Münchner CSU:Eine Karriere voller Höhen und Tiefen

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Nachdem die CSU es im Jahr 2014 nicht geschafft hatte, den Posten des Oberbürgermeisters zu erobern, konnte die Partei von Bezirkschef Ludwig Spaenle (im Bild) dafür im Rathaus mitregieren. (Foto: Robert Haas)

Ludwig Spaenle tritt als Münchner CSU-Chef ab - nach fast zehn Jahren im Amt. Der Bezirksverband gilt als kompliziert und schwer zu führen. Jetzt muss sein designierter Nachfolger Georg Eisenreich das Erfolgsrezept für die Zukunft finden.

Von Heiner Effern

Was das pralle, politische Leben angeht, war Ludwig Spaenle nie ein Kostverächter. Mit Vergnügen, Wucht und Wortgewalt warf er sich hinein, was ihm so manchen Erfolg, aber auch so manche Wunde einbrachte. Wenn er nun am Donnerstag wie geplant das Amt des Münchner CSU-Chefs an seinen bisherigen Stellvertreter Georg Eisenreich übergibt, dann hinterlässt er nach knapp zehn Jahren eine Bilanz, die dazu passt: Langweilig war es nie, es gab Grund zum Feiern - und auch zum Verzweifeln. Für die Partei wie für ihn als Person gilt dabei: Die ersten fünf Jahre waren die deutlich besseren. Fragt man ihn, mit welchem Gefühl er nun auf eigenen Wunsch vorzeitig abtritt, dann sagt er: "Ich gehe völlig mit mir im Reinen."

Das liegt auch daran, dass das politische Leben, das er so liebt, nun nicht schlagartig endet: Spaenle sitzt zumindest bis Ende der Legislaturperiode im Landtag und hat mit dem Amt des Antisemitismusbeauftragten der Staatsregierung eine Position inne, die ihm sehr liegt und der nicht nur er "eine hohe Relevanz" zumisst. Er geht zudem in dem Bewusstsein, einen schwierigen Bezirksverband zehn Jahre lang eisern zusammengehalten zu haben.

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"Wir ziehen das jetzt durch": Bei der Münchner CSU steht seit Längerem die Wahl eines neuen Vorsitzenden an. Georg Eisenreich soll Ludwig Spaenle nachfolgen.

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Die Idee einer liberalen Großstadtpartei, die sein Vorgänger Otmar Bernhard der Partei nahegebracht hatte, füllten er und Oberbürgermeister-Kandidat Josef Schmid mit Leben. Dieser unterlag zwar Dieter Reiter (SPD) knapp, wurde 2014 aber zum ersten CSU-Bürgermeister seit 30 Jahren gewählt. Die rot-grüne Koalition war nach 24 Jahren abgewählt, die CSU regierte mit der SPD die Stadt.

Doch Spaenle geht nun auch in einer Zeit, in der seine Fraktion bei der letzten Kommunalwahl 2020 nach sechs Jahren an der Macht wieder aus der Regierung geflogen ist. Und in der seine Partei wie auch er selbst eineinhalb Jahre zuvor das bitterste Ergebnis bei einer Landtagswahl hinnehmen musste, das die CSU in München jemals erlitten hatte. Fünf der neun Direktmandate in der Stadt gewannen im Jahr 2018 die Grünen. Er selbst verlor als Bezirkschef sein Landtagsmandat.

Im Jahr 2014 verlor Josef Schmid (Mitte, mit Frau Natalie) das Rennen um den Posten des Oberbürgermeisters. Georg Eisenreich (rechts) soll den Bezirkschef Ludwig Spaenle (links) nun ablösen. (Foto: Robert Haas)

Den Alleinschuldigen an diesen herben Niederlagen mag Spaenle nicht geben, aber er sagt: "Ich übernehme meinen Teil der Verantwortung dafür." Die CSU stand vor der Herausforderung, die für ihre Verhältnisse großstädtischen Ideen aus dem Wahlkampf 2014 weiterzuentwickeln und einer sich verändernden Stadtgesellschaft Angebote zu machen, die über die Kernklientel der CSU hinaus gezogen hätten. "Das ist uns nicht in dem Maß gelungen, wie wir uns das gewünscht hätten", sagt Spaenle rückblickend.

Er habe jedoch als einer der ersten in seiner Partei auf die "dramatischen" Umbrüche hingewiesen, nimmt er für sich in Anspruch. Die CSU müsse in München stets den schwierigen Spagat hinbekommen, eine konservative Volkspartei zu sein und in der liberalen Mitte Wähler anzusprechen. Wie Letzteres künftig gelinge, sei eine der großen Fragen im Kampf gegen "die Interessen- und Klientelpartei", so nennt Spaenle die Grünen.

Die Antwort darauf zu finden, wird die große Aufgabe des designierten München-Chefs Eisenreich sein. Der bayerische Justizminister gilt schon länger als starker Mann in der Münchner CSU, insofern hat auch er die Kommunalwahl 2020 mitzuverantworten, in der die Partei alle drei Ziele verpasst hat: den OB zu stellen, die stärkste Fraktion zu sein und an der Regierung zu bleiben. Er wird aber nicht nur die CSU in der einzigen Metropole Bayerns zukunftsfähig positionieren, sondern weiter auch darauf schauen müssen, dass ihm die Partei in diesem Bestreben nicht um die Ohren fliegt. Noch-Chef Spaenle verweist darauf, dass der Münchner Bezirk ein Solitär sei. Das liegt zum einen am völlig anderen Publikum, dem sich die Stadtpartei stellen muss. Zum anderen aber auch an der inneren Struktur der CSU und der Sondersituation in München.

"Er ist durch und durch ein Parteimensch", sagt sein CSU-Kollege Josef Schmid

An der Zahl der Einwohner gemessen liegt München in einer Liga mit Regierungsbezirken wie Unterfranken oder Niederbayern. Auf die eineinhalb Millionen Einwohner der Stadt kommen neun Kreisverbände, eine Ebene, die in der CSU traditionell einen hohen Stellenwert hat. Doch hier werden nicht etwa neun Landräte und neun Kreistage gewählt, sondern nur ein Oberbürgermeister und ein Stadtrat. Der "Druck im Kessel" sei in der Münchner Partei deswegen extrem hoch, wenn es um die Verteilung von Mandaten gehe, sagt Spaenle. "Alle 80 Kandidaten der Stadtratsliste wollen möglichst auf die ersten 20 Plätze." Weil das in Bayern selbst der CSU nicht erlaubt ist, müsse der Münchner CSU-Chef oft ein Spiel absolvieren, "das du nicht gewinnen kannst". Das führe zu "schmerzhaften" Entscheidungen, die man in der Position des Vorsitzenden treffen müsse.

Auch deshalb genießt die Münchner CSU im Landtag bei so manchen Parteikollegen den Ruf, ein ständig zerstrittener Haufen zu sein. Das widerspricht der Selbstwahrnehmung der nach außen hin zumindest sehr überschaubaren Zahl der Kritiker in der Münchner CSU. Streit oder Diskussionen seien eben nicht erwünscht, heißt es. Ein kleiner Zirkel um Spaenle und Eisenreich dominiere die Partei, wer aufmuckt, werde schnell einen Kopf kürzer gemacht. Offen wird das kaum geäußert, von regelrechter Angst ist dann die Rede.

Spaenle selbst nimmt für sich in Anspruch, in den zehn Jahren viel für den inneren Zusammenhalt der Partei getan zu haben. Es konnte jederzeit passieren, dass der Louis, wie ihn seine Freunde nennen, trotz seines Jobs als Superminister für Bildung, Hochschule und Kultur spontan bei einer Weihnachtsfeier oder einer Versammlung in einem Ortsverband auftauchte. Das wissen viele CSU-Kollegen zu schätzen. "Er ist durch und durch ein Parteimensch", sagt Josef Schmid, der inzwischen als Kollege dem Landtag angehört. "Ludwig Spaenle war sehr authentisch und der Partei gegenüber auch in schwierigen Zeiten immer loyal", würdigt ihn auch Hans Theiss, Kreisvorsitzender der CSU im Zentrum.

Die Verwandten-Affäre schadetete ihm kaum, 2013 stieg er sogar zum Superminister auf

Die beiden gehören als Kreischefs (Schmid im Westen), dem inneren Zirkel der Münchner CSU an. Die Versammlung der neun Münchner Regionalfürsten ist die eigentliche Machtzentrale der Stadt-CSU. Hier werden Strategien vertraulich besprochen, Karrieren entschieden und Probleme relativ offen diskutiert. Spaenle erklärt, diese Ebene bewusst gestärkt und in den Mittelpunkt der Münchner Partei gerückt zuhaben. Die acht Männer und eine Frau seien demokratisch legitimiert, nur in einem solch überschaubaren Kreis könne man gut arbeiten. Der große Münchner Bezirksvorstand habe dagegen "etwas von einem Parteitag", sagt er.

Dem Zirkel der Macht gehört auch der Landtagsabgeordnete Robert Brannekämper als Kreisvorsitzender im Osten an. Brannekämper gilt als unabhängiger Kopf auch in der CSU, unverdächtig, irgendjemandem nach dem Mund zu reden. Die Kommunikation mit Spaenle sei immer "gut und kollegial" abgelaufen lobt er Spaenle. Der habe auch den Spagat zwischen Superminister und Bezirkschef einwandfrei bewältigt und "unheimlich viel geleistet", sagt er. Die Partei müsse ihm dafür "Vergelt's Gott" sagen.

Das galt freilich auch anders herum. Denn in den zehn Jahren als Münchner CSU-Chef erlebte Spaenle auch persönlich Höhen und Tiefen, die für mehrere politische Karrieren gereicht hätten. Im Frühjahr 2013 kam heraus, dass er als amtierende Minister einer der Protagonisten der sogenannten Verwandten-Affäre war. Jahrelang hatte er entgegen der Vorschriften seine Frau beschäftigt. Die Partei hielt zum einsichtigen Spaenle, im Herbst stieg er nach der Landtagswahl sogar vom Kultusminister zum Superminister auf. Im Ringen um die Rücknahme des achtjährigen Gymnasiums wurde der Münchner CSU-Chef von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) nicht nur einmal vorgeführt.

Den persönlichen Tiefpunkt erlebte Spaenle aber erst 2018. Im Frühjahr warf ihn sein damaliger enger Freund und neuer Ministerpräsident Markus Söder völlig überraschend aus dem Kabinett. Im Herbst stand er nach der Landtagswahl erstmals seit 1994 ohne Mandat da. Doch die Münchner CSU folgte nicht der Partei-Logik, dass Verlierer möglichst umgehend zu entsorgen seien. Er wurde im Jahr darauf noch einmal zum Münchner Bezirkschef gewählt.

© SZ vom 17.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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