Anlaufstelle bei der Fachstelle für Demokratie:Rassismus an Münchner Schulen

Lesezeit: 2 min

Ein Bericht registriert 55 Meldungen von diskriminierenden, menschenfeindlichen oder rechtsextremen Vorfällen.

Von Joachim Mölter

Auf den ersten Blick sieht das nach einer erfreulich niedrigen Zahl aus: nur 55 Meldungen von diskriminierenden, menschenfeindlichen und/oder rechtsextremen Vorfällen an Münchner Schulen hat eine eigens dafür bei der städtischen Fachstelle für Demokratie eingerichtete Anlaufstelle innerhalb eines Jahres registriert - das erscheint wenig in einer Millionenstadt wie München mit rund 160 000 Kindern und Jugendlichen in 350 Schulen. Wenn man sich den Bericht genauer anschaut, den die Fachstellen-Leiterin Miriam Heigl am Mittwoch im Personal- und Verwaltungsausschuss des Stadtrats vorlegte, relativiert sich das Ganze freilich. Die 55 Fälle sind wohl nur die Spitze eines Bergs, dessen größter Teil im Nebel liegt.

Erfasst wurden nämlich nur städtische Schulen, nicht auch staatliche, zudem ist die Anlaufstelle noch so neu, dass viele potenziell Betroffene wohl nicht wissen, dass sie sich dorthin wenden können. Beschlossen hat der Stadtrat die Anlaufstelle im Dezember 2020, ausgearbeitet waren die Grundlagen ihrer Tätigkeit Anfang 2022. Der erste Bericht bezieht sich nun auf den Zeitraum vom 19. Februar 2022 bis 18. Februar 2023. Dabei fällt auf, dass die Meldungen nach den Sommerferien deutlich zunahmen. Zu der Zeit startete eine Kampagne, um speziell Schülerinnen und Schüler auf die Anlaufstelle aufmerksam zu machen und auf die verschiedenen Wege, dort vertrauliche Hinweise zu hinterlassen - per Telefon, E-Mail oder ein Online-Formular der Stadt.

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Auf diese Weise gingen also die 55 Meldungen ein, dabei wurde 31 Mal eine Diskriminierung beklagt, 27 Mal waren es menschenfeindliche Äußerungen, teils mit rechtem Hintergrund. Bisweilen kam beides zusammen - das erklärt, dass es mehr Fälle als Meldungen gab. "Aus verschiedenen Gründen ist von einem weitaus größeren Dunkelfeld auszugehen", heißt es in dem 30-seitigen Bericht mit dem Titel "Diskriminierung und rechter Hass an Münchner Schulen". Dass die Arbeit wenigstens etwas Licht ins Dunkel bringt, wurde von den Stadträten allseits gelobt.

Für Miriam Heigl war die Zahl der Meldungen groß genug, um zu belegen, "dass rechte, rassistische, antisemitische und andere menschenfeindliche Vorfälle an Münchner Schulen keine vermeintlichen Einzelfälle sind". Wobei es gar nicht nur um eine strafrechtliche Relevanz geht - bloß ein Drittel der Fälle wurde entsprechend eingestuft. Aber für die Betroffenen seien die Handlungen und Äußerungen "eine massive Belastung", für die Schulfamilie "eine große Herausforderung". Stadtschulrat Florian Kraus hält den Bericht daher für einen "wichtigen Schritt, um an den Münchner Schulen das Bewusstsein für Rassismus und jede Form von Diskriminierung zu schärfen". Heigl sagt: "Die Dokumentation der Vorfälle hilft uns, diesem Problem strukturiert entgegenzuwirken."

Am häufigsten wurden der Anlaufstelle rassistische Vorfälle gemeldet, 34 insgesamt oder 62 Prozent, gefolgt von rechtsgerichteten (18 Fälle), sexistischen und homofeindlichen (je sieben) sowie antisemitischen (sechs). Drei Viertel der Opfer waren Schüler oder Schülerinnen, die Hälfte der Täter ebenfalls. Ein Viertel der Urheber von rassistischen oder diskriminierenden Äußerungen, die sich mitunter auch gegen Schulpersonal richteten, waren Lehrkräfte. "Unser Ziel ist es, Betroffene zu schützen und das schulische Personal im sensiblen Umgang mit diesen Themen zu stärken", erklärte Stadtschulrat Kraus.

Betroffen von den Vorfällen waren im Übrigen alle Schularten, am häufigsten Realschulen und Gymnasien (29 beziehungsweise 27 Prozent aller Meldungen). Die angestrebte Aufhellung des Dunkelfeldes, so resümiert der Bericht, hänge von der Meldebereitschaft ab. Bislang kam das Gros der Hinweise aus den Reihen des Schulpersonals, was nicht verwunderlich ist, weil es für die Leitungen von städtischen Schulen eine entsprechende Meldepflicht gibt. Von Schülerinnen oder Schülern wurden indes nur sieben Vorfälle berichtet, was im Bericht auf ein nach wie vor existierendes Hierarchie- und Machtgefälle zurückgeführt wird. Weil Schüler bei der Notenvergabe von Lehrern abhängig sind, sei davon auszugehen, dass diese sich "aus Sorge vor negativen Konsequenzen nicht ohne Weiteres über etwaiges Fehlverhalten von schulischem Personal beschweren".

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