Schaden in Millionenhöhe:Münchner Staatsanwaltschaft jagt Corona-Betrüger

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Es war bereits der zweite Prozess um die von H. begangene Messerattacke vor dem Landgericht München I. (Foto: Matthias Balk/picture alliance/dpa)

In Hunderten Fällen haben Kriminelle die staatlichen Hilfspakete missbraucht, manch einer gönnte sich von dem Steuergeld einen neuen Porsche. Die Ermittlungen führen auch ins Rocker-Milieu und in die Rotlicht-Szene.

Von Stephan Handel

"Schnell und unbürokratisch" sollte Unternehmen in der Corona-Krise von 2020 an geholfen werden, das hatte der damalige Finanzminister und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) versprochen. So geschah es dann auch - allerdings nutzten einige Betrüger mit krimineller Energie die unbürokratischen, kaum kontrollierten Verfahren dazu, hohe Subventionen zu kassieren, ohne dazu berechtigt zu sein.

Die strafrechtlichen Aufräumarbeiten dieser Betrügereien sind in vollem Gange, bei der Staatsanwaltschaft München I wurden bisher 770 Verfahren geführt. Rund 260 Fälle davon wurden mit Anklageerhebung oder einem Strafbefehl beendet. Dabei ging es um beantragte Zuschüsse in Höhe von 19 Millionen Euro, von denen zehn Millionen ausgezahlt wurden. Aktuell werden bei der Staatsanwaltschaft 160 Ermittlungsverfahren geführt, es geht um beantragte 122 Millionen Euro, 57 Millionen davon wurden ausbezahlt.

Besonders leicht fiel der Betrug zu Beginn der Pandemie bei den sogenannten Soforthilfen - hier sollte ausdrücklich auf gründliche Prüfungen zugunsten von schneller Auszahlung verzichtet werden. Zudem mussten die Bewilligungsstellen - meistens bei den Industrie- und Handelskammern (IHK) - die nötige Infrastruktur erst aufbauen.

Bei späteren Hilfspaketen - Novemberhilfe, Dezemberhilfe, Überbrückungshilfen I, II, III, III Plus und IV - wurde als neue Instanz der "prüfende Dritte" eingeführt: Die Anträge konnten nur über Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Rechtsanwälte eingereicht werden, die gleichzeitig die Plausibilität der Angaben überprüfen sollten. Wie sich jetzt herausstellt, kamen einige "prüfende Dritte" dieser Pflicht nicht nur nicht nach - manche von ihnen erfanden sogar kriminelle Systeme, durch die sie ihren Mandanten und sich selbst Gewinne in Millionenhöhe verschafften.

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So hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen einen Steuerfachwirt und seine Ehefrau erhoben. Der Mann arbeitete in einer großen Münchner Steuerberatungskanzlei als Büroleiter. Dort oblag es ihm, die Anträge der Mandanten auf Corona-Überbrückungshilfe zu bearbeiten. Danach leitete er die Anträge an eine Steuerberaterin der Kanzlei oder den Wirtschaftsjuristen weiter, die die Anträge bei der IHK einreichten, jedoch ohne sie weiter zu prüfen.

Unter dem Deckmantel einer Firma, die formal von seiner Ehefrau als "Strohfrau" betrieben wurde, verkaufte der Mann Hygiene-Luftfilter an zwei Mandanten der Kanzlei zu völlig überhöhten Preisen. Er täuschte die Mandanten sogar über seine Identität, um zu verschleiern, dass er gleichzeitig Berater und Verkäufer war. Dabei kassierte er beziehungsweise seine Ehefrau mehr als 1,6 Millionen Euro netto, mehr als das Fünffache des tatsächlichen Marktpreises.

Aber nicht nur er hatte seinen finanziellen Vorteil an der Transaktion: Die Mandanten konnten die Käufe als "Hygieneaufwendungen" in ihre Anträge auf Überbrückungshilfe einfließen lassen und erhielten Förderungen in Höhe von mehr als 2,2 Millionen Euro.

Bis ins Rocker-Milieu und in die Rotlicht-Szene führen die Ermittlungen

Vier Angeklagte in einem anderen Fall wurden vor zwei Wochen vom Landgericht München I zu Haftstrafen zwischen zweieinhalb und viereinhalb Jahren verurteilt: Sie führten Unternehmen in der Gastro- und Eventbranche und gründeten gemeinsam ein weiteres Unternehmen, das angeblich Hygieneprodukte, hygienefördernde Umbauten und Schulungen verkaufen sollte. Das tat es aber nicht, sondern stellte ein System von Scheinrechnungen auf, das benutzt wurde, um unberechtigt an Corona-Hilfen zu gelangen. Beantragt wurden rund sechs Millionen Euro, ausgezahlt 1,8 Millionen Euro - die aber nicht zum Erhalt der Unternehmen benutzt wurden: Zwei der Angeklagten legten sich von ihrem Anteil an der Beute jeweils einen Porsche zu.

In einem dritten Verfahren sind die mutmaßlichen Haupttäter ein Steuerberater und eine Person aus dem Rocker-Milieu mit Verbindung in die Rotlicht-Szene. Beide sitzen seit März in Untersuchungshaft, unter anderem, weil sie Korrespondenzen gezielt gelöscht haben. Der Steuerberater soll zudem am Telefon gesagt haben, dass Staatsanwälte und Mitarbeiter der IHK in die Luft gesprengt gehörten.

Die beiden sollen sich nach dem bekannten Modell durch überhöhte Rechnungen unberechtigt Corona-Hilfen beschafft haben - unter anderem für Lüftungsgeräte, die benötigt wurden, um die Sado-Maso- und Bordellbetriebe des einen Angeklagten schnell wieder eröffnen zu können. Beantragt wurden, auch für andere Unternehmen, rund 85 Millionen Euro, davon wurden 28 Millionen ausgezahlt. Ein Termin für die Hauptverhandlung steht noch nicht fest.

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