Bürgerbegehren für eine Müllwende:Initiative will München zur Gelben Tonne zwingen

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Seit Anfang des Jahres läuft in fünf Stadtteilen ein Test mit den Tonnen - hier eine auf der Schwanthalerhöhe. (Foto: Robert Haas)

Die Stadt ist bundesweites Schlusslicht beim Sammeln von Verpackungsabfall, viel Plastik landet im Restmüll. Wie ein Bürgerbegehren damit aufräumen will - und mit verdreckten Wertstoffinseln.

Von Joachim Mölter

Der Anfang ist gemacht, "die ersten hundert Unterschriften sind schon gesammelt", berichtet Ulrich Grasberger, der Vorsitzende des im vorigen Sommer gegründeten Vereins "Müllwende". Vierzigtausend Unterstützer will er innerhalb eines Jahres beisammen haben, bis März 2025. Selbst wenn man dann noch unleserliche oder ungültige Namen abzieht, sollte das genügen, um sein Anliegen auf die Tagesordnung des Stadtrats zu bringen, glaubt er. Mit seinen Vorstandsmitgliedern hat Grasberger gerade ein Bürgerbegehren gestartet: "Ja zur Gelben Tonne".

Wenn es Erfolg hat, könnte es in der Tat zu einer Müllwende kommen, weg von einem Bring- und hin zu einem Holsystem. Kommen genug Unterschriften zusammen, muss sich der Stadtrat jedenfalls mit dem Thema beschäftigen: Er kann das Begehren dann übernehmen - oder muss einen eigenen Vorschlag dagegenstellen, über den dann in einem Bürgerentscheid abgestimmt wird.

Die Initiatoren von "Ja zur Gelben Tonne" haben ihre Argumente fein säuberlich auf ihrer Webseite muellwende.org aufgelistet. In erster Linie geht es ihnen um wiederverwertbaren Müll, der in der Stadt aber praktisch nicht wiederverwertet wird. Das meiste landet in der Restmülltonne und wird dann einfach verbrannt. Dabei gehört lediglich ein Drittel dessen, was im Restmüll landet, wirklich dorthin. "Korrekt getrennte Abfälle sind wertvolle Rohstoffe, die wir uns für eine weitere Nutzung sichern sollten", mahnte Stefan Böhme, der Präsident des Verbandes der Bayerischen Entsorgungsunternehmen (VBS), erst kürzlich aus Anlass des "Internationalen Tags der Mülltrennung" am 7. März.

In München muss wiederverwertbarer Abfall indes zu sogenannten Wertstoffinseln gebracht werden, von denen rund 900 über die Stadt verteilt sind. Und mitunter ein großes Ärgernis für die Anwohner darstellen. "München ist die einzige größere Stadt in Deutschland, die mit Containern und dem Bringsystem auf Straßen und Grünflächen mitten in Wohngebieten sammelt", erklären Grasberger und Co. in ihrem Aufruf zur Beteiligung an ihrem Begehren. Jeder könne "das Chaos rund um die Müllcontainer" sehen: aufgeplatzte Abfallsäcke, leere Flaschen, dreckige Kartons: "In München liegt der Müll auf der Straße und in Grünanlagen."

Auch wenn das übertrieben erscheinen mag: "München hat ein Müllproblem", findet auch Tobias Ruff, der für die ÖDP im Stadtrat sitzt, eine der Unterstützerinnen des Bürgerbegehrens. "Wir verursachen zu viel Müll, hinterlassen zu viel davon in der Landschaft und recyceln zu wenig", fasst Ruff die Situation zusammen.

Nur 5,7 Kilo Verpackungsmüll pro Person

München ist "bundesweites Schlusslicht in Sachen pro Kopf erfasster Verpackungsabfälle", bestätigte gerade erst der VBS-Geschäftsführer Rüdiger Weiß. Er bezifferte die jährlich in München gesammelten Verpackungsabfälle auf 5,7 Kilogramm pro Person - nicht mal ein Fünftel des bundesweiten Durchschnitts von 32 Kilo. Grasberger hat ausgerechnet, dass München dafür beim Restmüll vorne liegt, mit einer jährlichen Gesamtmenge von 200 Kilo pro Kopf. Bundesweit sei der Durchschnitt zwischen 120 und 130 Kilo.

Felix Meyer, Vorstandsmitglied der Münchner FDP, hält das Konzept der Wertstoffinseln jedenfalls für "gescheitert". Die Inseln seien "immer überfüllt", sagt er, "und wir sammeln trotzdem weniger Müll als andere Städte". Er schließt sich mit seiner Partei deshalb dem Müllwende e.V. an: "Wir müssen das System ändern."

Die Verantwortlichen des Bürgerbegehrens wollen die Stadt auffordern, neben grauer Restmüll- und blauer Altpapiertonne eine weitere Mülltonne abholen zu lassen - eine gelbe eben, in die zumindest Plastikverpackungen geworfen werden können. Am besten wäre eine Wertstofftonne, in der auch Metall und Verbundmaterial einer Wiederverwertung zugeführt werden könnten, findet Dorit Zimmermann von der Münchner Kreisgruppe des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Auch ihre Organisation unterstützt das Bürgerbegehren: "Wir stehen dahinter, weil wir den Inhalt richtig finden."

Aber wozu braucht es noch das Bürgerbegehren, wo doch die Stadt am 1. Januar schon ein Pilotprojekt mit gelben Säcken, gelben Tonnen und Wertstoffcontainern in fünf Stadtvierteln gestartet hat? Mit der Frage braucht man den Umweltschützern nicht zu kommen. "Die Testphase läuft schon mit dem Fragezeichen, ob's die überhaupt gebraucht hätte", entgegnet der FDP-Mann Meyer. Die BUND-Vertreterin Zimmermann findet: "Man hätte sich den ganzen Testbetrieb sparen können." In anderen Kommunen habe man schließlich genügend Erfahrungen gemacht, auf die man in München zurückgreifen könnte.

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Kristina Frank (CSU), als Kommunalreferentin auch Chefin des Abfallwirtschaftsbetriebs, hatte das Pilotprojekt damit verteidigt, dass München "von der Siedlungsstruktur her nicht vergleichbar mit anderen Städten" sei. Außerdem gab sie zu bedenken, dass der Lkw-Verkehr deutlich zunehme, wenn statt 900 Wertstoffinseln 800 000 Haushalte angefahren werden müssen.

Diese Argumentation lässt wiederum Grasberger nicht gelten, weil ja nicht jeder Haushalt beim Abholen der gelben Tonnen einzeln angesteuert werde. "Unterm Strich wird sich da nichts ändern", glaubt auch Dorit Zimmermann. Es gebe auch viel privaten Pkw-Verkehr auf dem Weg zu den Wertstoffinseln, der beim Holsystem wegfallen würde. Sie vermutet eher die Scheu vor dem Arbeitsaufwand, der nötig ist, ein System umzustellen, mit dem man jahrzehntelang gearbeitet hat.

Bei den Initiatoren des Bürgerbegehrens halten sie das Pilotprojekt jedenfalls nur für "eine Verlängerung der Misere um weitere drei Jahre", wie Grasberger es formuliert. Deshalb will er das Thema forcieren, "damit es nicht wieder untergeht".

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