Kultur in der Krise:"Vorübergehend" geschlossen

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Dieser goldene Gang führt von der Sonnenstraße zur Clubtür. (Foto: Sebastian Gabriel)

Abgesehen von der kurzen Öffnungs- und Hoffnungsphase im Herbst verharren die Münchner Clubs seit rund zwei Jahren im Stillstand. Wie lange noch kann das so weitergehen? Ein Stimmungsbild.

Von Martin Pfnür, München

An sich ist mit einem Blick auf die Web-Auftritte schon vieles zur aktuellen Lage gesagt. Das Harry Klein etwa listet unter dem Reiter "Programm" derzeit auf, was 2021 mal möglich war. Sommerliche Draußen-Veranstaltungen im "Kollektivgarten 3000" im Weißenburger Park. Herbstliche Club-Nächte im Rahmen der kurzen Öffnungsphase. Und natürlich eine Unmenge an archivierten Live-Streams, die auf Youtube mittlerweile eine stattliche Sammlung bilden. Bisherige Programmpunkte für 2022: eine "Impfwoche im Harry Klein" und ein "Schnelltestzentrum im Harry Klein".

Woanders zeigt man sich weniger nostalgisch. Die Rote Sonne räumt ein, dass es hier gerade nicht viel zu sehen gäbe und man die Pause für eine Neugestaltung der Website nutze. Das benachbarte Pacha, wie das Harry Klein derzeit zum Testzentrum umfunktioniert, macht unter dem Kampagnentitel "Stille Nächte" auf die anhaltende Notsituation aufmerksam. Und der Blitz-Club teilt mit, dass der hauseigene Food-Truck nun Mittagsgerichte ohne tierische Zutaten anbiete. Gemeinsamer Google-Maps-Status: vorübergehend geschlossen.

"Wir empfinden uns als vergessen und perspektivlos"

Tatsächlich steckt in diesem "vorübergehend" die ganze verzwickte Misere der Clubs. Liegt diese doch in einem schier endlosen Warten darauf, dass etwas vorübergeht, was seit März 2020 einfach nicht vorübergehen will. In gut einem Monat sind es - sieht man mal von der achtwöchigen Zwischenöffnung in Bayern und allerlei Freiluft-Improvisationen ab - rund zwei Jahre Zwangspause, und an ein Ende ist angesichts von Inzidenzen jenseits der Tausend noch immer nicht zu denken. Die Clubs, so viel lässt sich prophezeien, werden die Letzten sein, die wieder ihre Türen öffnen dürfen, und die ersten, bei denen diese notfalls wieder geschlossen werden müssen. Abstands- und Hygieneregeln, das ist nun mal nichts, was sich realistischerweise auf dem Dancefloor umsetzen lässt, dafür ist das Virus einfach zu hinterfotzig.

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Entsprechend viel Frust schwingt also mit, wenn Peter Fleming, Geschäftsführer des Harry Klein, in die nähere Zukunft schaut. "Wir sind tatsächlich nicht sehr optimistisch", sagt er. "Blickt man zum Beispiel auf die Meldungen aus den Kabinettssitzungen der Bayerischen Staatsregierung, findet man seit Wochen keinerlei Erwähnungen der Clubszene. Man darf sich da schon die Frage stellen, ob die Staatsregierung überhaupt ein Bewusstsein gegenüber der Clubkultur hat. Wir empfinden uns als vergessen und perspektivlos." Nicht viel rosiger gestalten sich die Aussichten ein paar Hundert Meter weiter die einstige "Feier-Banane" entlang am Maximiliansplatz. "Frühestens im April oder Mai, eher später" rechne er damit, dass die Clubs wieder öffnen dürften, sagt Roman Lehmann, der die Geschäfte des Pacha führt.

Großer Aufwand für eine kurze Öffnungsphase im Herbst - dann wurde alles rückgängig gemacht

Auf die Öffnungsphase im Herbst blicken beide mit Wehmut zurück, Fleming spricht von einem "Dauerzustand der Glückseligkeit", Lehmann von der "Erfüllung einer lange herbeigesehnten Normalisierung", die jedoch mehr Aufwand als Nutzen mit sich gebracht habe. "Wir haben die ganze Maschinerie wieder angeworfen, Kurzarbeit beendet, Personal eingestellt, Künstler gebucht, Ware bestellt und wirksame Kontrollsysteme für die Einhaltung der Corona-Regeln umgesetzt. All das mussten wir nach kürzester Zeit wieder rückgängig machen, und ausbaden durften das in erster Linie unsere Angestellten, die wir erneut in die Arbeitslosigkeit beziehungsweise Kurzarbeit entlassen mussten."

Ohnmacht und Ausweglosigkeit klingen da an, sie gründen auf der anhaltenden Abhängigkeit einer Branche von staatlichen Vorgaben und Zuwendungen. Denn auch wenn den Clubbetreibern die stiefmütterliche Behandlung seitens der Politik erkennbar ein Dorn im Auge ist, so bleibt ihnen schlicht nichts anderes als diese weiterhin auszusitzen und auf eine bessere Zukunft zu hoffen. "Wir halten die Situation genau so lange durch, wie es die Staatshilfen gibt", sagt Roman Lehmann. "Fallen die Hilfen weg, sehe ich keine Chance mehr, den Betrieb wirtschaftlich halten zu können."

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