Anstich beim Oktoberfest:Reiter zapft zu früh an

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Begann schon ein paar Sekunden vor 12 Uhr mit den Anzapfen: Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die Schmach vom vergangenen Jahr will der Münchner Oberbürgermeister wiedergutmachen - und hat es besonders eilig, dem Ministerpräsidenten die erste Mass Wiesnbier zu überreichen. Und Söder? Der nutzt den Auftritt für den Landtagswahlkampf.

Von Isabel Bernstein

Da konnte es einer offenbar gar nicht erwarten, dass es losgeht. Zehn Sekunden bis 12 Uhr, dem klassischen Anstich-Moment des Oktoberfests, das Publikum zählt runter, neun, acht, sieben, sechs ... da reicht es Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und er zapft an. Und wie. Zwei Schläge, dann fließt das Bier. Zwei Schläge hat Reiter Minuten zuvor angekündigt, und er macht damit auch seine zweite Ansage wahr: dass es "zehn Sekunden nach Zwölfe draußen a Bier" geben solle.

Vielleicht wollte Reiter mit seinem schnellen Anzapfen auch die vermeintliche Schmach des vergangenen Jahres vergessen machen. Drei Schläge hatte er da gebraucht, einen mehr als sonst. Dass die Performance im Bierzelt für einen Politiker in Bayern keine Lappalie ist, zeigte das Frotzeln mit Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Anschluss. Vergangenes Jahr, rechtfertigte Reiter sich, sei der Schlegel viel größer und schwerer gewesen als sonst, das ist, "wie wenn man einem Fußballspieler einen Basketball gibt".

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Zwei Meter weiter hatte Söder dafür nur ein müdes Lächeln übrig. Das Anzapfen sei für einen Münchner Oberbürgermeister die wichtigste Amtshandlung im Jahr, 2022 sei Reiter schon etwas unsicher gewesen. Aber alles in allem sei Reiter ein "guter Anzapfer", den man "nicht einfach so rausnimmt".

Damit spielte Söder darauf an, dass sein Kabinett die Amtszeitbegrenzung für Politiker auf 66 Jahre ändert. Traditionell soll die Wiesn eigentlich ein wahlkampffreier Ort sein, aber Söder wäre nicht Söder, wenn er die Politik - zumal in einem Landtagswahljahr -im Zelt sein lassen könnte. Schon vor dem Anzapfen hatte er den Leuten seinen schon zigfach gesagten Spruch zugerufen: "Jeder soll das essen, was er will, und jeder soll so viel trinken, wie er verträgt." Dass ihn der Moderator des Bayerischen Rundfunks, der das Anzapfen begleitete, eigentlich nach seinem Hashtag #söderisst gefragt hatte, war für Söder da zweitrangig.

Und einmal vor den Kameras, nutzte Söder natürlich weiter die Bühne für eine politische Botschaft: dass er es einen Fehler findet, wenn die Senkung der Mehrwertsteuer auf Essen Ende des Jahres ausläuft, die Wirten während der Corona-Pandemie das Überleben sichern sollte. "Das Essen muss nicht teurer, es muss billiger werden: Die Wiesn muss auch für den kleinen Geldbeutel sein", so Söder und entgegnete auf den Einwand eines Journalisten, das sei ja nun Wahlkampf: "Nein, das ist eine ernste Sache, die da für nächstes Jahr entschieden wird."

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Auch Reiter sprach über die Kosten auf der Wiesn. Er würde sich wünschen, dass "wir die Preise vor der Wiesn mal nicht erhöhen" müssen. Natürlich seien die Preise hoch, aber "die Leute, die auf die Wiesn gehen, wissen, was sie zahlen". Er habe sich vor allem über die Preise für Wasser geärgert, "und deshalb haben wir's jetzt kostenlos gemacht", verwies Reiter auf die Trinkwasser-Brunnen, die erstmals in diesem Jahr auf dem Festgelände aufgestellt worden waren.

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Die Feiernden im Schottenhamel hatten indes kein Ohr für politische Botschaften. Sie freuten sich darüber, dass es endlich Bier gab, seit neun Uhr hatte ein Großteil von ihnen ja schon auf diesen Moment gewartet. Unter den Gästen befanden sich "Volks-Rock'n'Roller" Andreas Gabalier und Schlager-Moderator Florian Silbereisen. Beide hatten sich auf dem Tisch direkt gegenüber der Anzapf-Boxe positioniert und - im Fall Gabaliers - noch ein kleines Video für die Fangemeinde gedreht, als Reiter und Söder noch auf sich warten ließen.

Als die ersten Mass Wiesnbier verteilt waren und der diesjährige Schlegel neben dem aus dem Vorjahr im Regal neben den zwei Anzapffässern hing, wurde Reiter noch gefragt, was er sich für das Oktoberfest wünsche. Die Rahmenbedingungen seien perfekt, sagte er in Anspielung auf das gute Wetter und vermutlich auch auf die Corona-Nachwehen im vergangenen Jahr. Er wünsche sich, dass es eine friedliche Wiesn wird, dass alle Leute Spaß haben und der CT im Sanitätszentrum möglichst wenig benutzt werde. Und was den Alkoholkonsum angeht: "Aspirin darf nach dem Wiesn-Besuch schon mal sein."

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