Musikfilm:Der Weg der Wegbereiterin

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Der Filmstart einer Doku über die Musikerin Suzi Quatro ist verschoben. Grund genug, sich ihre alten Hits mal wieder anzuhören

Von Dirk Wagner, München

"Bevor du dich setzt, werfen wir erst einen Blick auf den Hintern des Jahres", sagte Mitte der Siebzigerjahre der Moderator Russel Harty im britischen Fernsehen und klapste seinem Studiogast Suzi Quatro auf den Po. Nie hätte er dergleichen bei Marc Bolan oder anderen männlichen Rockstars gewagt, die Quatro 1973 mit Hits wie "48 Crash", "Can The Can" oder "Daytona Demon" vom Thron kickte. Davon erzählt nun auch der australische Dokumentarfilm "Suzi Q", der kürzlich in Anwesenheit der Rocklegende in der Astor Film Lounge im Arri gezeigt wurde.

Prominente Musikerinnen wie Debbie Harry von Blondie, Donita Sparks von L7 oder Joan Jett betonen darin, wie sehr Suzi Quatro sie inspirierte. Vor ihr habe es nur Sängerinnen gegeben. Dass eine Frau mit einem Instrument über die Bühne wirbelte, sei eine Sensation gewesen. "Sie bewegte sich und spielte wie ein echter Bassist", schwärmt etwa Kathy Valentine von The Go Go's. Und auch die Talking Heads-Bassistin Tina Weymouth sagt, dass es Quatros Debütalbum gewesen sei, das sie davon überzeugte, Bass in einer Rockband zu spielen.

Dabei hätte es mit der E-Gitarre spielenden Sister Rosetta Tharpe in den Fünfzigern oder mit der britischen Frauenband Liverbirds in den Sechzigerjahren durchaus schon andere Vorbilder gegeben. "Die waren aber keine Stars. Mich dagegen kannten ja alle", sagt Quatro vor dem Filmstart im Café des Arri-Kinos in München. Geduldig signiert sie dort auch mitgebrachte Platten-Cover oder Eintrittskarten und lässt sich zusammen mit Fans fotografieren. Nur berühren darf man sie wegen des Coronavirus nicht. Wer das trotzdem wagt, wird von ihr resolut zurückgewiesen. Diese starke Persönlichkeit ist ebenso freundlich wie bestimmt.

Schon 1964 hatte sie nach der ersten US-Tour der Beatles in Detroit die Frauenband The Pleasure Seekers gegründet. Damals war sie erst 14 Jahre alt, was sie nicht davon abhielt, statt zur Schule zu gehen, als Bassistin und Sängerin durch die USA zu touren. Dabei spielte sie ganze Nächte in Clubs, in die sie altersbedingt eigentlich noch gar nicht rein gedurft hätte. Schließlich zog sie 1971 nach London, wo sie zwei Jahre später mit neuer Band durchstartete. Zu dieser Zeit war sie also schon mit allen Wassern gewaschen. Trotzdem unterstellte die Musikpresse damals, dass ihr Erfolg nur das Produkt ihres chauvinistischen Produzenten sei. Oder das Fachblatt Melody Maker reagierte geradezu verniedlichend auf ihre Hit-Single "Your Mamma Won't Like Me": "Im Grunde sollte jede Mutter froh sein, wenn ihr Sohn ein solches Mädchen zum Traualtar führt", schrieb man dort mit vermeintlicher Anerkennung.

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Trotz solcher Sexismen betonte Quatro wiederholt, dass sie sich auf der Bühne nie als Frau empfände, sondern einfach nur als Musiker. Darum wäre sie auch nie eine Emanze gewesen. Wenn ihr Foto dann aber ausgerechnet die Ausgabe der US-amerikanischen Zeitschrift Rolling Stone ziert, die auf demselben Cover mit einem Norman Mailer-Interview wirbt, wirkt das im Film schon ein wenig provokant. Schließlich hatte sich Mailer Anfang der Siebziger in New York einen peinlichen Disput mit der Feministin Germaine Greer geliefert, mit deren Zitat über Frauen in der Rockkultur der Film startet: "Es frustriert mich immer, dass Frauen-Rockbands so schlecht sind. Manche Bands in den Staaten versuchen zwar, echten feministischen Rock zu machen. Aber das ist nichts im Vergleich zur Kreativität von Männerbands", hatte die Autorin von "Der weibliche Eunuch" 1970 gesagt. Und Quatro ergänzt in einem Interview aus den Achtzigerjahren: "Die meisten Frauen haben aufgegeben, weil sie lieber zu Verabredungen gingen. Ich dagegen habe meine Jugend geopfert."

Ob sie es nicht leid sei, heute auf ihre alten Hits wie "Stumblin' In" oder "If You Can't Give Me Love" reduziert zu werden, wird sie nach der Filmvorführung gefragt. Aber Quatro, die erst vergangenes Jahr ein neues Album herausgebracht hat, entgegnet, dass sie ihrerseits nicht versteht, wenn Musiker behaupten, von ihren alten Hits genervt zu sein. Sie jedenfalls mag ihre Hits. Coronavirus-bedingt ist der ursprünglich für diese Woche anberaumte Kinostart verschoben. Stattdessen kann man Suzi-Quatro-Musik daheim hören. Neben den alten Hits auch ihr Elvis-Cover "All Shook Up", wofür der King sie nach Graceland eingeladen hatte. Dass sie der Einladung nicht folgte, gehört wohl zu den wenigen Dingen, die Suzi Quatro im Nachhinein bereut.

© SZ vom 17.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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