Mehr als hundert Menschen gerettet:"Wir alle haben sagenhaftes Glück gehabt"

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Mehr als 250 Einsatzkräfte sind in der Nacht auf Samstag im Einsatz. (Foto: Freiwillige Feuerwehr Planegg)

In der Nacht auf Samstag wird die Feuerwehr in Planegg zu einem Mehrfamilienhaus mit mehr als hundert Bewohnern gerufen. Schon beim Eintreffen wird den Einsatzkräften klar: Die Lage ist ernst.

Von Martin Mühlfenzl und Rainer Rutz, Planegg

Es ist mitten in der Nacht, als die ersten Feuerwehrmänner mit schwerem Atemschutzgerät in den Treppenaufgang des Wohnhauses an der Josef-Danzer-Straße in Planegg eindringen und beginnen, an den Haustüren zu klingeln und gegen sie zu hämmern. Es muss jetzt alles schnell gehen, denn es dringt gefährlicher Rauch aus dem Keller in das Treppenhaus und von dort in die Wohnungen. Manche Türen brechen die Einsatzkräfte auf, da die Bewohner nicht aufwachen. Mehr als 100 Menschen schaffen die Feuerwehrler unter großem Einsatz binnen kürzester Zeit ins Freie und beginnen zeitgleich damit, den Brand im Keller des achtstöckigen Hauses zu bekämpfen. Am Ende des Einsatzes heißt es: "Feuer in Gewalt" - und alle Bewohnerinnen und Bewohner des Mehrfamilienhauses sind gerettet.

Der Notruf der Feuerwehreinsatzzentrale des Landkreises München ging in der Nacht auf Samstag um 2.39 Uhr bei der Freiwilligen Feuerwehr Planegg ein, es wurde eine Rauchentwicklung in einem Haus gemeldet. Schon beim Eintreffen wurde den Einsatzkräften klar, dass die Lage ernst ist, das Treppenhaus war bereits total verraucht, die Kameraden forderten sofort einen weiteren Zug zur Unterstützung an.

Da der Rauch bereits in die Wohnungen eindrang, begann die Feuerwehr sofort mit der Evakuierung des Gebäudes, jedes Zimmer wurde dabei durchsucht. Nach SZ-Informationen war allerdings kein zentraler Hausschlüssel verfügbar, daher mussten die Hilfskräfte Wohnungstüren teils gewaltsam aufbrechen. Einige Bewohner mussten mit der Drehleiter über Balkone herausgeholt werden, andere wurden mit sogenannten Fluchthauben über das Treppenhaus ins Freie gebracht.

Einige Bewohner müssen mit der Drehleiter über den Balkon gerettet werden. (Foto: Freiwillige Feuerwehr Planegg)

Unter den Geretteten befanden sich auch zahlreiche Kinder und ältere Bewohner, die nach dem Verlassen des Hauses in zwei Großraumwagen der Münchner Berufsfeuerwehr erstversorgt wurden. Aufgrund der Größe des Objektes und der schieren Zahl an Menschen, die gerettet werden mussten, wurden neben den Kollegen aus der Landeshauptstadt auch Feuerwehrler aus Neuried, Gräfelfing, Taufkirchen, Hohenschäftlarn, Krailling, Stockdorf sowie des ABC-Zugs München-Land und des Technischen Hilfswerks alarmiert und hinzugezogen. Insgesamt waren mehr als 250 Männer und Frauen im Einsatz. Der Brand im Keller wurde mit Schaum bekämpft und konnte relativ schnell gelöscht werden.

Ihre Haustiere mussten die Bewohner zurücklassen

Drei Menschen erlitten bei dem Brand leichte Rauchvergiftungen und wurden gleich am Einsatzort versorgt. Für manchen Bewohner wog möglicherweise sogar schlimmer, dass er sein Haustier zurücklassen musste, wie Betroffene am Sonntag berichteten.

Damit die Menschen nicht in der Kälte ausharren mussten, wurde die Turnhalle der angrenzenden Schule geöffnet, um die Betroffenen dort zu versorgen. Auch Planeggs Bürgermeister Hermann Nafziger (CSU) machte sich noch in der Nacht ein Bild am Ort des Geschehens. "Ich war gerade eingeschlafen, kam von der Rathaus-Neujahrsparty", berichtet er am Sonntag. "Um vier Uhr stand die Feuerwehr vor meiner Tür. Ich habe einen Mantel übergeworfen und bin erst zur Brandstelle gefahren." Dort sei alles perfekt organisiert abgelaufen, so der Rathauschef, er habe eine "beeindruckende Koordination" der Hilfskräfte untereinander erlebt.

Im Anschluss machte sich Nafziger noch auf den Weg in die Turnhalle, um mit den Menschen zu sprechen. Dort wurden belegte Semmeln verteilt, Bierbänke und Tische wurden aufgestellt. "Am meisten waren die Leute wegen ihrer Haustiere besorgt. Keiner wusste, was nun passiert", so Nafziger. "Als von der Feuerwehr eine erste Entwarnung kam, waren alle erleichtert."

Am Sonntag konnten alle Bewohner nach einer Überprüfung der Statik wieder zurück in ihre Wohnungen. Nach wie vor sei der Brandgeruch aber dominant, berichtete am Sonntag eine ältere Bewohnerin. Sie sagte aber auch: "Wir alle haben sagenhaftes Glück gehabt." Einige Bewohner waren am Aufräumen, brachten stinkende Möbel aus ihrer Wohnung und machten sich Sorgen um die Kostenübernahme für aufgebrochene Türen.

Lob aber gab es von allen Seiten für die Einsatzkräfte. Auch Bürgermeister Nafziger fand anerkennende Worte: "Ich bin den Rettungskräften sehr dankbar. Das hätte ganz anders ausgehen können. Und ich denke, es wird schwierige Ermittlungen geben." Denn noch ist nicht klar, was den Brand in dem Kellerabteil ausgelöst hat. Beamte der Münchner Polizei haben Ermittlungen aufgenommen, zuständig ist das Kommissariat 13 für Branddelikte. Dieses schätzt den Gesamtschaden durch das Feuer und den Einsatz auf mehrere Zehntausend Euro. Wichtiger aber ist, dass keiner der Bewohner durch den Brand mitten in der Nacht dauerhaft zu Schaden gekommen ist.

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