Streit um sexistische Wiesn-Malereien:"Mir ist Zensur zuwider"

Lesezeit: 2 min

Aus aktuellem Anlass ein gefragter Gesprächspartner beim Gastronomen-Treffen auf dem Münchner Frühlingsfest: Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner. (Foto: Stephan Rumpf)

Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner verteidigt seine Haltung in der Debatte um fragwürdige Malereien auf dem Oktoberfest. Der Besitzer einer Wurfbude, die besonders im Fokus steht, findet: Die Stadt sollte die Umgestaltung bezahlen.

Von Anna Hoben, Bernd Kramer und Sarah Maderer

Fast 3000 bayerische Gastronomen und Hoteliers. Der Auflauf war groß beim Gastro-Frühling, zu dem der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) am Montag auf das Münchner Frühlingsfest geladen hatte, und die Spanne der Themen, die zur Sprache kamen, war weit: Fachkräftemangel, Preissteigerungen, Ungewissheit - und, ganz aktuell, sexistische und rassistische Abbildungen auf Wiesn-Fahrgeschäften. Um diese ist eine Diskussion entbrannt, nachdem Kultur-Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Die Grünen) mehr Sensibilität fordert, Wiesn-Chef und Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU) Verbote aber strikt ablehnt.

Christian Schottenhamel, Wiesn-Wirt und beim Dehoga stellvertretender Bezirksvorsitzender Oberbayern und Kreisvorsitzender in München, kann Baumgärtners Position nachvollziehen. "Letztes Jahr sollen von Behörden 32 Fahrgeschäfte mit potenziell anstößigen Motiven gezählt worden sein. Sollen die alle ihre Zulassung verlieren?", sagt Schottenhamel. "Klar könnte man übermalen, aber wo fängt's an und wo hört's auf?" Ein Verbot sei hier nicht die Lösung, findet Schottenhamel, der lieber an die Vernunft jedes Betreibers appellieren will.

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Clemens Baumgärtner unterstreicht bei der Veranstaltung noch einmal seine Meinung: "Mir ist Zensur zuwider, und es ist auch nicht meine Aufgabe, so etwas zu verbieten. Auf welcher Rechtsgrundlage denn? Ich bin Verwaltung." Auch er führt das Wo-fängt's-an-wo-hört's-auf-Argument an: Ein Dirndl-Ausschnitt könne dann genauso als sexistisch gelten. Oder sei es etwa kulturelle Aneignung, wenn ein Münchner in Tegernseer Tracht aufs Oktoberfest gehe? Er habe das nicht zu entscheiden.

Auf die Frage nach seiner persönlichen Meinung zu den Motiven, an denen sich die Debatte entzündet, antwortet Baumgärtner, 46: "Mir sind sie ehrlich gesagt nie aufgefallen." Schön finde er sie aber nicht, weder ästhetisch noch politisch. "Man kann viel über mich sagen und schreiben. Dass ich weiß und mittleren Alters bin, okay. Meinetwegen, dass ich dick bin. Aber dass ich ein Rassist sein soll, will ich so nicht stehen lassen."

Um Zeichnungen wie diese, die auf dem Oktoberfest im vergangenen Jahr an der Wurfbude "Crazy Alm" zu sehen war, geht es in der Diskussion. (Foto: Robert Haas)

Im Zentrum der Debatte stehen unter anderem die Malereien an der Wurfbude "Crazy Alm": Deren Fassade zeigt einen Schwarzen, der mit breitem Lächeln das Kleid einer Frau lupft, woran zwei andere Männer keinerlei Anstoß nehmen. Den Betreiber Enrico Agtsch hat der ganze Wirbel erkennbar kalt erwischt. "Ich kann die Kritik nicht nachvollziehen", sagt Agtsch am Montag auf Anfrage. "Es gab in den letzten zwanzig Jahren nie Beschwerden gegen die Motive. Kein einziger Mensch fand das jemals diskriminierend." Dass die Szene als rassistisch empfunden werden könnte, sei auch ihm nie in den Sinn gekommen.

Als er die Wurfbude Anfang der 2000er Jahre übernommen habe, habe er sie sogar umlackieren lassen, um die Weltoffenheit der Wiesn zu demonstrieren. Menschen aus allen Teilen der Welt, bayerisch derb dargestellt - das sei doch lustig. "Die Leute haben sich totgelacht und Fotos gemacht, das war immer eine Attraktion im positiven Sinne", sagt Agtsch.

Den Betreiber der "Crazy Alm" hat die Debatte kalt erwischt

Von der Kritik an seinem und anderen Ständen hat er aus den Medien erfahren, ihn habe noch niemand Offizielles angesprochen. Nun wartet er den Ausgang der Debatte ab - was bleibe ihm auch übrig. "Das sollen sie im Rathaus entscheiden." Nur eines wünscht er sich nach den mageren Corona-Jahren: "Wenn das Motiv weg soll, dann soll die Stadt doch bitte auch fürs Neulackieren aufkommen."

Die Stadt wollte sich am Montag nicht zu der Debatte äußern. Auf Anfrage teilte das städtische Presseamt lediglich mit: "Die Landeshauptstadt München steht gegen jede Form von Rassismus und Sexismus. Die in der aktuellen Berichterstattung thematisierten Darstellungen sind daher im Moment Gegenstand von Diskussionen in einem interfraktionellen Arbeitskreis. Das Ergebnis dieser Diskussionen wird zu gegebenem Zeitpunkt gegenüber der Öffentlichkeit kommuniziert."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Oktoberfest
:Die woke Wiesn

Keine sexistischen Lieder und anstößigen Dekorationen mehr, nachhaltige und vegane Küche, viele Angebote für die schwule und lesbische Community: Wie sich das Oktoberfest wandelt - und warum.

Von Franz Kotteder

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: