Münchner Museen:"Normalerweise gibt es bei uns das Rundum-Paket zum Thema Bier"

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Spektakuläre Krüge gibt es natürlich zu sehen. (Foto: Stephan Rumpf)

München und Bier, das gehört einfach zusammen. Und so geht es im Bier- und Oktoberfestmuseum ums Süffige - aber auch um die Stadt selbst.

Von Linus Freymark

Es muss eine beeindruckende Prozession gewesen sein. Vorneweg die Fahnen, dann die Pferdewagen und mittendrin die stolzen Lehrlinge, die, sobald der Zug die Peterskirche erreicht hat und der Gottesdienst hinter sich gebracht ist, am Münchner Brauertag die Urkunden aus der Zunfttruhe der Brauer und Mälzer über ihre bestandene Lehre erhalten. Ein aufwendiges Ritual: Wegen ihrer Bedeutung für die Zunft ist die Truhe mit vier Schlössern gesichert, deren Schlüssel an vier besonders vertrauenswürdige Zunftmitglieder ausgegeben werden. Nur wenn alle vier Schlüssel in den Schlössern stecken, lässt sich die Truhe öffnen.

Klar, dass jene Truhe, das Heiligtum der Münchner Brauerzunft, im Bier- und Oktoberfestmuseum an der Sterneckerstraße 2 einen eigenen Raum bekommen hat. Und zu jenen Stücken zählt, zu denen Museumsleiter Lukas Bulka eine besondere Beziehung pflegt - nicht nur wegen ihrer Verzierungen und dem Porträt des heiligen Bonifatius, dem Schutzpatron der Münchner Brauerzunft. Denn auch heute noch erhalten die Lehrlinge ihre Urkunden aus dieser Zunfttruhe. "Sie wird nach wie vor beim Brauertag verwendet", sagt Bulka.

Zu den Lieblingsstücken von Museumsleiter Lukas Bulka gehört die Zunfttruhe der Bierbrauer. (Foto: Stephan Rumpf)

Nicht nur die Zunfttruhe liefert im Biermuseum Zeugnis über die Vergangenheit ab, auch die anderen Exponate sind, jedes für sich, ein kleines Stückchen Geschichte des Brauwesens, erzählen vom Reinheitsgebot und der Braukunst - und sind damit unweigerlich mit der Stadtgeschichte verknüpft. Denn München und Bier, sagt Bulka, "das gehört einfach zusammen".

Dass man im Biermuseum auch etwas über die Historie der Stadt erfahren kann, zeigt sich schon am Gebäude: In dem Haus aus dem 14. Jahrhundert lebten früher Handwerker. Im Hof hielten sie Tiere, in den kleinen Wohnungen mit den niedrigen Decken in den oberen Stockwerken hausten oft viel zu viele Menschen auf engstem Platz. Für den Umbau des 2005 eröffneten Museums haben Bulka und seine Kollegen das Haus so ursprünglich belassen wie nur irgendwie möglich, einige Deckenbalken stammen noch aus dem Jahr 1340. "An sich ist das Haus selbst ein Museum", sagt Bulka. Die Ausstellung profitiert davon, beim Rundgang knarzen die Stufen der Holzstiegen und dadurch, dass auch die Grundrisse der früheren Wohnungen größtenteils erhalten sind, bekommt man beim Blick auf all die Bierkrüge, Fotos und Schaustücke auch noch einen Eindruck von den beengten Lebensverhältnissen in den Münchner Bürgerhäusern des Mittelalters und der frühen Neuzeit.

In der Pandemie stellt die Enge des Gebäudes Bulka vor Herausforderungen. Wenn die Museen eines Tages wieder öffnen dürfen, können große Häuser wie etwa die Pinakotheken das Besuchergeschehen entzerren. Das Bier- und Oktoberfestmuseum aber lebt vom Kontakt der Menschen untereinander, oft kommen Gruppen von Touristen oder Firmen, lassen sich eine Führung geben und stillen danach ihren Durst bei einer Bierverkostung im Gastraum in den unteren beiden Stockwerken, in denen Bulka seine Führung beginnt. "Normalerweise gibt es bei uns das Rundum-Paket zum Thema Bier", erklärt er. "Umso trauriger ist es, dass wir das jetzt im Moment nicht machen können." Denn auch wenn die Museen wieder öffnen dürfen, heißt das noch lange nicht, dass im Biermuseum auch die Zapfanlagen wieder laufen.

In dem Haus aus dem 14. Jahrhundert lebten früher Handwerker. (Foto: Stephan Rumpf)

Also läuft Bulka lieber wieder raus aus dem Gastraum und erklimmt die steile Treppe hinauf in den Museumsbereich, vorbei an der von Carl von Linde entwickelten Kälteerzeugungsmaschine. "Ein Meilenstein für die Bierproduktion" sei dieser Vorgänger des modernen Kühlschranks gewesen, sagt Bulka. Früher mussten die Fässer in eigens ausgegrabenen, kühlen Bierkellern gelagert werden, durch die neue Erfindung war nun plötzlich der Export der bayerischen Spezialität möglich - für die damals noch mehr als 100 Münchner Brauereien ein enormer Wachstumsfaktor.

Der nächste Raum: Bulka präsentiert seine eindrückliche Sammlung von Bierkrügen. Zu den unterschiedlichsten Anlässen wurden früher eigene Krüge gefertigt, zunächst aus Ton, "da bleibt das Bier süffiger", erklärt Bulka. Erst in den 1960er-Jahren erfolgte der Umstieg auf die heutigen Krüge aus Glas, das neue Material ist hygienischer - und man sieht sofort, wenn der Wirt einem zu wenig eingeschenkt hat. Bulka aber gefallen die früheren Modelle besser, die schlichten Steinkrüge aus Keferloh etwa, die auf dem dortigen Markt verwendet wurden und als die ersten in Massenproduktion hergestellten Bierkrüge gelten. Oder die aufwendig gestalteten Jugendstil-Krüge mit ihren Mustern und Verzierungen, etwa den Türmen der Frauenkirche. Ein wenig kitschig sind die Gefäße vielleicht schon, aber im Vergleich zu den anonymen Glaskrügen, die man auf der Wiesn vorgesetzt bekommt, machen sie schon mehr her.

Ein Fass aus der Anzapfbox im Schottenhamel hat es ebenfalls ins Museum von Leiter Lukas Bulka geschafft. Wenn auch nur zur Hälfte. (Foto: Stephan Rumpf)

Überhaupt, die Wiesn. Der zweite Teil des Museums ist dem größten Volksfest der Welt gewidmet, neben einer ausrangierten Geisterbahn und anderen historischen Attraktionen des Oktoberfests gibt es auch ein - aus Platzgründen halbiertes - Holzfass zu bestaunen, das seinen Dienst einst in der Anzapfbox im Schottenhamel-Festzelt verrichtete. Bulka liebt dieses Ritual, wenn die ganze Stadt, ja mittlerweile fast die halbe Welt auf den Münchner Oberbürgermeister schaut. Wie viele Schläge braucht es dieses Mal? Dieser Spannungsbogen fasziniert Bulka. "Das Anzapfen ist kein gewöhnliches Ritual", meint er. "Dadurch bekommt die Wiesn eine Eröffnung, wie sie besser nicht sein könnte." Und deswegen hängen im Museum neben dem Fass auch die Granden der Münchner Stadtpolitik: Thomas Wimmer, Georg Kronawitter, Christian Ude, Dieter Reiter, allesamt den Schlegel im Anschlag.

Die letzte Station ist die Himmelsleiter seines Museums. Eine steile Treppe, an deren Ende sich eine Luke befindet, durch die man in den strahlend blauen Himmel blickt. So eine Himmelsleiter in einem Gebäude gebe es in Bayern nur sehr selten, sagt Lukas Bulka. Der Anblick fasziniere ihn jedes Mal aufs Neue, die steilen Stufen, die jahrhundertealten Mauern und dann der Blick in den Himmel.

Bulka hofft, dass er die Treppe und all seine anderen Schmuckstücke bald wieder seinen Besuchern zeigen kann. Aber wann das sein wird, steht in den Sternen, die nachts durch die Luke ins Bier- und Oktoberfestmuseum scheinen.

© SZ vom 23.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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