Immobilien-Deal in München:"Das Vergabeverfahren damals hat uns sehr gewundert"

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Der Georg-Kronawitter-Platz ist ein Grundstück in A-Lage - sagt das Bewertungsamt der Stadt. (Foto: Catherina Hess)

Kommunalreferat und Hirmer streiten um den Preis für das städtische Areal am Georg-Kronawitter-Platz. Aus der Immobilien­wirtschaft wird der Verdacht laut, hinter der geplanten Vergabe stecke eine CSU-Seilschaft.

Von Sebastian Krass

Es ist eines der interessantesten und somit wertvollsten Grundstücke Münchens, auf denen - noch dazu mitten im Zentrum - etwas Neues entstehen kann. Doch wie viel muss die Hirmer-Gruppe dafür bezahlen, das Areal des bisherigen Parkhauses auf dem Georg-Kronawitter-Platz (früher Sattlerplatz) in Erbpacht von der Stadt übernehmen zu dürfen? Das kommunale Bewertungsamt hat einen Wert und den daraus resultierenden Erbpachtzins ermittelt. Doch Hirmer hält das Ergebnis für zu hoch gegriffen und will weniger zahlen.

Nun spricht Verena Dietl (SPD), Dritte Bürgermeisterin und Vorsitzende des Kommunalausschusses, ein Machtwort: Zwar seien Differenzen in solchen Verhandlungen "keine Ausnahme. Aber am Ende gilt immer der vom Bewertungsamt festgelegte Wert. Darunter kann und wird die Stadt niemals gehen". Dietl zufolge gebe es keinen Spielraum, über den Erbpachtzins "entscheidet einzig das Bewertungsamt nach objektiven Kriterien".

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Ende Januar hatte die SZ berichtet, dass die Preisvorstellungen von Stadt und Hirmer um einen höheren zweistelligen Millionenbetrag auseinanderliegen, vermutlich bezogen auf die gesamte Dauer des Erbpachtvertrags. Offiziell äußert sich keine der beteiligten Stellen zu Details. Seit Bekanntwerden des Verhandlungsstandes ist zunehmend auch die Rolle des CSU-Stadtrats Hans Hammer ein Thema, der Immobilienunternehmer ist und bei diesem Projekt auf der Hirmer-Seite mitwirkt. Dessen möglicher Interessenkonflikt werde im Rathaus teilweise als "schwierig" bewertet, sagt eine Person, die den Vorgang gut kennt.

"Das Vergabeverfahren damals hat uns sehr gewundert", sagt ein erfahrener Manager

Aus der Münchner Immobilienwirtschaft wiederum wird nun gestreut, die im Jahr 2017 beschlossene Vergabe des Grundstücks sei im Rahmen der städtischen Gewerbeförderung auf ungewöhnliche Weise und ziemlich versteckt, mit einer Ausschreibung mitten in den Sommerferien, zustande gekommen, es wirke wie ein Hinterzimmergeschäft unter CSU-Parteifreunden. Zuständig für die Vergabe war das Wirtschaftsreferat, das damals vom heutigen CSU-Landtagsabgeordneten Josef Schmid geleitet wurde. Hans Hammer wiederum war damals wie heute Schatzmeister der Münchner CSU.

Ein Manager, der seit vielen Jahren den Münchner Immobilienmarkt in führender Position verfolgt, sagt: "Das Vergabeverfahren damals hat uns sehr gewundert, wir haben über die Jahre keine nennenswerte Ausschreibung verpasst, diese schon." Ein paar Wochen danach habe er auf der Messe Expo Real "mit anderen Marktteilnehmern gesprochen, auch die hatten nichts mitbekommen". Ein Immobilienunternehmer sagt: "Dass Hirmer erst das Grundstück zugeschanzt bekommt und dann noch um den Preis feilscht, ist ungehörig."

Josef Schmid wies 2017 in der entscheidenden Sitzung des Ausschusses vorsorglich jeden Gedanken an "Spezlwirtschaft" zurück. Sein Nachfolger als Wirtschaftsreferent, Clemens Baumgärtner (ebenfalls CSU), tritt der Darstellung aus der Immobilienbranche ebenfalls entschieden entgegen: Es sei alles seinen ordentlichen Weg gegangen. Der Stadtrat habe sich bewusst nicht für eine offene Ausschreibung des Grundstücks, sondern für eine Vergabe an Münchner Einzelhändler zur vorwiegenden Eigennutzung entschieden. "Und wir müssen froh sein, dass ein Münchner Unternehmen wie Hirmer am Georg-Kronawitter-Platz expandieren will." Auch den Zeitpunkt der Ausschreibung findet Baumgärtner nicht anrüchig: Der Termin sei Sache des zuständigen Sachbearbeiters, "das kann auch über Ostern oder Weihnachten sein". Es habe sich niemand außer Hirmer beworben, auch kein Einzelhändler gemeinsam mit einem Immobilienunternehmen.

Die geplante Grundstücksvergabe an Hirmer ist Teil einer größer angelegten Neugestaltung des Areals zwischen der Ecke Altheimer Eck/Färbergraben bis kurz vor der Sendlinger Straße. Es besteht derzeit aus dem Parkhaus (das den Namen Hirmers trägt) und einer wenig attraktiven Freifläche in kommunalem Eigentum sowie einem ehemaligen Postgebäude samt kleiner Vorfläche im Eigentum der Inselkammer-Gruppe. Das international renommierte Architekturbüro von Norman Foster hat einen "Masterplan" entwickelt, der insgesamt drei Neubauten plus einer neuen Fußgängerzone vorsieht. Zwei Gebäude würde die Inselkammer-Gruppe bauen, für eines davon steht noch ein Grundstückstausch zwischen Stadt und Inselkammer aus.

Für das Grundstück, auf dem Hirmer bauen will, soll das Bewertungsamt, das unabhängig von Weisungen durch Politik oder Verwaltung arbeitet, zum Ergebnis gekommen sein, dass es sich um ein Grundstück in A-Lage, also der höchsten Kategorie, handele. So heißt es aus dem Rathaus. Hirmer soll ein Gegengutachten vorgelegt haben, das eine niedrigere Kategorie vorsehe. Sowohl Hirmer als auch das Kommunalreferat äußern sich nur vage. Jörg Fleischer, Geschäftsführer der Hirmer Office Beteiligungs GmbH, schreibt von "engen und guten Gesprächen mit der Stadt". Eine Sprecherin von Kommunalreferentin Kristina Frank spricht von "weiterhin konstruktiven Gesprächen". Auf Nachfrage bestätigt sie: "Die konkrete Bewertung des angefragten Grundstücks ist Teil der laufenden Verhandlungen, ebenso der Erbbauzins." Weitere Auskünfte könne man nicht geben.

Und welche Rolle spielt Hans Hammer? Das wird auch auf Nachfragen nicht ganz klar. Er trete, so heißt es aus dem Rathaus, "bei allen Besprechungen federführend auf der Seite Hirmers auf". Als Stadtrat ist Hammer Mitglied einer Oppositionsfraktion und sitzt in keinem der für das Thema zuständigen Ausschüsse. Dennoch wäre es mindestens pikant, wenn ein Stadtrat für geringere Einnahmen der Stadt aus einem Grundstücksgeschäft einträte.

Im Gebäude sollen auch Wohnungen entstehen - wie viele, darauf geht Hirmer nicht ein

Hat Hammer persönliche wirtschaftliche Motive, etwa weil er mit Anteilen an dem Hirmer-Projekt beteiligt ist? Oder bekommt er ein Beratungshonorar? Auf Fragen dazu geht Hirmer-Vertreter Fleischer nicht explizit ein, sondern schreibt, Hammer sei "seit weit über zehn Jahren Mitglied des Beirats unserer Firmengruppe. In dieser Funktion berät und unterstützt Hans Hammer die vielfältigen Immobilien-Aktivitäten unseres Hauses und ist der Firma und Familie Hirmer eng verbunden. Natürlich begleitet Herr Hammer uns auch bei dieser Erweiterung unseres Handelshauses". Eine Sprecherin Hammers verweist auf jene Stellungnahme und bindet das Gespräch mit dem Satz ab, mehr könne sie dazu nicht sagen. Auf eine Nachfrage zu Hammers Rolle in den Gesprächen mit der Stadt antwortet Fleischer, man sei über die Anfrage "irritiert" und wolle "weder Inhalte noch Teilnehmer vertraulicher Vertragsverhandlungen (...) öffentlich diskutieren". Aber man gehe "davon aus, eine für alle Beteiligten gute Lösung zu finden". Über das Projekt insgesamt schreibt er, damit gewinne "das gesamte Hackenviertel. Aus einem Hinterhof der Stadt wird eine Vorzeigeadresse". Die Entwürfe würden "München bereichern", man hoffe, bald mit der Umsetzung beginnen zu können.

Die in der Ausschreibung genannten Konditionen des Erbpachtvertrags, die laut Kommunalreferat "nach wie vor Verhandlungsgrundlage" sind, würden Hirmer einigen Spielraum lassen: Der Erbpachtvertrag soll demnach über 60 Jahre laufen. Das Unternehmen, das zum Zuge kommt, müsste die Gewerbeflächen "überwiegend" nutzen, bis zu 40 Prozent darf es aber untervermieten. Mit knapp der Hälfte also könnte es Einnahmen nach Münchner Marktpreisen generieren. Zudem läuft die Bindungsfrist für die Eigennutzung nur zehn Jahre. Theoretisch könnte Hirmer also danach die Gewerbeflächen verlassen und frei weiter vermieten. Nach der Ausstiegsoption gefragt, antwortet Hirmer-Vertreter Fleischer: "Unser Unternehmen plant natürlich sehr langfristig - aus heutiger Sicht soll und wird es das bekannte und erfolgreiche Modehaus Hirmer im neuen Gebäude weit über die (...) Zehn-Jahres-Bindungsperspektive hinaus geben."

Im Gebäude sollen auch Wohnungen entstehen, teilweise als preisgedämpfter Mietwohnraum. Auf Fragen, wie viele Wohnungen geplant sind und wie viele preisreguliert sein werden, geht Fleischer nicht ein, sondern schreibt, dass man die Vorgaben des Bebauungsplans, den das Planungsreferat erarbeitet, umsetzen werde. Die Entscheidung über den Bebauungsplan wie auch über einen Erbpachtvertrag trifft der Stadtrat.

© SZ vom 17.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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