Konzertfilm mit Buch:Karneval trimedial

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Schnelle Tiere selbst geschnitten: Die BR-Filmfassung des "Karnevals der Tiere" von Camille Saint-Saëns bettet die Tierdarstellungen in eine Geschichte, die von BR-Autorin Uta Sailer und Johannes Volkmann (im Bild) mit Mitteln des Papiertheaters erzählt wird. (Foto: BR)

BR-Klassik, das Münchner Rundfunkorchester und das Nürnberger Papiertheater haben den Kinderklassiker von Camille Saint-Saëns mit Musik, Video und Papier neu in Szene gesetzt.

Von Barbara Hordych, München

Als das Familienkonzert des Münchner Rundfunkorchesters zu Camille Saint-Saëns' "Karneval der Tiere" im vergangenen Jahr aus den bekannten Gründen abgesagt wurde, stand eigentlich sofort die Idee im Raum, daraus einen Film zu machen. Allerdings mit "etwas Besonderem". Wenn etwas Besonderes, dann bitte zusammen mit Johannes Volkmann und seinem Nürnberger Papiertheater, schlug die BR-Klassik-Autorin Uta Sailer vor. "Uta und ich kennen uns seit einem gemeinsamen Kinder-Opern-Projekt im Kontext der Salzburger Festspiele", erzählt Johannes Volkmann bei einem Treffen in einem Münchner Café. Und so realisierte man als Besonderheit die Idee, in einer gemeinsam entwickelten Geschichte und mit den Mitteln des Papiertheaters zusammen mit der Dirigentin Marie Jacquot den Kinderklassiker von Saint-Saëns neu in Szene zu setzen: Als 45-minütigen Film (zu finden in der BR-Mediathek), in 15 Videoclips - und mit einem Mal-und Ausschneide-Buch zum Film, das jetzt zum 100. Todestag von Camille Saint-Saëns in Volkmanns Verlag "Erlesene Bücher" erschienen ist.

Wie hat man sich das vorzustellen? "Wir haben sozusagen ,trimedial' gearbeitet, mit Papier, Musik und Video", erklärt Volkmann. Zur Illustration blättert er in dem vor ihm liegenden Buch. Das ist vielmehr ein dickes Heft aus weißem und dunkelblauem Tonpapier im DIN-A-4-Format.

Jedes Buch zum Film ist ein handgemachtes Unikat: Der "Karneval der Tiere" als musikalisches Mal- und Ausschneidebuch. (Foto: Johannes Volkmann/Nürnberger Papiertheater)

Jedem Tier aus dem Karneval und damit jedem der 14 einzelnen Sätze des "Karnevals" ist eine Doppelseite mit zahlreichen Anregungen wie Musikübungen, Rätseln und Spielen gewidmet; parallel führt ein QR-Code mit Link zu den jeweiligen Tier-Musik-Videoclips. Das Buch ist zwar kreativ und animierend, aber keineswegs bunt. Denn Volkmann, der "die einfachen, reduzierten Materialien liebt", hat es mit Kugelschreiber gezeichnet. Bunt wird es erst durch die Mitarbeit der jungen Leser.

Die schnellen Tiere werden zu Tonleitern mit Bergen und Tälern auf zwei Buchseiten

Wie hört sich dein Känguru an? So lautet etwa die Frage, nachdem erklärt wurde, wie hopsende und sich ausruhende Kängurus im Notenbild aussehen. "Noten mit Punkt ist gleich Staccato, die Kängurus hopsen. Noten mit Bogen ist gleich Legato, die Kängurus ruhen sich aus." Oder man erfährt, wie "schnelle Tiere" laufen: "Die Noten sehen wie Berge und Täler aus, und so geht es in der Musik auch rauf und runter", heißt es in Sailers Text. "Die Tiere sind sogar so schnell, dass die dazugehörigen Tonleitern im Buch auf der zweiten Seite weiterlaufen", sagt Volkmann und schmunzelt. Klickt man den dazugehörigen Videoclip an, sieht man Volkmann ein Tier skizzieren und ausschneiden. Dabei überlegt er, ob es sich um einen Fuchs oder ein Pferd handelt. "Ein Pferd natürlich! Ein fuchsteufelswildes Pferd", entscheidet die Dirigentin Jacquot.

Hahn auf dem Klavier: Die Pianistin Nia Sulkhanishvili, Preisträgerin beim ARD Musikwettbewerb, bei der musikalischen Geflügel-Episode. (Foto: BR)

Und schon eilen die Finger der Pianistin Nia Sulkhanishvili - mit ihrer Zwillingsschwester Ani war sie 2015 im Klavierduo Preisträgerin beim ARD Musikwettbewerb - über die Tasten.

Welche Besonderheit in seinem Buch ist Volkmann die liebste? Er blättert zum Ende des Buchs, dem Porträt des Komponisten Saint-Saëns. "Dieses Porträt fehlt auf der Seite 5, auf der man erfährt, dass er 1921 gestorben ist. Dort ist es ausgeschnitten - und hier, auf der letzten Seite, taucht es auf - per Hand angetackert in jedem Buchexemplar". Hebt man das Porträt an, tritt das "Geheimnis" von Saint-Saëns' Karneval zu Tage. "Es war ein musikalischer Scherz! Ich wollte nicht, dass das Stück nochmal aufgeführt wird, es war mir ein bisschen peinlich. Ich habe dann versucht, die Konzerte zu verhindern. Das Stück wurde trotzdem weltberühmt", heißt es dazu in Sailers Text.

Hektor Berlioz' Feenmusik hat Saint-Saëns in ein Elefantenkostüm gesteckt

Was dem Komponisten so peinlich gewesen sein könnte, setzt Volkmann in den Videoszenen anschaulich und witzig mit seinen Papier-Tieren in Szene: Da begegnen sich die Schildkröten Jacques und Camille und streiten darüber, von wem eine bestimmte Tanzmelodie ist. Bei dem einen - Jacques Offenbach - ist es der berühmte, schnelle "Can Can", der bei dem anderen, Saint-Saëns, zum langsamen "Schildkröten-Tanz" wird.

Gekrönt wie der König der Tiere: Marie Jacquot dirigiert, und die Musik brüllt und schleicht wie ein Löwe. (Foto: BR)

Und schon hebt Jacquot den Taktstock, bringen die Musiker beide Versionen zu Gehör - im Buch gibt es dazu passend einen Notenvergleich. Ähnlich parodistisch verfuhr Saint-Saëns übrigens mit Hektor Berlioz' Feenmusik: "Er hat sie in ein Elefantenkostüm gesteckt", erklärt die Dirigentin.

"Das Ganze war für ihn ja nur ein Faschingsspaß, den er zu einer Party bei Freunden mitgebracht hatte", sagt Volkmann. Wie auch immer. Eines ist bei dieser einfallsreichen Kombination von Musik, Film und Papier garantiert: Sie ist nicht nur lehrreich und spannend, sondern macht auch jede Menge Spaß.

Camille Saint-Saëns' "Karneval der Tiere", https://www.br.de/mediathek/video/muenchner-rundfunkorchester-camille-saint-saens-karneval-der-tiere-av:5fe0d5c5528431001aa8cdd8

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