Neue Pop-Revue im Deutschen Theater:Kniefall vor der Hitparade

Lesezeit: 4 min

Geht in die Knie vor deutscher Musik: Bandleader Thorsten Nathan aus Ebersberg. (Foto: Marcus Hartmann/oh)

In der Show "Made in Germany" macht Moses Wolff als verliebter Professor eine Zeitreise durch die deutsche Pop-Welt. Bei der Premiere im Deutschen Theater taucht die echte Spider Murphy Gang auf.

Von Michael Zirnstein

Moses Wolff stand auf Nena. Also er stand da vor dem Hotel Königshof, pubertierte und wartete, ob sie, damals deutscher Superstar in aller Welt, herauskäme. "Ich dachte, dass ich mit ihr ein Verhältnis anfangen kann, wenn ich sie treffe", erinnert sich der heute 53 Jahre alte Schauspieler, Kabarettist, Zeichner, Musiker und Autor, und er meint das ernst. "Ich fand die halt süß und so, wie man so ist mit 14." Auch Thorsten Nathan sei in Nena verliebt gewesen, gesteht dieser, als er zusammen mit Moses Wolff die gemeinsame Musik-Revue "Made in Germany" der Presse vorstellt. Was ist geblieben von der Schwärmerei? Auch wenn man von ihr und ihren Ansichten inzwischen halten könne, was man wolle: Auf Nenas Musik stehen sie immer noch.

In der Show ist die Neue-Deutsche-Welle-Spitzenreiterin nicht mit ihren überstrapazierten "99 Luftballons" vertreten, sondern mit "Irgendwie, irgendwo, irgendwann" - "das ist immer noch ein großartiger Song", findet Nathan. Er und "die besten Musiker aus dem Münchner Raum" werden dieses und andere Stücke nachspielen, "ohne sie zu kopieren". Leicht sei das keineswegs, sagt der Arrangeur, auch wenn deutschsprachige Musik vermeintlich simpel mitzuträllern sei. Udo Lindenberg etwa habe mit dem Panik Orchester eine Band von Weltklasse hinter sich, und Purs "Abenteuerland" sei "wie Genesis vom Niveau her". Also ist "Made In Germany" durchaus als Qualitätssiegel zu verstehen, auch im englischsprachigen Block mit den Scorpions oder im aktuellen Teil etwa mit Elektro-Hitmaschine Robin Schulz.

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Für "Made in Germany" hat Nathan ausschließlich Lieder ausgewählt, die nicht nur in Deutschland entstanden sind, sondern die er auch persönlich mag, "sonst würde ich das nicht spielen". Wobei es so einfach auch nicht ist: Xavier Naidoo zum Beispiel, mit dem er sich bei einem Benefiz für Flutopfer bereits die Bühne teilte, hält er "für einen der besten Sänger in Deutschland", aber eben auch für einen Oberschwurbler: "Was er in den letzten Jahren abseits der Bühne so von sich gegeben hat, das war dann doch ein Ausschlusskriterium."

Zum Glück ist die Show "Made in Germany" nicht auf jeden einzelnen hier entstandenen Song angewiesen, Nathan konnte aus dem Vollen schöpfen, mit Schwerpunkt von den Siebzigern bis heute, wobei durchaus auch Beethoven, die Comedian Harmonists und andere Meister aus Deutschland anklingen. "Griechenland, Italien, Österreich, die feiern alle ihre nationalen Helden und deren geile Musik", erklärt der Musikprofi. "Aber warum machen wir das nicht? Wir haben so tolle Musik in deutschen Landen, warum zelebrieren wir nicht unsere eigenen Künstler? Das kam in den vergangenen Jahre zu kurz." Findet er. Nun gibt es natürlich auf Sat 1 "Hit-Giganten"-Shows oder den ZDF-Fernsehgarten, aber ihm schwebte etwas anderes, Unpeinlicheres vor. Eine Hit-Revue mit Hintergrundgeschichte. Und Zeitreisemaschine.

Weiß viel über Musik: Moses Wolff als Professor in "Made In Germany". (Foto: Marcus Hartmann)

Und da kommt Moses Wolff ins Spiel, den der Schlagzeuger Philipp von Quast mit Nathan verbandelte. Wolff ist nicht nur spaßig, wie man von vielen Kabarettauftritten oder den "Wildbach Toni"-Videos von Titanic und SZ online weiß. Er hat auch schauspielerisch Musik-Revue-Erfahrung, etwa vom "Watzmann", und kann irre Geschichten schreiben, für Bücher und die Bühne, wie "Highway To Hellas", das mit Christoph Maria Herbst verfilmt und später zum Musical wurde. Aber so ein Best-of-Deutschland-Reigen, ist das dem Satiriker nicht zu gefällig? Nun, es seien schon Hits dabei, sagt er, aber auch Unbekanntes, bei dem er sich gedacht habe: "Geil, dass die das ausgesucht haben." Er sei ein Kind der Achtziger, habe Westernhagen und Lindenberg gehört, Spliff, und Extrabreit, "die beste Band der Welt neben Led Zeppelin und Beastie Boys". Und Nina Hagen, in die sei er auch mal verliebt gewesen. Alles habe freilich nicht in die Show gepasst, schon aus Zeitgründen, etwa Ton Steine Scherben, mit denen sei er aufgewachsen.

Wolff kennt sich aus. Er macht ja selbst auch Musik. Immer auf Deutsch oder Bairisch. Davon wird nichts gespielt. Obwohl Kompositions-Krösus Christian Bruhn (dessen "Captain Future" anklingen wird), mit dem er das Musical "Laura und Kieselstein" geschrieben hat, mal etwa beim Stück "Kommen Sie nackt" gesagt habe: Das habe Potenzial. Also: "Ich habe auch Hits geschrieben. Nur sind die nicht bekannt." Und eigentlich komme er ja aus dem Hip-Hop. Immerhin: Einmal darf er rappen im Stück, da wird er zu Smudo von den Fanta 4, aber wie das mit seiner Hauptrolle als Professor zusammenhängt, soll eine Überraschung bleiben. So viel ist bekannt: Jener Professor ist auch verliebt, in seine dreieinhalb mal eineinhalb Meter große leuchtende Zeitmaschine (die übrigens ein Requisitenbauer der Bully-Filme entwickelt hat), das gefällt aber seiner Freundin nicht, und so entschwindet sie in der Zeit - und er reist ihr hinterher durch einen Soundtrack deutscher Pop-Seligkeit.

"Die besten Musiker aus dem Münchner Raum" wie die Sängerin Jenny Strasburger kommen laut Gitarrist Thorsten Nathan für "Made In Germany" zusammen. (Foto: Marcus Hartmann)

Lieder in der Muttersprache - da klingelt es doch bei jedem, und eine persönliche Kindheitserinnerung steht vor der Tür. Nathan zum Beispiel stammt aus Cottbus. Mit zehn, vor der Wende, floh er mit seiner geschiedenen Mutter über die Zonengrenze in den Süden von München, wo sein Vater schon lebte. Udo Lindenbergs "Horizont" hätte ihn und den Vater auch während der Trennung verbunden, und die Eltern hätten dann auch wieder zusammengefunden und noch einmal geheiratet: "Hinterm Horizont geht's weiter..."

So einen Song spielt der Gitarrist Nathan natürlich viel emotionaler. Er hat mit einer Blues-Band schon vor Bob Dylan gespielt, hat mit diversen Projekten 30 Alben aufgenommen, war Sänger der Antenne Bayern Band, kam in Kroatien mit der Gruppe Blow in die Charts, schreibt Songs für Film, Werbung und Kollegen wie Wincent Weiß. Meist geht es nie um ihn persönlich, auch in "Made In Germany" sollen alle hinter dem Konzept zurückstehen. Er und "die besten Musiker aus dem Münchner Raum" wie die Sängerin Jenny Strasburger. Zwei Stars werden allerdings dabei sein bei der Premiere im Deutschen Theater: Mit Günther Sigl und Barney Murphy von der Spider Murphy Gang, den Echten, reist man zusammen ins Jahr ihrer ersten Hits: 1981.

Die große Zeitmaschine hat ein Requisiten-Bauer der Bully-Filme angefertigt. (Foto: Marcus Hartmann)

Wenn die Show danach auf Tour geht, könnten andere Stars aus der jeweiligen Region auftreten. "Irgendwann gehört das zum guten Ton", scherzt Moses Wolff: "Da fragt der Wolfgang Niedecken den Westernhagen: Hast du deine neue Single bei ,Made in Germany' gespielt? Da musst du unbedingt hin, ruf mal den Thorsten an, vielleicht haben sie noch einen Slot."

"Made In Germany", Do., 28. Juli, 20 Uhr, Deutsches Theater

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