Lüften, immer wieder lüften: Das ist ein zentrales Rezept im Kampf gegen die Corona-Pandemie an Schulen. Um das Infektionsrisiko zu mindern, solle die Luft im Klassenzimmer dreimal pro Stunde ausgetauscht werden, rät das Umweltbundesamt. Alle 20 Minuten sollen alle Fenster weit geöffnet werden, in den Pausen ebenfalls.
Besonders in den ersten bis sechsten Klassen, in denen die meisten Kinder noch nicht geimpft sein können, müsste demnach eigentlich konsequent regelmäßig stoßgelüftet werden. Doch Zwischenergebnisse einer Studie an der Hochschule München legen nun nahe: Diese Vorstellung geht an der Realität vorbei. Und andere gängige Lüftungskonzepte sind demnach ebenfalls unzuverlässig.
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In dem Forschungsprojekt "Sicheres Klassenzimmer" messen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seit dem Sommer die Luftqualität in 233 Klassenzimmern an 52 Schulen im Großraum München sowie in Mainz. Sie erfassen den CO₂-Gehalt in der Luft; der gibt Aufschluss über den Anteil an ausgeatmeter Luft und damit auch über die Menge an Aerosolen, über die sich das Coronavirus ausbreiten kann.
Beteiligt sind Wissenschaftler der Hochschule, der Technischen Universität München, der Ludwig-Maximilians-Universität und des Mainzer Max-Planck-Instituts für Chemie. Das Projekt ist noch nicht abgeschlossen; mittlerweile hätten sie aber die Daten von mehr als 7000 Unterrichtstagen ausgewertet, sagt der Projektleiter und Medizin-Informatiker Christian Schwarzbauer von der Hochschule München.
Die Daten zeigen: Die Empfehlung des Umweltbundesamts werde "in der Praxis kaum umgesetzt", sagt Schwarzbauer. "Der Anteil der regelmäßig alle 20 Minuten gelüfteten Klassenzimmer lag unter acht Prozent." Stattdessen werde meist nur zwischen den Stunden oder auch nur in den Pausen gelüftet. Die Folge: Die Grenzwerte für Kohlendioxid in der Luft wurden bei klassischer Fensterlüftung an mehr als jedem vierten Unterrichtstag überschritten - und zwar nicht etwa in einzelnen Stunden, sondern im Tagesdurchschnitt.
Offenbar wurde im Vertrauen auf die Geräte seltener gelüftet
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Messgeräte, sogenannte CO₂-Ampeln, änderten wenig. Standen solche Apparate im Raum, wurden die Zimmer dennoch an 22,4 Prozent der Unterrichtstage nicht genug gelüftet. Selbst in Räumen mit fest installierten raumlufttechnischen Anlagen lief es nicht besser. Hier wurden die Grenzwerte an 22,8 Prozent der Tage überschritten. Diese Anlagen gälten eigentlich als Goldstandard der Belüftung, sagt Schwarzbauer. Viele seien aber falsch eingestellt. Und sie sind offenbar so leise, dass sie unbemerkt ausfallen können. Dann bleiben die Fenster geschlossen, die Luft steht.
Deutlich wirksamer zeigten sich in der Studie dezentrale, etwa an den Wänden verbaute Lüftungsanlagen - und Do-it-yourself-Systeme, wie sie das Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie erdacht hat. Hier führen Schläuche die Abluft von den Tischen zum Fenster, wo diese über Ventilatoren ins Freie geblasen wird. Das Michaeli-Gymnasium in Berg am Laim hatte eine solche Anlage zuletzt erprobt, die Stadt einen Ausbau allerdings nicht befürwortet. In Räumen mit solchen Anlagen waren die Grenzwerte nur an 4,6 Prozent der Unterrichtstage überschritten.
Am häufigsten dagegen, nämlich an 34,2 Prozent der Tage, wurden die CO₂-Grenzwerte überschritten, wenn ein mobiles Luftreinigungsgerät aufgestellt war. Solche Geräte filtern Aerosole aus der Luft, kein CO₂; insofern heißt das nicht, dass die Apparate nicht funktionieren würden. Offenbar wurde aber im Vertrauen auf die Geräte seltener gelüftet.
Tatsächlich haben die Forscher schon ausgerechnet, wie schnell sich je nach Lüftung die Viren-Konzentration in der Luft erhöhen würde. Die Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es wäre, wirklich im 20-Minuten-Takt zu lüften. Lüftungsanlagen und Luftreiniger schneiden hier auch gut ab. Im nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler nun berechnen, wie hoch das wirkliche Infektionsrisiko in den teilnehmenden Klassen ist.