

Von Simon Sales Prado, Herrsching

Es schüttet, aufs Dach muss Katharina Schulze trotzdem. Laub und Pollen haben sich auf der Solaranlage gesammelt, vor einigen Wochen auch Saharastaub. Den Dreck soll die Politikerin nun entfernen. Schulze gurtet sich an, zieht einen Helm auf, klettert mit der meterlangen Bürste auf die Leiter. Alle zwei bis vier Jahre müssen die Panels auf diese Weise gereinigt werden, das dauert in der Regel einen halben Tag. Schulze schrubbt nur für ein paar Minuten, sie soll hier vor allem einen Einblick bekommen.

Ebenso wie sie sind in diesen Tagen in ganz Bayern die Politikerinnen und Politiker aus der Landtagsfraktion der Grünen unterwegs. Unter dem Motto "Grün packt an" besuchen sie Unternehmen in ihren Regionen und schauen sich Handwerksberufe näher an. Schulze ist in Herrsching am Ammersee, um die Montage und Wartung von Photovoltaikanlagen zu begleiten. Die grüne Fraktionsvorsitzende wird beim Vornamen angesprochen, die "Katha" ist hier aufgewachsen.

Das Haus, auf dem die Anlage montiert ist, gehört Gerd Mulert. Er ist der Vorsitzende der Energie-Genossenschaft Fünfseenland. Seit rund zehn Jahren beraten er und sein Team in der Region zu Solaranlagen und Photovoltaik, zuletzt ist die Nachfrage stark gestiegen. "Lange plätscherte es vor sich hin, im letzten Jahr zog das Interesse dann an, wir hatten durchschnittlich eine Anfrage pro Tag", sagt Mulert. "Das hat sich zuletzt auf fünf Anfragen pro Tag vermehrt."

Solarstrom ist nicht nur eine Klimafrage, sondern auch eine Sicherheitsfrage

Einer der Gründe für diesen Anstieg ist der Krieg in der Ukraine. Seitdem in Deutschland über die Abhängigkeit von russischen Rohstoffen diskutiert wird, sind regenerative Energiequellen nicht bloß eine Klimafrage, sondern auch eine sicherheitspolitische. Und für Verbraucherinnen und Verbraucher wegen steigender Energiepreise vor allem eine finanzielle.

Überhaupt ist die Akzeptanz für Solarenergie schon seit längerer Zeit vergleichsweise hoch, auch die Politik betont immer wieder, sie zu wollen. Trotzdem gibt es im Landkreis viele Dächer, die von diesem Potenzial noch nicht Gebrauch machen. Woran hakt es also?

Da wären zum einen die bürokratischen Hürden. Da wäre aber auch die Frage, wie das Wissen über Solarenergie an die Bevölkerung kommt. Mulert findet, dass es mehr Beratungsstellen braucht. Vor allem aber brauche es mehr Fachkräfte. "Bei den Handwerkern sind die Auftragsbücher zwar voll", sagt er, "denen fehlen aber die Leute." Anders gesagt: Die Politik will Solarenergie fördern, die politischen Rahmenbedingungen stimmen aber bisher nicht.

Gerd Mulert zeigt Katharina Schulze den Wechselrichter, der Gleichstrom in haushaltsüblichen Wechselstrom umwandelt. (Foto: Arlet Ulfers)

Das will Katharina Schulze ändern. "Wenn wir den Klimaschutz ernst nehmen, können wir nicht nur auf die setzen, die sich ohnehin eine Photovoltaikanlage zulegen, weil sie es wichtig finden, die Zeit investieren und das nötige Geld haben", sagt sie. Es sei deswegen an den Kommunen, sich dezidiert zu fragen, auf welche Dächer noch Photovoltaik montiert werden kann. "Wenn wir aber Solarenergie flächendeckend auf Dächer bringen wollen, brauchen wir Menschen, die diese aufbauen, planen, warten. Und da haben wir einen massiven Fachkräftemangel", so Schulze weiter.

Sie nennt gleich mehrere Forderungen, mit denen sich das Handwerk stärken und Fachkräfte gezielt fördern lassen. Quereinsteigern soll der Übertritt in Handwerksberufe leichter gemacht werden, durch ein modernes Einwanderungsrecht soll außerdem die Lücke geschlossen werden, die durch den demografischen Wandel entsteht. Außerdem will Schulze auch Frauen gezielter fördern, etwa mit Modellen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf und gleicher Bezahlung. Und: Ganz grundsätzlich sei es nötig, das Ansehen von Handwerk und Ausbildungen zu verbessern. Die grüne Landtagsfraktion möchte dafür zwei Pflichtpraktika in Handwerksberufen für alle in der 7. Klasse einführen - und zwar an allen Schulen. So soll die Vielfalt an Handwerksberufen auch an Jugendliche auf dem Gymnasium herangetragen werden, die nach dem Schulabschluss eine Ausbildung oft gar nicht erst in Betracht ziehen.

Um die Wartung abzuschließen, geht Katharina Schulze mit Gerd Mulert hinter das Haus, wo ein gelber Kasten hängt: der sogenannte Wechselrichter, der Gleichstrom der Sonne in haushaltsüblichen Wechselstrom umwandelt. An diesem Modell funktioniert alles. Wäre das nicht so, würde hier das nächste Problem sichtbar werden, das den Ausbau von Solarenergie verhindert: Es fehlt Material. Ein Wechselrichter hat momentan eine Lieferzeit von rund drei Monaten.

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