Schon vor und dann auch noch während der Debatte bemühten sich die Grünen und ihr Koalitionspartner SPD, nicht den Eindruck eines Koalitionskrachs zu vermitteln. Von "Dissens" bei dieser einen Abstimmung war die Rede. Ansonsten stehe man gemeinsam für die Verkehrswende, das betonten die Parteien am Mittwoch noch einmal ausdrücklich.
Nur eben beim Erhalt der sogenannten Pop-up-Bikelanes, den gelb markierten vorübergehenden Radspuren auf fünf Münchner Straßen, war man sich nicht einig. Und obwohl schon vor der gemeinsamen Sitzung des Mobilitäts- und des Planungsaussschusses feststand, dass die Spuren Anfang November wieder weichen müssen, breiteten alle fast zwei Stunden lang noch einmal sehr umfangreich ihre Argumente aus.
Nikolaus Gradl (SPD) erklärte erneut, dass es eine detailliertere Planung brauche, um dann dauerhafte Lösungen für Radwege finden zu können. Unter anderem verwies er auf die Rosenheimer Straße, auf der zwischen Orleansstraße und Rosenheimer Platz ebenfalls beidseitig temporäre Radspuren markiert sind. Dort habe es Probleme mit Rechtsabbiegern gegeben, die den Verkehr ins Stocken brachten, auch die Busse der Münchner Verkehrsgesellschaften verspäteten sich wegen der Rückstaus in der Rosenheimer Straße.
CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl sah in den Bewertungen in der Vorlage, die unter anderem einen erhöhten Radverkehr auf den Radspuren verzeichneten, keine echte Evaluation. Ihm fehlte etwa eine Untersuchung, welchen Verdrängungseffekt die Radspuren auf den Autoverkehr haben, also welche alternativen Routen sich die Autofahrer suchen, um einen möglichen Stau zu umfahren. Durch Corona sei München in einer Sondersituation, so Pretzl, da könne man auch mal ein halbes Jahr darauf verzichten, "die Verkehrswende mit aller Gewalt durchzudrücken".
Die Grünen verwiesen dagegen auf die positiven Resonanzen einer Online-Befragung von mehr als 7000 Münchnern und die Stimmen der betroffenen Bezirksausschüsse, die die Pop-up-Bikelanes befürworteten. Diese seien eigens an Gefahrenstellen entstanden, um die Gefahr zu entschärfen. "Wir wollen nicht zur schlechteren Situation zurück", sagte Grünen-Stadträtin Gudrun Lux. Auch die Appelle von Sonja Haider (ÖDP) und Brigitte Wolf (Linke), die Spuren beizubehalten, halfen jedoch nichts. Wolf warf der SPD sogar eine "Rolle rückwärts" bei der Verkehrswende vor.
Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hingegen erklärte, man brauche vernünftige Lösungen für den Radverkehr, entweder mache man etwas gescheit oder gar nicht. Anders als in der Fraunhoferstraße, wo vergangenes Jahr zum Unmut einiger Gewerbetreibender rote Radspuren markiert wurden, brauche es bei neuen Radwegen eine Beteiligung der Öffentlichkeit.
An die Adresse des künftigen Mobilitätsreferenten Georg Dunkel ging Reiters Aufforderung: "Wenn das Mobilitätsreferat seine Hausaufgaben macht, wird es gute Lösungen geben." Letztlich setzten sich CSU, SPD, FDP und Bayernpartei gegen die Stimmen der Grünen, der ÖDP, der Freien Wähler und der Linken durch. Da half es auch nichts, dass Felix Sproll (Volt), der eine Fraktionsgemeinschaft mit der SPD bildet, nach Rücksprache mit dieser ausscherte und für die Bikelanes stimmte.
Doch der Beschluss war nicht nur einer gegen die Pop-up-Bikelanes, sondern auch für weitere Radwege. Die vorübergehenden Maßnahmen werden nun evaluiert. Fällt die Bewertung positiv aus, wird die Stadt die Radwege in der Rosenheimer Straße zwischen Orleansstraße und Rosenheimer Platz, an der Theresienstraße, an der Elisenstraße und an der Gabelsbergerstraße von April 2021 an weiß markieren. Die Verwaltung soll permanente bauliche Lösungen erarbeiten und dem Stadtrat zur Entscheidung vorlegen. CSU und FDP stimmten gegen die Ausarbeitung von Varianten.
Für die Rosenheimer Straße zwischen Lilienstraße und Am Lilienberg und die Zweibrückenstraße hatte der Stadtrat bereits im vergangenen Jahr neue bauliche Radwege beschlossen, die zulasten von Autospuren gehen.