CSU-Parteitag trotz Corona:Gespür für Wähler sieht anders aus

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Für Ludwig Spaenle wird ein Nachfolger gesucht: Dazu treffen sich knapp 100 Personen in einem Saal. (Foto: Robert Haas)

Die Münchner CSU, die Partei des stets strengen und mahnenden Ministerpräsidenten Markus Söder, nutzt im Lockdown die erste Gelegenheit, sich auf einem Parteitag persönlich zu versammeln - ein fatales Signal.

Kommentar von Heiner Effern

Anmerkung der Redaktion: Am Donnerstagnachmittag hat die Münchner CSU ihren für den Abend geplanten Parteitag abgesagt.

Die Münchner CSU setzt einen neuen Maßstab in der Coronakrise. Allerdings ist es keiner, auf den sie stolz sein sollte. So schnell wie kein oder kaum ein anderer größerer politischer Verband im Freistaat kommt sie am Donnerstagabend im zweiten Lockdown zu einem Parteitag in Präsenz zusammen. Knapp 100 Menschen sollen sich in einem Saal auf dem Nockherberg treffen. Es gibt ein Hygienekonzept, das Kreisverwaltungsreferat hat nach Auskunft der CSU das Treffen genehmigt.

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Aber auch wenn rechtlich alles korrekt ist, das Signal an die Bürger ist ein fatales: Die Partei des stets strengen und mahnenden Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) nutzt im Lockdown die erste Gelegenheit, sich auf einem Parteitag persönlich zu versammeln. Und das in einer Zeit, in der die Ansteckungszahlen zwar auf ein erfreuliches Niveau gesunken sind, sich aber immer noch kein Münchner privat mit mehr als einem Freund treffen darf.

Als die CSU kürzlich auch in Präsenztreffen die Delegierten wählte, die über die Aufstellung der Bundestagskandidaten entscheiden, war das schon grenzwertig. Doch mit dem Verweis darauf, dass die Bundestagswahl als wichtigster demokratischer Akt der Republik ordnungsgemäß ablaufen muss, konnte man diese Ausnahme noch akzeptieren. Am Donnerstagabend stehen aber auf der Tagesordnung des Parteitags zwei Punkte, die sicher nicht in diese Kategorie fallen: die vorgezogene Wahl eines neuen Bezirksvorsitzenden und eines neuen Stellvertreters. Das gilt insbesondere deshalb, weil die reguläre Amtsperiode im Sommer ohnehin endet und dann die Wahl des gesamten Bezirksvorstands ansteht.

Der Münchner CSU-Chef Ludwig Spaenle hatte bereits Ende September verkündet, dass er vorzeitig aufhören will. Das Coronavirus verhinderte jedoch die geplante Wahl seines bisherigen Stellvertreters Georg Eisenreich zum Nachfolger. Warum das im Moment so dringend ist, erschließt sich nicht. Eisenreich kann auch als Stellvertreter den Verband führen, den Bundestagswahlkampf planen und in Abstimmung mit Spaenle interne Entscheidungen treffen. So mancher bezeichnet den bayerischen Justizminister sowieso schon als heimlichen Bezirks-Chef, seit Ludwig Spaenle 2018 zuerst aus dem Kabinett und dann aus dem Landtag flog.

Die CSU verprellt so die von den Zumutungen der Pandemie gefrusteten Menschen und beschädigt die vorsichtige Corona-Strategie ihres eigenen Ministerpräsidenten - für einen schon vor der Wahl als fix geltenden Wechsel, der sonst im Sommer erfolgen würde. Gespür für Mitmenschen und Wähler sieht anders aus.

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