Als die Nationalsozialisten von 1936 bis 1938 in Nord- Schwabing an der späteren Domagkstraße ihre Funkkaserne bauten, wussten sie nicht, dass daraus einmal ein Mekka für Künstler, Bastler, Sinn- und Vergnügungssuchende wird. Das geschah 1993, als nach dem Abzug der dort stationierten Bundeswehr unter anderem die Alabamahalle, ein Sikh-Tempel, eine Freikirche und Kfz-Werkstätten einzogen. Mit zeitweise mehr als 300 Ateliers auf 20 000 Quadratmetern in ehemals elf Häusern wurde der heute als Domagkateliers bekannte Ort zudem zur größten Künstlerkolonie Europas. Inzwischen ist von alledem nur noch Haus 50 übrig. Mit 101 Ateliers ist es in München das größte städtische Atelierhaus.
Seit die Stadt das Kasernengelände 2006 vom Bund übernommen, das Haus 50 grundsaniert und 2009 die ersten Künstler einquartiert hat, heißt das Gebäude nun "Städtisches Atelierhaus am Domagkpark". Außerdem sind die Künstler dort nicht mehr unter sich. Denn in den vergangenen zehn Jahren ist mit dem Domagkpark ein neues Stadtquartier daneben entstanden. Unter diesen neuen Bedingungen werden nun vom 23. bis 25. Juni feierlich "30 Jahre Domagkateliers" und zugleich die 30. Ateliertage begangen. Bei dem 1994 gegründeten Format laden die Künstler alljährlich in ihre Ateliers und zu Veranstaltungen wie Performances oder Konzerte ein.
Genau das wird auch in diesem Jahr passieren. Außerdem gibt es in der "Halle 50" mit "As Time Goes By" eine Sonderausstellung mit Werken von mehr als 60 ehemaligen Domagk-Künstlern. Die dafür nötigen Kontakte herzustellen, war offenbar nicht einfach. Die 30. Ausgabe der Ateliertage wird zudem mit einer "Dokumentations-Ausstellung" gewürdigt. Und dann gibt es noch: ein Video-Kunst-Kino, einen Skulpturengarten, einen Kunst-Kiosk, Wandmalerei und Konzerte an allen Abenden, darunter Auftritte von Inga und Embryo.
Inwieweit sich bei alldem noch der vielfach beschworene "Domagkgeist" spüren lässt? Die Stimmung in den Ateliers ist jedenfalls nicht ungetrübt. Zu den größten Störfaktoren gehört dabei das von der Stadt eingeführte Rotationsverfahren, das so aussieht, dass eine Jury alle fünf Jahre 30 Prozent der Räume neu vergibt. Auch dass das Kulturreferat zuletzt einen Zweckbau auf die Grünfläche des Innenhofes stellen wollte, wurde kritisch gesehen.
Die Künstler selbst propagieren stattdessen einen " Kunstturm", der am Ende des Nordflügels stehen, die Zahl der Ateliers verdoppeln und zwischen elf und 15 Millionen Euro kosten soll. Die Idee dafür wurde 2020 bei einem Workshop mit dem Architekten Benedict Esche entwickelt. Eine kühne, vielleicht auch nur utopische Idee, die aber auch der Bezirksausschuss und der Kulturausschuss im Stadtrat unterstützen, und in der nicht wenige die Zukunft der Domagkateliers sehen.
30. Domagk-Ateliertage, Freitag bis Sonntag, 23. bis 25. Juni, Städtisches Atelierhaus am Domagkpark, Margarete-Schütte-Lihotzky-Straße 30, www.domagkateliers.com