Freizeit in München:Wie ein Wasserkraftwerk an der Isar funktioniert

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Großes Interesse zum 100. Geburtstag: Besucherinnen und Besucher schauen sich das Isarkraftwerk 2 aus der Nähe an. (Foto: Stephan Rumpf)

Zum 100. Geburtstag öffnen die Stadtwerke die Anlage für einen Nachmittag, und es kommen knapp 3000 Menschen. Sie lernen, wie lang ein Wassertropfen unterwegs ist, bis er hier ankommt - und was alles aus dem Fluss gefischt wird.

Von Sabine Buchwald

Wie sieht es wohl aus in dem breiten Haus, das am Flaucher wie ein Riegel über den stillen Kanal gebaut ist? Eine Frage, die sich viele wohl schon mal gestellt haben, die daran vorbeikommen auf dem Weg zum Baden, Grillen oder beim Spazierengehen. Es ist das Isarkraftwerk 2 und eigentlich nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. Schulklassen dürfen es nach Anmeldung von innen sehen, und ab und zu gibt es dort Führungen der Volkshochschule.

Aber an diesem Samstag, aus Anlass des 100. Geburtstages dieses Bauwerks, das 1923 in Betrieb ging, standen von zwölf bis 16 Uhr die Türen für Besucherinnen und Besucher offen. Bereits eine Stunde vorher waren die ersten Neugierigen gekommen, bis zum Schluss drängelten sich knapp 3000 Menschen durch das schmale Gebäude. So viel Andrang hatten die Münchner Stadtwerke (SWM) nicht erwartet, dennoch waren sie vorbereitet.

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Für junge Besucher gab es kopierte Blätter mit Turbinen zum Ausmalen und Bausätze, mit denen solarbetriebene Modellsatelliten zusammengesteckt werden konnten. Viele Mitarbeiter, an ihren hellblauen Jacken erkennbar, beantworteten Fragen, egal wie oft sie dieselben hörten. Christoph Rapp, Leiter der Wasserkraftwerke, ließ immer wieder neue Zuhörer staunen, als er erklärte: 37000 Jahre sei ein Tropfen Wasser im Meer unterwegs, bis er seinen Weg über einen Fluss in ein Kraftwerk findet.

Auf die Frage, was sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert habe, antwortete er: "Die Wassermengen zu bestimmten Jahreszeiten. Früher dauerte die Schneeschmelze bis August, jetzt ist sie im Mai vorbei, dafür regnet es im Winter mehr." Die nahe Zukunft der Wasserkraft aber sieht er nicht gefährdet. Nach einem trockenen Jahr 2022 sei dieses Jahr wieder beruhigend gewesen.

Wohl fast jeder ist schon einmal beim Spazierengehen an dem Bauwerk vorbeigekommen. (Foto: Stephan Rumpf)

Es schien, als ob auch er und seine Kollegen es genossen, in diesem historischen Bau sein zu dürfen. Denn hier arbeitet niemand mehr fest. Das Kraftwerk funktioniert seit 2010 vollautomatisch. Diese Tatsache ließ manche Besucher nachfragen, was denn sei, wenn mal was schieflaufe? Dann schlügen die Computer Alarm und ein Wartungsteam schaue vorbei.

Das Sendlinger Isarwerk 2 gehört zu den eher kleinen Kraftwerken an der Isar, und es ist auch nicht das älteste. Bereits seit 1907 versorgt das an der Floßlände gelegene Isarwerk 1 die Münchner mit Strom. Das Jüngste ist die "Wasserkraftschnecke" an der Stadtbachstufe unweit des Roecklplatzes. Insgesamt liegen vier Kraftwerke der SWM am sogenannten Werkkanal.

Knapp 3000 Menschen kamen zum Tag der offenen Tür. (Foto: Stephan Rumpf)
Sie konnten an Modellen nachvollziehen, wie das Kraftwerk funktioniert... (Foto: Stephan Rumpf)
... und im Zweifel Fragen stellen. (Foto: Stephan Rumpf)

Im Isarwerk 2 arbeiten bei voller Leistung vier Turbinen. Bis vor der Generalsanierung vor 13 Jahren waren das noch Francis-Turbinen, benannt nach dem Amerikaner James B. Francis. Nun laufen hier Kaplan-Turbinen, die der österreichische Ingenieur Viktor Kaplan entwickelt hat. Sie kommen inzwischen vermehrt in Laufkraftwerken an Flüssen mit schwankenden Fallhöhen zum Einsatz. Ihr Vorteil: Sie können nach Fallhöhe und Wassermenge justiert werden.

Auch anzuschauen war, was die Rechen des Kraftwerks so alles aus der Isar fischen. (Foto: Stephan Rumpf)

Maximal fließen in dem Werk am Flaucher bis zu 70 000 Liter Wasser pro Sekunde durch, bei voller Leistung werden dann gut 6000 Münchner Haushalte mit Strom versorgt. Zudem sind an der Südseite des Daches des Kraftwerkes Solarpaneele angebracht. Diese Anlage habe bereits gut 246 000 Kilowattstunden ins Netz gespeist. Strom speichern, das kann das Isarwerk 2 allerdings nicht.

Die Turbinen sind im Wasser, also nicht zu sehen. Am spektakulärsten sind die vier großen Rechen südlich vor dem Haus, die immer wieder durch das Wasser pflügen. Im Herbst schaufeln sie vor allem viel Laub in eine Rinne, bevor es in die Turbinenschrauben rauscht. Eindrücklich aufgebaut waren Dinge, die in der Isar schwimmen, aber eigentlich nicht hineingehören: Autoreifen, Skateboards, Gaskartuschen, aufblasbare Schwimmtiere, sogar ein kleiner Tresor. Die Wasserkraftwerke produzieren also nicht nur Ökostrom. Eine Mitarbeiterin sagt: "Sie sind auch Müllentsorger."

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