Pop-Festival in Nürnberg:Endlich wieder feiern wie 2019

Lesezeit: 2 min

Balkan-Popstar Shantel ist beim Festival in Nürnberg dabei. (Foto: Harald H. Schröder)

An acht verschiedenen Orten treten Musiker wie Shantel, "Die Sterne" und viele andere Talente auf: Das Festival "Nürnberg Pop" steigt zu Bedingungen fast wie vor Corona, ohne Masken, ohne Sitzplatzpflicht.

Von Michael Zirnstein, Nürnberg

Nicht-Nürnbergern muss man wohl erklären, wer Gunda war. Jene Gunda, die dem neuen Pop-Musikpreis der Stadt ihren Namen leiht. Gunda also, man darf sie ruhig beim Vornamen nennen, denn sie selbst stand einmal wegen Duzens eines Polizisten vor Gericht, war eine Bäuerin und Nürnberger Marktfrau, bekannt für ihren Wortwitz, ihre Stimmgewalt und ihre Reibereien mit der Obrigkeit, wenn es um Ladenschlusszeiten und Standlgrenzen ging.

Nach dem Vorbild dieses anarchistisch herzlichen Charakterkopfes werden nun also nach der nächtelangen Diskussion einer elfköpfigen Jury an diesem Donnerstag erstmals drei Gunda-Pokale und je 1000 Euro verliehen: an den wortgewandten Rapper Schmyt (Newcomer national), an die durchaus aufmüpfigen Punks Akne Kid Joe (Artist regional) und die heimelige Mata Hari Bar in der Kategorie "Kultur(ort)". Außerdem nimmt die Gunda den "Stroboskop" auf, den Nachwuchspreis der heuer selbst mit dem Bayerischen Popkulturpreis ausgezeichneten Radio-Sendung "Lokale Leidenschaften", samt ihrer Gewinner Lionlion.

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Die Zeremonie wird auf Youtube zu sehen sein und von Nürnbergs Kulturbürgermeisterin Julia Lehner im Kunst-Kultur-Quartier eröffnet, "inklusive eines Grußwortes des Oberbürgermeisters", betont Gunda-Mitinitiator David Lodhi. Er will damit sagen, dass seiner jahrelang ausgebrüteten Idee damit offiziell eine gewisse "Wertigkeit" zugestanden wird. Was ihn schon deshalb freut, weil Pop in Nürnberg längst noch nicht die erste Geige spielt, Lodhi als Szene-Motor und Betreiber des Club Stereo aber extrem viel angeschoben und erreicht hat. Auch mit seinem Festival "Nürnberg Pop" am Freitag und Samstag, zu dem die Gunda-Gala der Auftakt ist. "Es geht darum, immer wieder Zeichen zu setzen, dass Pop-Kultur bei uns einen Wert hat", sagt Lodhi.

Er und seine Partner haben "Nürnberg Pop" binnen zehn Jahren zum größten Show-Case-Festival Süddeutschlands aufgebaut, also zu einer branchenrelevanten Talentschau. Heuer ein Ereignis mit 36 Konzerten an acht Spielstätten von der Katharinenruine über das Neue Museum, das Hinz und Kunz bis zur Klarakirche in der Altstadt, mit Indie-Größen wie dem Balkan-Popstar Shantel oder den Hamburger-Schule-Pionieren Die Sterne und jeder Menge Nachwuchs-Power aus der Region und von weither. "Reeperbahn-Festival trifft Southbysouthwest", lobte das BR-Jugendradio Puls einmal.

"Nürnberg Pop 2021 = Festival like it's 2019"

Lodhi machte Nürnberg 2020 zum deutschen Partner im Showcase-Festival-Verband INES, er knüpfte Kontakte zu Pendants in Wien und Schweden, und saß auf einem Pop-Podium in Vilnius - vier junge litauische Künstler streamen nun Konzerte nach Nürnberg aus ihrer Heimat. Wegen der Corona-Unsicherheiten hatte man sich früh für die Online-Variante entschieden.

Ansonsten gilt die Gleichung auf der Internetseite: "Nürnberg Pop 2021 = Festival like it's 2019". Also: "best case für die Besucher", keine - allzu spürbaren - Corona-Beschränkungen wie Masken oder Sitzplatzpflicht, freier Wechsel zwischen den Orten, Jubel, Trubel, Heiterkeit. Das hatte Lodhi bereits vor einer Woche mit dem Ordnungsamt ausgehandelt und verkündet, bevor die Staatskanzlei dies bayernweit erlaubte. Manchmal ist es gut, nicht die Gunda zu geben, sondern mit den Behörden zusammenzuspielen - dafür ist Franken nun sozusagen der Testlauf für alle folgenden großen Laufwege-Festivals mit Vorab-Datenerfassung, App-Registrierung an alle Spielstätten und einmaliger 2G- oder PCR-Test-Kontrolle.

Bei den (nur 50 bis 70 Prozent befüllten) Konzerten soll man dann die Pandemie für den Moment hinter sich lassen, lieber erleben, was da auf uns zurollt popkulturell: Gut, Die Sterne und Shantel sind schon seit Jahren auf ihrem Zenit. Aber da sind noch Entdeckungen zu machen wie BLVTH, der Produzent des Nr.1-Albums von Caspar, die 19-jährige "Björk aus Luxemburg" Karma Catena, die in Deutschland geborenen, in Italien aufgewachsenen Söhne von australisch-tschechischen Eltern Amistat, das Nürnberger Elektro-Duo Apanorama, die Kölner Kneipen-Popper Fortuna Ehrenfeld oder das Bamberger Dance-Sozialprojekt Dr. Umwuchts Tanzpalast. Und auch bei Lionlion, den einzigen zu erlebenden Preisträgern, werden keine Tomaten fliegen, wie es am Standl von Gunda dereinst schon mal der Fall war.

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