Schlachthofviertel:Graffito gegen rechts verunstaltet

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Bekannte Sprayer gestalten ein Weiße-Rose-Wandbild, um ein Zeichen gegen Nationalismus zu setzen. Kurz darauf wird es zerstört.

Von Evelyn Vogel

Sie wollten ein Zeichen setzen, ein Zeichen gegen Rechts. "Ein klares Statement für eine tolerante, offene und aktive Gesellschaft, die sich mutig und entschlossen gegen Ausländerfeindlichkeit, Hetze und Angstmacherei stellt", wie die Initiatoren vom Verein zur Förderung urbaner Kunst ankündigten. Deshalb hatten sie etwa 40 Künstlerinnen und Künstler aus München und Südbayern eingeladen, auf einer 100 Meter langen und bis zu acht Meter hohen Wand am Schlachthof ein Graffito zu gestalten.

Der Gruppe gehörten so bekannte Sprayer wie Loomit oder die Künstlergruppe ADK an. Auf dem Graffito war in Riesenlettern und von Rosen umrankt die dem Weiße-Rose-Aktivisten Hans Scholl zugeschriebene Aussage zu lesen: "Nicht: Es muss etwas geschehen, sondern: Ich muss etwas tun." Jeder der überdimensionalen Buchstaben wurde von jeweils einer Künstlerin oder einem Künstler individuell gestaltet. Mittig prangt ein Porträt von Sophie und Hans Scholl. Außerdem sind die Daten rechtsradikal motivierter Anschläge in den vergangenen 30 Jahren in Deutschland zu lesen.

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Wie dringend notwendig ein solches Zeichen gegen die Ewiggestrigen auch heute noch ist, zeigte sich sehr schnell. "Viel schneller, als wir befürchtet hatten", berichtet Angelika Man, die für die Öffentlichkeitsarbeit des Projekts zuständig ist. Gerade einmal eine gute Stunde dauerte es, dann war das legal gesprühte Graffito durch Übersprühungen zerstört. "Die müssen fast auf der Lauer gelegen sein und abgewartet haben, bis wir weg waren", vermutet Man. Denn gegen 21 Uhr am Sonntagabend war das Werk vollendet, waren Leitern, Farbdosen und Rollen aufgeräumt. Nicht lange nach 22 Uhr kam ein Mitglied des Vereins zur Förderung urbaner Kunst zufällig am Schlachthof vorbei und entdeckte den Vandalismus.

Das Graffito wurde mit schnell hingeworfenen Tags, Throw-ups und roten Linien "gecrossed", wie in der Szene die respektlosen und illegalen Übersprühungen genannt werden. Nun ist bekannt, dass die Münchner Sprayerszene sich nicht grün ist, dass ein Wettkampf um besprühbare Flächen herrscht, bei dem nicht selten Standpunkte mit rüden Motiven und radikalen Crossings behauptet werden. Mitunter hat man als Passant das Gefühl, dass mit Sprühdosen auf fremden Hauswänden wahre Schlachten geschlagen werden. Respekt gegenüber fremdem Eigentum vermisst man da ebenso oft wie Respekt gegenüber jenen Kollegen, die legal an freigegebenen öffentlichen Wänden oder im Auftrag von Eigentümern sprühen und damit ihr Geld verdienen.

Krumme Sachen auf gerader Wand: Das Graffito am Schlachthof am Sonntagnachmittag kurz vor der Fertigstellung, aufgenommen mit einer Panoramafunktion. (Foto: Christian Boehm)

"Dass das Bild nicht lange stehen würde, war uns allen klar. Es gibt derzeit in München fast keine legalen Flächen zum Sprühen, da ist der Druck enorm. Aber mit zwei Tagen, gerade bei dieser Botschaft, hätten wir doch gerechnet. Kaum eine Stunde danach auf so respektlose Weise drüberzugehen, das ist schon sehr überraschend." Beschreibt Initiator Melander Holzapfel einen möglichen Beweggrund.

Er glaubt aber auch, dass die Täter - klar ist, dass es mehrere waren - nicht aus Konkurrenzgründen handelten. Jedenfalls schließen die Initiatoren vom Verein für urbane Kunst eine politische Motivation nicht aus. Zwar fänden sich keine nationalsozialistischen oder rechten Parolen auf dem Wandbild. "Aber die Botschaft der ursprünglichen Aktion, nämlich sich in Erinnerung an die Bewegung der Weiße Rose für Demokratie und gegen rechte Hetze aktiv einzusetzen, war den nächtlichen Tätern offenbar ein Dorn im Auge", meint Holzapfel. Das lasse auf braunes Gedankengut schließen. Man lasse sich aber von Rechts nicht einschüchtern.

Besonders perfide sei gewesen, dass Schriftzüge und Tags - so nennt man die Unterschriften der Graffiti-Künstler auf ihren Werken - gerade jener Künstlern imitiert wurden, die am Scholl-Wandbild mitgearbeitet hatten. "Damit sollten offenbar die Namen dieser legal arbeitenden Künstler diskreditiert werden", empört sich Angelika Man.

Dass die Sprühaktion in der Tumblingerstraße am Wochenende der Kommunalwahlen in Bayern stattfand, war als Termin bewusst gewählt. Man wollte als Verbund von Graffiti- und anderen Kunstschaffenden gerade auch junge Wählerinnen und Wähler aufrütteln, sagt Holzapfel. "Wozu führt es, wenn man Nationalismus zulässt, sich nicht informiert und einfach mitläuft?", fragt er. "Wir wollen mit dem Zitat der Weißen Rose daran erinnern, was wieder passieren wird, wenn die Mehrheit nicht aktiv gegen braunes Gedankengut aufsteht." Und - so könnte man nach der Erfahrung des Wochenendes sagen - standhält und sich auch durch Rückschläge nicht unterkriegen lässt.

Entsprechend wurde das Graffito zu Ehren von Sophie und Hans Scholl dann auch in Windeseile wiederhergestellt.

© SZ vom 18.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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