Traditionelle Wirtshäuser:Bodenständiges aus der Winkelgasse

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Ein lauschiger Fleck für Einheimische und Touristen nicht weit vom Hofbräuhaus: Der spitzwinklige Grund vor dem Wirtshaus "Zum Dürnbräu" bietet Platz für 15 Tische, ein weiterer kleiner Biergarten liegt im Innenhof. (Foto: Robert Haas)

Die Gaststätte "Zum Dürnbräu" kann ihre Geschichte bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen. Heute ist sie eine verwunschene Oase im Trubel der Altstadt

Von Stefanie Schwetz

Wenn man von der Hochbrückenstraße in der Münchner Altstadt in die Dürnbräugasse einbiegt, könnte man meinen, es gäbe keine rechten Winkel. Was auf den ersten Metern des kleinen Straßenzugs besonders ins Auge fällt, ist die asymmetrische Anordnung der Häuserfronten, Nischen und Hofeinfahrten. Zur Linken eröffnet sich nach ein paar Schritten der Gastgarten des Traditionslokals "Zum Dürnbräu", bevor die Gasse einen Knick macht, sich schluchtartig verengt und schließlich auf die belebte Einkaufsmeile Tal zusteuert.

Gerade mal Platz für etwa 15 Tische bietet der spitzwinklige, zwischen der zurückgesetzten Fassade des "Dürnbräu" und der großflächig bemalten Mauer des Nachbargebäudes gelegene Grund für die Außengastronomie an der Vorderseite des Wirtshauses. Im Hinterhof gibt es einen weiteren kleinen Biergarten, mit ein paar lauschigen Plätzen - eine verwunschene Oase im städtischen Trubel. Dort hat sich an einem heißen Sommertag zur Mittagszeit eine Runde heiterer Seniorinnen eingefunden, um sich bei Speis und Trank über Neues aus dem Bekanntenkreis und Altes aus der Erinnerung auszutauschen. "70 Jahre kennen wir uns nun schon", sagt eine der Damen zu ihrer Freundin. "Weißt du noch, wie wir damals in der Schule zusammen Theater gespielt haben?"

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(Foto: Robert Haas)

Junior-Chef Anton Gaßner...

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(Foto: Robert Haas)

...serviert traditionelle Küche.

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(Foto: Robert Haas)

Einst ließen die Bauern ihre Pferdefuhrwerke im "Thal" stehen und kehrten nach dem Markttag ums Eck beim "Dürnbräu" ein.

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(Foto: Dürnbräu)

Das historische Bild mit Blick aufs Isartor zeigt links das Stammhaus der Brauerei.

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(Foto: Robert Haas)

Dort zweigt die Dürnbräugasse ab.

Die Dürnbräugasse ist das Überbleibsel einer Zeit, als die Bauern, die nach München zum Markt kamen, ihre Pferdekutschen im angrenzenden "Thal" abstellten und nach getaner Arbeit beim "Dürnbräu" einkehrten. Damals fungierte die kleine Straße eher als Hinterhofzufahrt. Im Jahr 1487 hatte der herzogliche Hofbräumeister Jorg Mülner in einem der ältesten Brauhäuser im "Thal" seine Braustube eingerichtet. 1607 ging das gesamte Anwesen in das Eigentum des Brauers Georg Dürr, genannt "Dürn", über. So kam die Dürnbräugasse zu ihrem Namen. Das Wirtshaus "Zum Dürnbräu" ist heute der einzige Anlieger mit dieser Adresse und liegt hinter dem stattlichen Stammhaus im Tal 21, das bis in die 1980er-Jahre die Gaststätte beherbergt hatte. Dieser denkmalgeschützte klassizistische Bau aus dem Jahr 1828 ist auf den ehrgeizigen Müller Johann Nepomuk Schwangart zurückzuführen. Der erwarb die dortige Brauerei bereits im Jahr 1819 - schon bevor er seine Lehrzeit als Brauer absolviert hatte. Er baute den Betrieb schließlich zu einem technisch modernen, prosperierenden Geschäft aus.

Wie aber schafft man es, ein Traditionsgasthaus zu führen und trotzdem mit der Zeit zu gehen - insbesondere, wenn das Lokal in fußläufiger Nähe zum Hofbräuhaus und anderen altehrwürdigen Wirtshäusern liegt? Für Claudia Zink, Geschäftsführerin im "Dürnbräu", sind gute Gastronomiebetriebe im direkten Umfeld eher eine Bereicherung. Denn wer zu Stoßzeiten keinen Platz bekommt, braucht nur ein paar Ecken weiter zu gehen und findet die nächste einladende Gaststube.

Das gelte besonders für die vielen Touristen, die in München unbedingt Weißwürste oder Schweinshaxen essen wollten. "Das Dürnbräu steht ja auch in jedem Reiseführer", erzählt die 57-Jährige. Zink arbeitet seit 2012 dort, nachdem Franz Schmuck, der auch im Landkreis München Wirtshäuser betreibt, die Gastronomie von seinem Bruder Peter übernommen hatte. Seit August ist auch Franz Schmucks Sohn Anton Gaßner als Junior-Chef an Bord.

In der Geschichte dieses Wirtshauses samt Brauerei wurde die Nachfolge gerne innerhalb der Familie geregelt. Dabei bewiesen gerade die Frauen aus der Not heraus ein untrügliches strategisches Gespür. Im Anschluss an Namensgeber Georg Dürr übernahm 1633 Kaspar Khindler das Geschäft. Der starb bereits nach einem knappen Jahr, seine Witwe Rosina ehelichte kurzerhand einen Brauknecht aus Freising. Danach ging der Betrieb an Sohn Hans über, dessen Witwe wiederum sich in zweiter Ehe ebenfalls mit einem Brauer vermählte und nach dessen Tod in dritter Ehe noch einmal. Der letzte Angetraute braute schließlich bis 1738.

Die Brauergattin Rosina Rest indes übernahm 50 Jahre später, nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1792, gleich selbst die Leitung und führte die Brauerei bis 1818, bevor sie den Betrieb an ihren Sohn übergab. Auch Therese Schwangart, Witwe von Johann Nepomuk Schwangarts Sohn Paul, erwies sich als überaus geschäftstüchtig und verzeichnete im Braujahr 1862/63 das beste Brauergebnis, das in dieser Brauerei jemals erzielt wurde. Claudia Zink führt die weibliche Tatkraft samt zweckdienlichen Ehen auf das Verantwortungsbewusstsein gegenüber der nächsten Generation zurück. Ansonsten hätten Frauen im Hintergrund den Laden am Laufen gehalten.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelangte das "Dürnbräu" mit der Übernahme durch Gabriel Sedlmayr, der die Schwangart-Tochter Anna Rosalie heiratete, ins Eigentum der Spatenbrauerei. Und als der Brauereibetrieb im Tal stillgelegt wurde, blieb die Schankwirtschaft "Zum Dürnbräu" trotzdem bestehen - auch in schlechten Zeiten. Die Gaststätte war bereits sechs Wochen nach Ende des Zweiten Weltkriegs wieder in Betrieb.

Der Neubau des heutigen Wirtshauses stammt aus dem Jahr 1986, wobei der gewölbeartige Gastraum mit dunklen Holzvertäfelungen dem historischen Erbe durchaus gerecht wird. Wie einst der alte Schwangart machte der Münchner Gastronom Peter Schmuck mit dem Umzug vom Tal in die Dürnbräugasse aus der Traditionsgaststätte ein gleichermaßen zeitgemäßes wie erfolgreiches Geschäftsmodell. Die traditionelle Küche ist ein Markenzeichen des Wirtshauses "Zum Dürnbräu". Auf der Speisekarte finden sich nicht nur gängige Gerichte wie Schnitzel, Schweinsbraten und Obazda, sondern auch solch regionale Besonderheiten wie saure Breznknödel, Kalbslüngerl oder die altbayerische Bier-Brotsuppe. In der "SZ-Kostprobe", der Gastro-Kolumne dieser Zeitung, war dazu am 28. Juli 1986 zu lesen: "Die Speisekarte nicht überladen, der Schwerpunkt auf Bodenständigem, aber nicht zu Derbem, und was heutzutage selten ist - stets genügend Personal, so dass keine Hektik aufkommt." Mittlerweile finden sich auf der Speisekarte auch Salate und Vegetarisches, vor allem wegen der Vorlieben der weiblichen Gäste.

Das Angebot wissen Einheimische, Touristen und auch Prominente aus aller Welt zu schätzen. Letztere sorgten über Jahre für eindrucksvolle Bilder, die ihren Weg in die Presse fanden. Aber auch die Belegschaft des nahegelegenen Rathauses geht im "Dürnbräu" ein und aus, Studentenverbindungen haben dort ihre Treffen, Familien und Freunde, wobei Claudia Zink das Durchschnittsalter der Gäste auf etwa 40 Jahre schätzt. Und obwohl der Glamour der Achtziger- und Neunzigerjahre kaum mehr dem Zeitgeist entspricht, tauchen bis heute illustre Besucher in dem Traditionslokal auf. Der amerikanische Filmstar Nicolas Cage zum Beispiel kam etwas unerwartet vorbei oder der ehemalige Formel-1-Chef Bernie Ecclestone. Solche Gäste versucht Claudia Zink geschickt zu platzieren, um sie vor neugierigen Blicken zu schützen. "Denn plötzlich suchen dann erstaunlich viele Gäste ganz zufällig die Sanitäranlagen auf", erzählt sie. Das Wichtigste aber sei, dass im "Dürnbräu" auch berühmte Leute in aller Ruhe essen dürften. Genauso wie der Damenstammtisch.

© SZ vom 25.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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