Stimmen von der "Lichtermeer"-Demo:"Wegen kultureller Unterschiede auszugrenzen ist bescheuert"

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Lichterkette am Schild: Demonstranten auf der Theresienwiese (Foto: Christine Uyanik/Reuters)

Azmaeen aus Bangladesch fasst zusammen, wofür Zehntausende auf die Theresienwiese gekommen sind. Was ihn und andere Demonstranten noch motiviert hat, München wieder leuchten zu lassen.

Von Jana Kreutzer und Leon Lindenberger

"Die Leute müssen von ihren Sofas aufstehen"

Astrid Hölzel-Amer (62) aus München war schon auf der Demo am Siegestor. "Ich habe das Gefühl, den Leuten wird langsam bewusst, dass sie von ihren Sofas aufstehen müssen." Und auch schon in den 90er-Jahren war sie Teil der Lichterkette, "selbstverständlich!" Jetzt hofft sie, dass noch mehr Menschen zum Lichtermeer kommen - "noch ist ja nicht so viel los", sagt sie kurz vor Beginn mit der Lampe in den Händen.

"Da hat die AfD plötzlich richtig viele Stimmen bekommen"

Vier Schülerinnen laufen die Treppe der Ruhmeshalle der Bavaria herab. Sie haben das Lichtermeer von oben beobachtet und wollen jetzt näher zur Bühne. Ines (16), Sahara (15), Sierra (11), Savannah (13) sind extra aus dem Münchner Umland zur Theresienwiese gekommen, um ein Zeichen zu setzen. Sierra, die Jüngste der Gruppe, findet die AfD gemein und ausländerfeindlich. Sahara erzählt von der letzten Juniorwahl an ihrem Gymnasium: "Da hat die AfD plötzlich richtig viele Stimmen bekommen." Ines fügt hinzu: "Wir sind hier, weil wir die Hoffnung in die junge Generation aufrechterhalten wollen."

Liveticker zur "Lichtermeer"-Demo in München
:Etwa 100 000 Menschen protestieren gegen Rechtsextremismus

München setzt ein beeindruckendes Zeichen gegen Hass und Hetze. Die Teilnehmerzahlen schwanken je nach Quelle - die Veranstalter sprechen sogar von 300 000 Demonstranten. Die "Lichtermeer"-Kundgebung in der Nachlese.

Auch Kinder immer wieder mit rechter Gewalt konfrontiert

Angela Rode (36), Nina (12), Julia Blömer (43) und Hannah (3) waren schon auf der letzten Demo. Für die beiden Mütter ist es wichtig, auch ihre Kinder mit auf Demonstrationen gegen Rechtsextremismus zu nehmen: "Es betrifft unsere Kinder ganz genauso wie uns. Das ist ihre Zukunft!" Gerade in der Stadt komme es immer wieder vor, dass Kinder Situationen von rechter Gewalt erlebten. Die zwei Mütter sind heute hier, damit ihre Kinder in solchen Fällen gegen rechts aufstehen können und die richtigen Worte finden.

"Das Land würde stillstehen"

Sabine Kirstein (Foto: Jana Kreutzer)

Sabine Kirstein (59) aus München hat ein besonderes Schild dabei, befestigt an einem Kehrbesen. Darauf ruft sie zur Sauberkeit auf: "Keep this planet blue and nazi-free." Sie besucht schon seit Jahren Demos gegen Rechtsextremismus. Und auch heute findet sie: "Es ist keinen Tag zu früh, für die Demokratie einzustehen." Auch auf der letzten Kundgebung am Siegestor war sie dabei, seitdem beobachtet sie einen positiven Ruck gegen rechts quer durch die Gesellschaft. Von den "Remigrations"-Plänen von AfD und Rechten ist sie nach wie vor schockiert: "Das muss man sich mal vorstellen. Ein Land ohne Menschen mit Migrationshintergründen - das Land würde stillstehen."

"Jemand hat 'Ausländer raus' gerufen und niemand hat was gesagt"

Sophia (17) aus München, Sophie (17) aus Freising und Siri (16) aus München sind schon eine Stunde vor Beginn der Demonstration auf der Theresienwiese. Sie sind Teil des Awareness-Teams. Wenn jemand einen Übergriff beobachtet oder erlebt, sind sie zur Stelle. Alle drei engagieren sich gegen rechts: bei "Fridays for Future", bei der Antifa und im Jugendstadtrat. Heute sind sie da, weil sie auch in ihrer Altersgruppe einen Rechtsruck beobachten. Auf Social Media, aber auch am vergangenen Wochenende auf einem Karnevalsumzug. Sophia erzählt: "Da hat jemand 'Ausländer raus' gerufen und niemand hat was gesagt."

Wenn Verwandte zu "Querdenkern" werden

Esther Ludewig und Gregor Naujoks (beide 20) aus München haben die jüngste Kundgebung vor drei Wochen am Siegestor verpasst. Sie waren krank, wären aber eigentlich auf jeden Fall dabei gewesen. Für Gregor ist es sehr wichtig, hier zu sein. Seit 2020 drifte eine nahe Verwandte nach rechts ab und zählt sich zur "Querdenker"-Bewegung: "Für mich ist es ein persönliches Anliegen, so viele Zeichen gegen rechts wie möglich zu setzen."

Von Emotionen überwältigt

Thomas Mitter (Foto: Leon Lindenberger)

Thomas Mitter (46) ist von den Menschenmengen und seinen Emotionen überwältigt. Mit Tränen in den Augen erzählt er, dass er bei der Demo am Siegestor leider nicht dabei sein konnte: "Aber jetzt bin ich hier, und so viele andere Menschen auch. Das finde ich einfach toll!"

"Wegen kultureller Unterschiede auszugrenzen ist bescheuert"

Azmaeen, Student in München (Foto: Leon Lindenberger)

Azmaeen (26) lebt seit drei Monaten in München. Er kommt aus Bangladesch, "a million miles away." An der TU München studiert er Informatik. Von der heutigen Veranstaltung weiß er dank eines Instagram-Posts der MVG. Er ist alleine gekommen, denn die Idee des "Lichtermeers" liege ihm am Herzen: "Menschen wegen ihrer kulturellen Unterschiede auszugrenzen ist bescheuert. Kein Mensch ist weniger wert als der andere." Azmaeen ist im Bilde, worüber die deutsche Gesellschaft aktuell diskutiert: "Die AfD und ihre Fantasie von 'Remigration' erschrecken mich."

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