Musik aus München:Von wegen "Oh Jemine"

Musik aus München: On the road again: Inga stellt ihr zweites Album in München vor.

On the road again: Inga stellt ihr zweites Album in München vor.

(Foto: Marcel Koehler)

Auch auf ihrem zweiten Album "Took The Wrong Way Home" findet die Münchner Musikerin Inga in der Beiläufigkeit zur Größe.

Von Jürgen Moises

Man könnte sie eine Spätzünderin nennen. Denn als Inga vor zwei Jahren beim renommierten Indie-Label Trikont ihr tolles Debüt "Tears & Teeth" veröffentlichte und fast gleichzeitig ein Studium an der Kunstakademie anfing, hatte die Münchnerin die 30 schon um ein paar Jahre überschritten. Aber "zünden" muss man erst mal wollen. Für Inga Riedel ging es bisher eher darum, ein Leben auf Sparflamme zu fahren. Ihr Job? Beleuchterin beim Film, was sie aber nur 80 Tage im Jahr macht. Musik und Kunst? Da ist sie eher so reingerutscht. Sie hat Musik gemacht, fotografiert, aber nur so für sich selber. Das Abenteuer Album und Akademie? Da haben sie andere reingeschubst. Und schwups, jetzt gibt's ein neues Album.

Das nennt sich "Took The Wrong Way Home", ist am 28. Oktober bei Trikont erschienen. Am 31. Oktober stellt sie es in der Roten Sonne vor. Der Beginn? Gewohnt beiläufig, mit ein paar gesungenen "Tin-tin-tins". Die Elektronik pluckert leise, dazu eine Melodie, geklöppelt auf einem Hang. "Keep The Track" heißt das Stück, und in der Spur ist Inga erkennbar geblieben. Danach: "Oh Jemine". Hier rutschen die Finger über gedämpfte Gitarrensaiten und szenisch geht es ins Auto. Ein Pandemie-Song. Mit sanfter Stimme nimmt Inga, selbst Wohnmobil-Camperin, den Camping-Wahn am Beginn der Pandemie aufs Korn, wo der Drang nach Freiheit zu mit Blech vollgestopften Straßen führte.

Das "Dilettantische" gehört genauso wie das Reduzierte zum erklärten Stilmittel

Auf Französisch singt Inga in "Oh Jemine" auch. Bereits auf ihrem Debüt ist sie locker zwischen Deutsch, Englisch und Französisch hin und her geswitcht. Bis auf das noch kommende sehr schöne Schlaflied "Frösche" dominiert aber das Englische. Das Titellied scheint mit seiner Pianomelodie und schnellen Beats an der Neo-Klassik eines Nils Frahm geschult. Der Unterschied: Irgendwann trötet eine schiefe Trompete los. Denn das "Dilettantische" gehört genauso wie das Reduzierte zum erklärten Stilmittel. Was gibt es noch? Eine Klarinette in der Synthiepop-Nummer "Saved Love Be Fine". Gesampelte Streicher und Vögel in "Freaky Birds".

Im leicht verschrobenen "Imagine" singt Inga mit verzerrter Stimme, von der Melancholie her fühlt man sich an Sufjan Stevens erinnert. Bei "Hokema" setzt nach verspieltem Geklöppel eine Mundharmonika ein. Und in "Hail", einem Hohelied auf die Medien, Delfine, Bienen und noch einiges andere, glaubt man Laurie Anderson flüstern zu hören. Wie auf dem Debüt ergibt das Ganze gerade durch seine Beiläufigkeit eine zwingende Mischung. Und wenn überhaupt, dann hätte man sich vielleicht ein paar mehr deutsche Texte gewünscht. Denn da kommen Ingas Charme und Wortwitz am Besten zur Geltung. Ansonsten hat sie auf ihrem "falschen Heimweg" aber alles richtig gemacht.

Inga: Took The Wrong Way Home (Trikont), live am 31. Okt., 20 Uhr, Rote Sonne, Maximiliansplatz 5

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