Ausstellung:Kosmisches Rauschen

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Science-Fiction? Auf jeden Fall Kunst: Karsten Nicolais Arbeit "Transmitter / receiver - the machine and the gardener". (Foto: Maximilian Geuter)

Der Berliner Künstler und Musiker Carsten Nicolai bringt im Haus der Kunst die radioaktive Teilchenwelt zum Klingen.

Von Jürgen Moises

Erst vor ein paar Tagen überraschte der deutsche Esa-Raumfahrer Matthias Maurer mit seiner Aussage, dass das Weltall nach einer sprühenden Wunderkerze riecht. Wie es wiederum klingt, das kann man nun in einer Installation von Carsten Nicolai im Haus der Kunst erfahren. " Transmitter / receiver - the machine and the gardener" heißt die multimediale Arbeit, die im Westflügel des Hauses den Klang kosmischen Rauschens hörbar macht. Das geschieht mithilfe einer Antenne, welche bereits von den Nazis auf das Dach gestellt wurde und die der Berliner Künstler und Musiker für "Transmitter / receiver" reaktiviert hat. Dann gibt es da noch ein skulpturales Instrument ("the machine"), das von Geigerzählern gesteuert wird, welche kosmische radioaktive Teilchen ermitteln. Immer dann, wenn ein Partikel festgestellt wird, stößt ein Detektor einen elektrischen Impuls aus und reguliert damit das kosmische Rauschen.

Das Ergebnis? Nun, das klingt wie ein verrauschtes Wasserrauschen. Man hört es knistern, was an alte Schallplatten oder kaputte elektrische Leitungen erinnert. Und zuweilen gesellt sich eine Art Brummton dazu. Von der Musik, die Carsten Nicolai seit Jahren unter dem Pseudonym Alva Noto macht und die etwa auf dem letzten Album "Xerrox Vol. 4" an das Klicken und Surren kleiner Roboter erinnert, ist das gar nicht so weit weg. Arbeitet Nicolai, der auch das experimentelle Musik-Label Raster-Noton betreibt, als Komponist doch ebenfalls mit Zufalls- und sich selbst organisierenden Strukturen. Wobei damit bisher nur die technische und akustische Seite der Arbeit beschrieben wurde.

Wie am Set der alten "Raumschiff Enterprise"-Serie

Was die optische angeht, wäre da die bereits erwähnte Maschine, die man sich mit ihren Glasscheiben und Dioden auch in einem Science-Fiction-Film gut vorstellen kann. Auch sonst kommt man sich ein bisschen wie auf einem Set der alten "Raumschiff Enterprise"-Serie vor. Es gibt eine große, gebogene Leinwand, deren Farben ebenfalls vom Detektor und zum Teil auch von der Mondphase gesteuert werden und die zwischen Rot, Blau und Violett changieren. Auf dem Boden liegt Streusalz und darauf sind mehrere schwarze Kugeln, deren Position immer wieder verändert wird. Dafür zuständig sind die "Gärtner", das heißt unter anderem Sarah Johanna Theurer mit Hanns Lennart Wiesner als Mitglieder des kuratorischen Teams.

Eigentlich sollte ja Sand auf dem Boden liegen, wie man ihn auch in japanischen Zen-Gärten findet. Für die Optik waren sie (und nicht Raumschiff Enterprise) laut Carsten Nicolai die zentrale Inspiration. Die dafür nötige Menge wollte aber niemand nach der Ausstellung zurücknehmen, wie Nicolai bei der Pressekonferenz erzählt. Und ökologisch wollte er das nicht verantworten. Dann las Hanns Lennart Wiesner vor ein paar Tagen zufällig die Meldung, dass die Stadt München 97 Tonnen Streusalz für den Winter gekauft hat. Kurz darauf waren acht Tonnen Streusalz organisiert, "die später wieder auf der Straße landen", verrät Nicolai. Dass er es nicht erwartet hätte, noch einmal einen Garten zu entwerfen, das erzählt der 56-Jährige ebenfalls. Hat Carsten Nicolai, der seit 2015 Kunst mit Fokus auf zeitbasierte Medien in Dresden lehrt, dort doch ursprünglich Landschaftsdesign studiert.

Der Bezug zu Japan lag wiederum nahe. Denn Nicolai ist seit Jahren mit Fujiko Nakaya befreundet, von der aktuell sehr erfolgreich eine Retrospektive im Haus läuft. Außerdem arbeitete er als Produzent wiederholt mit dem bedeutenden japanischen Komponisten Ryūichi Sakamoto zusammen sowie mit einem Mitglied der Künstlergruppe Dumb Type. Und diese sind ebenfalls mit Nakaya eng verbandelt. Als spannende Erweiterung von Nakayas kristallinem Kosmos, in dem die Natur und der Zufall eine wichtige Rolle spielen, kann man wohl am besten auch "Transmitter / receiver" verstehen. Betrachten kann man die Arbeit auf Hockern von einem abgedunkelten Raum aus. Und wie Nakayas Nebel ist sie eine Einladung zur Meditation.

Carsten Nicolai. Transmitter / reciever - the machine and the gardener, bis 17. Juli, Haus der Kunst, Prinzregentenstr. 1, hausderkunst.de

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