Heizkraftwerk Nord:München setzt doch noch weiter auf Kohle

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Im Heizkraftwerk Nord in Unterföhring wird auch weiterhin Kohle verbrannt. (Foto: Florian Peljak)

Eigentlich sollte das Heizkraftwerk Nord schon 2022 auf den Betrieb mit Erdgas umgerüstet werden. Nun wird das wohl um ein weiteres Jahr verschoben. Der Grund: die Prognosen zur Energieversorgung im kommenden Winter.

Von Joachim Mölter

Der Ausstieg der Stadt München aus der Kohleverbrennung wird sich wohl um mindestens ein weiteres Jahr verzögern. Einen entsprechenden Antrag bringt Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU) am Dienstag in den Wirtschaftsausschuss des Stadtrats ein. Darin plädiert Baumgärtner dafür, den Block 2 des Heizkraftwerks Nord in Unterföhring erst zur Heizperiode 2024/25 von Kohle auf Erdgas umzustellen.

Ursprünglich war diese Maßnahme bereits für den vorigen Herbst vorgesehen, aber im Frühling 2022 wegen des Ukraine-Krieges und der verknappten Erdgas-Lieferungen aus Russland auf dieses Jahr vertagt worden. Beantragt hatte das seinerzeit die CSU. Obwohl eine Reduzierung des durch Kohle verursachten CO₂-Ausstoßes "grundsätzlich zu begrüßen" sei, hieß es in der Begründung, wollte sie lieber "eine sichere und bezahlbare Energieversorgung der Münchner Bürger und Unternehmen".

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"Die Prognose für diesen Winter ist weiter so, dass es eine Erdgas-Knappheit geben könnte", erklärt nun Dominik Krause, der Fraktionssprecher der Grünen im Stadtrat. Bundesbehörden und Wirtschaftsministerium raten weiterhin zum sparsamen Umgang mit Erdgas. Aus diesem Grund, so Krause, werde seine Partei einen Beschluss zur Verschiebung des städtischen Kohleausstiegs notgedrungen mittragen, so wie bereits vor einem Jahr, obwohl sie ja grundsätzlich darauf drängt, auf fossile Energien zu verzichten.

Gegenstimmen sind erneut von der ÖDP/München-Liste zu erwarten, wie deren Sprecher Tobias Ruff bestätigte. Dabei richtet sich die Ablehnung nur gegen die zeitliche Verschiebung, nicht grundsätzlich gegen die Umrüstung des Kraftwerks von Kohle- auf Gasbetrieb, wie er erläutert. "Wir hatten im vergangenen Winter keine Notlage, wie sie erwartet worden war", begründet er seine Haltung, "und die Gaspreise sind auch wieder gefallen." Dass das HKW Nord mit Erdgas betrieben wird, sieht Ruff trotzdem nur "als Übergangslösung mit einer klar definierten Laufzeit". Langfristig favorisiert er die Geothermie als Ersatz für die Kohle, weshalb er einen massiven Ausbau entsprechender Anlagen fordert.

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Die ÖDP war einst die treibende Kraft hinter dem Bürgerentscheid "Raus aus der Steinkohle", bei dem Ende 2017 eine Mehrheit von Münchner Wählerinnen und Wählern dafür votiert hatte, den Steinkohleblock im Heizkraftwerk Nord in Unterföhring bis Ende 2022 stillzulegen. Nach langem Hin und Her fanden die Stadtwerke München (SWM) als Betreiber des Kraftwerks eine technische Lösung, den Block weiterlaufen zu lassen, aber von Kohle auf Gas umzurüsten. Eine Variante, die kostengünstiger ist als eine komplett neue Anlage zu bauen. Kurz nachdem diese Option auf dem Tisch lag, kam Russlands Angriff auf die Ukraine und schuf neue Rahmenbedingungen.

Ob das HKW Nord nun wenigstens im Herbst 2024 auf Erdgas umgestellt werden kann, ist freilich noch nicht sicher. In Baumgärtners Antrag werden die Stadtwerke explizit dazu aufgefordert, "die weitere Entwicklung zu beobachten und den Stadtrat bei einer kritischen Prognose für die Gasversorgungssituation der Heizperiode 2024/25 im Herbst 2023 erneut zu befassen". Mit anderen Worten: Wenn abzusehen ist, dass Erdgas knapp und teuer bleibt, wird wohl erst mal weiter Kohle zur Wärme- und Stromgewinnung verheizt.

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