Slutwalk in München:Spärliche Kleidung ist hier politischer Protest

Lesezeit: 2 min

Rund 100 Teilnehmende ziehen beim Slutwalk durch die Innenstadt. (Foto: Stephan Rumpf)

Beim "Slutwalk" ziehen Teilnehmende mit abgeklebten Brustwarzen oder in transparenten Kleidern durch die Innenstadt. Sie protestieren gegen Sexismus - und rufen dazu auf, auch sich selbst zu hinterfragen.

Von Andrea Schlaier

Die Sonne knallt unerbittlich auf den Marienplatz, die Hitze ist fast unerträglich. Manche Oberkörper sind nur mit einem BH bekleidet, String-Tangas sind unter transparenten Tüll-Röcken zu sehen, zugeklebte Brustwarzen über kurzen Shorts. An kühleren Tagen als diesem ließe sich deutlicher erkennen, dass hier kein Fest der hochsommerlichen Garderobe gefeiert wird. Die spärliche Kleidung ist hier politischer Protest. Gegen die, die meinen, sexuell übergriffig werden zu können, wenn das Gegenüber viel Haut zeigt. Darum geht es beim zehnten Münchner Slutwalk im Herzen der Stadt.

"Schlampe", im Englischen "Slut", haben sich viele auf das Top, die Hose oder Schenkel geklebt. Der Begriff spielt auf die Aussage eines kanadischen Polizisten an, der auf der ganzen Welt für Empörung gesorgt hatte: "Frauen sollten sich nicht wie Schlampen anziehen, wenn sie nicht vergewaltigt werden wollen." Der Slutwalk ist seither eine Demonstration gegen Sexismus. "In München steht er seit 2011 für sexuelle Selbstbestimmung, Gleichberechtigung und die Anerkennung von sexueller Vielfalt", sagen die Organisatorinnen. Die Regenbogenfahnen flattern am Samstag am Lautsprecherwagen und von Oberarmen.

(Foto: Stephan Rumpf)
(Foto: Stephan Rumpf)
(Foto: Stephan Rumpf)

Etwa 100 Leute versammeln sich beim Start am Marienplatz, um von hier aus bis zum Abend eine Schleife über den Gärtnerplatz und wieder zurück zu ziehen. Dazwischen Stopps für Reden und Erfahrungsberichte von Teilnehmenden. Dunja Robin aus Ingolstadt ist dabei. Die queere Frau im Rollstuhl leitet die Geschäftsstelle des Netzwerks von Frauen und Mädchen mit Behinderung. Sexuelle Selbstbestimmung ist auch ihr Thema. "Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die stärkt, anstatt uns zu begrenzen", sagt sie.

"Man wollte mich korrigieren", sagt ein junger Mensch auf dem Marienplatz. (Foto: Stephan Rumpf)

"Ich bin katholisch und männlich erzogen worden", erzählt ein junger Mensch mit polnischen Wurzeln und pinkem transparenten Umhang über dem weißen Slip. Er stammt aus Altötting. "Dass ich ich sei, war aus dieser katholisch männlichen Erwartungshaltung heraus ungenügend, krank, pervers. Man wollte mich korrigieren." Die ersten Plakate gehen hoch: "Stop victim blaming" steht auf vielen, aber auch: "Konsens ist sexy".

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In diesem Jahr, das erklären zu Beginn Mika und Jule am Mikrofon, geht es aber nicht nur um die anderen. "Face your inner sexist" heißt das Motto 2023 in München. "Wir wollen an uns selber arbeiten, uns den Spiegel vorhalten und andere dazu einladen, es uns gleich zu tun." Alle, die da auf dem glühenden Marienplatz stehen, seien geprägt vom Aufwachsen in einer "sexistischen und frauenfeindlichen Welt". Sich selbst den Spiegel vorzuhalten, sei manchmal schmerzhaft, aber notwendig. Applaus von der Gemeinde, die sich vor dem Rathaus unter alles, was den kleinsten Schatten wirft, drängt.

"Vergesst nicht zu trinken, passt auf euch auf", mahnen die Veranstalterinnen und meinen nicht nur das Wetter. Ein Awareness-Team begleitet den Zug, falls es zu Anfeindungen kommen sollte. Sicherheitshalber sollen sich alle mal die Hilfenummer notieren: 0176/501 692 64.

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