Unter anderen Umständen käme es einer kleinen Sensation gleich: Die Mass Wiesnbier soll heuer nur zehn Euro kosten, verkündet Wiesnwirt Christian Schottenhamel. So günstig war's zuletzt im Jahr 2014. Doch diese Ankündigung hat natürlich einen kleinen Makel: Denn statt im Festzelt wird die Mass in diesem Jahr nur im Wirtshaus ausgeschenkt. Das Oktoberfest ist bekanntermaßen abgesagt, doch die umtriebigen Münchner Wirte wollen sich ihren Jahreshöhepunkt nicht ganz nehmen lassen - wohin auch sonst mit den Tausenden Litern Wiesnbier? - und haben eine kleine Ersatzveranstaltung angekündigt: die "Wirtshauswiesn".
In der Zeit, in der sonst das 187. Oktoberfest stattgefunden hätte, also vom 19. September bis zum 4. Oktober, sollen Münchner und Touristen in den Wirtshäusern in der Innenstadt einkehren. Für die Wirtshauswiesn haben sich die großen Wiesnwirte mit den Münchner Innenstadtwirten zusammengeschlossen, insgesamt 54 Gastronomiebetriebe nehmen an der Aktion teil, darunter das Hofbräuhaus und der Löwenbräukeller, aber auch die Münchner Stubn am Hauptbahnhof und das Café Rischart am Marienplatz (alle Gaststätten unter www.wirtshauswiesn.de).
Wiesnwirt Christian Schottenhamel ist mit seinem Paulaner am Nockherberg dabei, wo die Mass, wie eingangs erwähnt, glatte zehn Euro kosten soll. Sein Kollege Peter Inselkammer (Armbrustschützenzelt) überlegt noch, wie viel die Mass im Ayinger in der Au sowie im Ayinger am Platzl kosten sollen. Aber auch er verspricht: "Es wird günstiger als auf der Wiesn." Dort hätten sie für die Mass heuer um die 11,80 Euro verlangt. Zum Auftakt der Wirtshauswiesn am 19. September um 12 Uhr zapfen die meisten Wirte in ihren Lokalen ein Holzfass an, um dann sicherlich ein "Ozapft is" nachzuschieben, wie es sonst der Oberbürgermeister ausruft.
"Für uns ist die Wiesn kein Ort oder keine Veranstaltung, sondern ein Lebensgefühl", sagt Gregor Lemke, Sprecher der Innenstadtwirte. Dieses Gefühl wollen die Wirte für zwei Wochen in die Wirtshäuser transportieren. Üppige Hopfendeko, Blasmusik, Schuhplattler, Hendl, Haxn, Lebkuchenherzen und Wiesnbier sollen's bringen. Ein Wunsch der Wirte: dass die Gäste in Tracht erscheinen. Als Anreiz für die jüngere Generation gibt es einen Hashtag für die sozialen Medien. Wer sein schönstes Trachtenfoto von der Wirtshauswiesn mit #aufbrezelt2020 versieht, kann einen Wiesntisch fürs kommende Jahr gewinnen. So wild hergehen wie im Festzelt wird und soll es bei der Wirtshauswiesn freilich nicht. "Wir wollen kein Remmidemmi", betont Schottenhamel. Wichtig sei es, die Hygieneregeln einzuhalten, sprich Mindestabstand wahren, Masken tragen und die Daten der Gäste erfassen.
Als Erkennungszeichen haben die Wirte für die Wirtshauswiesn ein Logo kreiert, das mit Breze, Masskrug und Herzen wie ein typisches Wiesnplakat anmutet. Auf Plakaten und Fahnen vor den Lokalen soll es den Weg weisen. Als Souvenir können die Gäste einen Krug, oder vielmehr ein Krügerl, mit dem Logo erwerben. Porzellan statt Glas, 0,33 statt einem Liter. Eine abgespeckte Version - irgendwie symbolisch für das Jahr 2020. Die Stadt München hält übrigens an ihrem offiziellen Wiesnkrug fest. In einer Auflage von 15 000 Stück ist er ab sofort erhältlich. Wirtschaftsreferent und Oktoberfestleiter Clemens Baumgärtner sagt: "Auch wenn die Wiesn in diesem Jahr nicht stattfinden kann, so ist der Sammlerkrug eine Erinnerung an ein denkwürdiges Jahr und macht gleichzeitig Hoffnung und Vorfreude auf das nächste Oktoberfest."