Event:Schaukeln erweitert den Blick

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Zwölf Schaukeln will das Münchner Designbüro OHA an einen Fachwerkträger hängen. Vom 2. Mai an kann man so seinen Horizont in Schwingung versetzen. (Foto: OHA/MCBW)

Die Munich Creative Business Week sucht nach neuen Horizonten und macht das nach zwei schwierigen Corona-Jahren wieder verstärkt analog und live vor Ort.

Von Jürgen Moises

Wer an Design denkt, denkt an Plakate, Mode, Autos. An Dinge oder Artefakte, die schön, auffällig oder praktisch, funktional gestaltet sind. Dabei lassen sich auch Gedanken und soziale Beziehungen gestalten, was man im Ergebnis "Mentefakte" und "Soziofakte" nennt. Und wenn unsere Zukunft aus einer ökologischen Umgestaltung der Gesellschaft bestehen soll, dann könnten solche Mente- und Soziofakte dabei eine wichtige Rolle spielen. Dass man öffentlich meist nur vereinzelte Star-Designer oder Mode-Zaren kennt, das ist eine weitere häufige Engführung. Dabei sind in der Berufsstatistik über 300 designrelevante Berufsbilder und -bezeichungen enthalten. Auch das müsste verstärkt in den Blick rücken, wenn es um Gestaltung und speziell um deren wirtschaftliche Bedeutung geht.

Das sieht jedenfalls der Berliner Unternehmensberater und Designforscher Joachim Kobuss so, den die Bayern Design GmbH mit einer "Studie zur wirtschaftlichen Relevanz von Design" beauftragt hat. Im Presse Club München wurde diese Studie nun vorgestellt. Zusammen mit dem Programm der Munich Creative Business Week (MCBW), die vom 14. bis 22. Mai als größtes deutsches Design-Event wieder in München stattfindet und seit 2012 von Bayern Design veranstaltet wird. Rund 170 Events, etwa 100 Sprecher, 160 Programmpartner und 40 eingetragene Designshops sind aktuell dafür gemeldet. Und während in den vergangenen beiden Jahren vieles wegen Corona abgesagt oder ins Internet verlegt werden musste, findet in diesem Jahr wieder fast alles live vor Ort statt. Digitale und hybride Events gibt es trotzdem. Damit man etwa auch außerhalb von München an der langen Woche des Designs teilnehmen kann.

Das Schwerpunktthema in diesem Jahr lautet "Moving Horizons". Also das Bewegen der Horizonte, was man bereits vom 2. Mai an auf der Südwiese der Alten Pinakothek sehr unmittelbar, physisch und spielerisch erleben kann. Dort installiert das Münchner Produkt- und Möbel-Designbüro OHA (Office Heinzelmann Ayadi) nämlich als " MCBW Public Space" eine Schaukel. Genau genommen sind es zwölf, die nach der Spielplatznorm DIN EN 1176 an einem Fachwerkträger hängen. "Ein Angebot für Loslassen, Leichtigkeit, Begegnung, neue Orientierung", über dem in großen Lettern "Moving Horizons" geschrieben steht. Und wer sich an eigene Schaukelerfahrungen erinnert, der weiß, wie sehr das Auf und Ab die eigene Wahrnehmung beeinflusst.

Nachhaltigkeit und Klimawandel sind erneut wichtige Themen

Die Bewegung, sie ist auch sonst ein wichtiges Element in diesem Jahr. Das zeigt sich etwa beim "Designwalk", der dieses Mal ins Glockenbachviertel führt. Er besteht aus zehn Stationen, zu denen Studios und Showrooms aus den verschiedensten Designbereichen wie Mode oder Schmuck gehören. Beim "Soundwalk" ist man dagegen in der Maxvorstadt unterwegs und lernt dabei, durch unerwartete Geräusche neu auf ausgewählte Orte zu blicken. Notwendig dafür sind Kopfhörer und ein eigenes Handy. Ebenfalls dort, auf dem Kunstareal, wird während der MCBW ein transparenter Pop-up-Ausstellungscontainer stehen. Bespielt wird er von Gmund Papier mit einer Rauminstallation aus ökologisch hergestelltem Papier. Ein zweiter Pop-up-Container wird auf dem Viktualienmarkt errichtet. Dort zeigt der Green Future Club Designobjekte aus neuartigen und nachhaltigen Materialien.

Ansonsten ist natürlich der persönliche Austausch ein sehr wichtiges, unter Corona oft schmerzlich vermisstes Moment. Dieses steht unter anderem bei dem neuen Format "Talk & Connect" am 16. Mai im Zentrum, wo das Jahresthema "Moving Horizons" in Form von Impulsvorträgen vertieft werden soll. Der Ort dafür ist das Arri-Kino, die Vorträge werden aber auch gestreamt. Das gleiche gilt für den "Global Design Talk", der einen Tag später im Arri-Kino stattfindet. Unter der Moderation von Päivi Tahkokallio steht hier das Thema "Life-cycle thinking & climate change" im Mittelpunkt.

Ein weiteres wichtiges Event ist die Preisverleihung der Green Product Awards 2022 am 18. Mai im Arri-Kino. 1500 Projekte aus 50 Ländern und Bereichen wie Arbeitswelt, Architektur oder Konsumgüter haben sich dafür beworben, mit Produkten, bei denen neben gutem Design und Innovation die Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle spielt. Nicht zuletzt hier zeigt sich die gesellschaftliche Relevanz von gutem Design und allgemein der Designwirtschaft, die laut Joachim Kobuss' Studie übrigens von Corona nicht so schlimm betroffen war wie befürchtet. Die Anforderungen an die Gestalter werden, heißt es, aber weiter steigen. Das heißt, auch sie müssen sich auf neue Horizonte einstellen.

Munich Creative Business Week 2022, 14. bis 22. Mai, diverse Orte, Programm unter www.mcbw.de

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