Wahlkampf:Immer schön locker bleiben

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Die SPD spricht sich in Keferloh Mut für die Landtagswahl zu. Spitzenkandidatin Natascha Kohnen und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter setzen auf das Thema Wohnen

Von Martin Mühlfenzl, Grasbrunn

Johanna Hagn hat es sich in der zweiten Reihe gemütlich gemacht, dort wo die Bierbänke voll sind. Vor ihr auf dem Tisch stecken einige rote Fähnchen mit den drei großen weißen Buchstaben locker in einem Masskrug. Und auch die Ismaninger Gemeinderätin ist eigentlich ganz locker drauf. "Ich seh das alles nicht so pessimistisch", sagt Hagn. "Es gibt noch so viele Unentschlossene, die uns hoffentlich wählen werden."

Hoffnung, die soll von diesem Samstag im Keferloher Festzelt ausgehen. Die Hoffnung, dass es für die Bayern-SPD bei der Landtagswahl am 14. Oktober doch nicht so knüppeldick kommt, wie es die Umfragen derzeit vorhersagen.

Die Sozialdemokraten im Landkreis haben für ihr traditionelles Treffen kurz vorm Keferloher Montag so ziemlich alles aufgefahren, was Rang und Namen hat. Allen voran die Spitzenkandidatin und Chefin der Landespartei, Natascha Kohnen aus Neubiberg, und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter, einer Umfrage zufolge hinter dem Nürnberger Ulrich Maly Bayerns zweitbeliebtester Bürgermeister.

"Erst mal locker bleiben."

Der Zweite schwingt sich also federnd auf die Bühne und sagt gleich zu Beginn einen erstaunlichen Satz. Die Genossen in Bayern, sagt Reiter, müssten "erst mal locker bleiben". Und übrigens, sagt Reiter: "Ich bin der beliebteste Bürgermeister Bayerns. Der Uli ist ja Franke." An einem anderen Franken, obwohl noch nicht in Keferloh anwesend, arbeiten sich die Sozialdemokraten im Festzelt intensiv ab. Ministerpräsident Markus Söder spricht ja erst an diesem Sonntag an selber Stelle, wenn die CSU den Wahlkampf so richtig einläutet.

Die Arroganz der Macht - also der noch sehr mächtigen CSU -, sagt Reiter sei nur schwer zu ertragen. Wenn aber das Parteienspektrum im Landtag noch weiter auseinander splittere und die CSU keinen starken Gegenpol mehr habe, "dann wird ihre Politik unerträglich". Reiter geht aber auch selbstkritisch mit seiner eigenen Partei um, die "im vergangenen Jahr gerade im Bund keine gute Figur abgegeben" habe. "Wir müssen die Frage klar beantworten: Was habe ich davon, wenn ich die SPD wähle?", sagt Reiter. "Und dazu gehören auch Anstand, Moral und eine glaubhafte Politik."

Den Wahlkampfauftritt von SPD-Chefin Natascha Kohnen, Münchens OB Dieter Reiter und Direktkandidatin Annette Ganssmüller-Maluche verfolgen rund 300 Zuhörer im Festzelt in Keferloh. (Foto: Claus Schunk)

Etwa beim Thema Wohnungsbau, das die Bayern-SPD zum großen Wahlkampfthema gemacht hat. Den Vorwurf seitens der Staatsregierung, die Kommunen und vor allem die Landeshauptstadt bauten zu wenige Wohnungen, kontert Reiter scharf: "Das müssen wir uns von Markus Söder, der 33 000 Wohnungen und 100 000 Mieter gleich mit verkauft hat, nicht sagen lassen. Das ärgert mich maßlos", spricht Reiter den umstrittenen Verkauf der staatseigenen Wohnungsbaugesellschaft GBW durch den damaligen Finanzminister Söder an. Das hören die etwas mehr als 300 Gäste im Festzelt gerne.

Die Sozialdemokraten wollen sich an diesem Samstag Mut machen und Mut zusprechen. Mut braucht auch Spitzenkandidatin Natascha Kohnen - und erhält Zuspruch von Münchens OB. "Natascha ist locker und macht das echt klasse", sagt Reiter. Die Angesprochene gibt sofort ein Bekenntnis zur eigenen Heimat ab. "Ich bin hier geboren und aufgewachsen. Ich liebe dieses Land", sagt sie. Auch deshalb stürze sie sich so intensiv in das Thema Wohnen. "Das ist die soziale Frage der kommenden Jahre und Jahrzehnte", ruft Kohnen ins Festzelt. Es gelte schlichtweg, ein Auseinanderreißen der Gesellschaft zu verhindern, sagt sie.

"Das Land muss bauen, aber es baut nicht."

"Als ich mit meinem Sohn Paul in Paris war, hat er mich gefragt, warum es hier keine Kinder gibt", sagt Kohnen. "Weil dort nur noch die oberen Zehntausend wohnen, dann kommen die Banlieus und dahinter wohnen die Familien. Wohnen aber ist ein Grundrecht. Wir müssen es den Menschen ermöglichen, dort zu leben, wo sie leben wollen."

Die Schuld an der Misere auf dem Wohnungsmarkt trage die CSU-geführte Staatsregierung, kritisiert Kohnen. "Das Land muss bauen, aber es baut nicht", sagt Kohnen - obwohl dies in der bayerischen Verfassung verankert sei. "Es braucht eine bayerische, staatliche Wohnungsbaugesellschaft." Die Ankündigung Söders, in den kommenden sieben Jahren zehntausend Wohnungen bauen zu wollen, bezeichnet Kohnen als Witz. "Es müssen mindestens 5000 im Jahr sein - und das geht. Wenn der politische Wille da ist."

Während sich die Sozialdemokraten in Keferloh am Aufbruch versuchen, demonstrieren weit entfernt in Chemnitz erneut rechte Gruppen. Doch für einen Moment ist die sächsische Stadt ganz nah - und es wird ruhig im Zelt, als Kohnen sich zu den Vorgängen äußert:. "Für uns als SPD ist es ganz wichtig, klare Haltung zu zeigen. Denn wenn Menschen hetzen und aufgehetzt werden, zerreißt das eine Gesellschaft."

"Yes, i can."

Aufrecht bleiben und locker machen. Annette Ganssmüller-Maluche, stilecht im Dirndl, gelingt das in Keferloh. Der Auftritt der Direktkandidatin im Stimmkreis München-Land Nord ist selbstbewusst und kämpferisch. Sie wolle das Direktmandat gewinnen, sagt die Ismaningerin und bedient sich bei Barack Obama: "Yes, i can." So wie es die SPD im Allgemeinen könne, sagt Ganssmüller-Maluche: "Schaut stolz auf eure Partei. Wir, die SPD, bestimmen die Politik vor Ort." Die SPD sei die Partei der sozialen Gerechtigkeit, die sich dafür einsetze, dass "Arbeit anständig entlohnt wird".

Mit viel Applaus wird Münchens OB Dieter Reiter im Festzelt empfangen - Umfragen zufolge der zweitbeliebteste SPD-Politiker im Freistaat. (Foto: Claus Schunk)

Wer sie wähle, sagt sie, bekomme eine "Volkspolitikerin". "Lasst uns kämpfen, jetzt." Natascha Kohnen ruft den Genossen zu: "Kämpft, lauft, lauft, lauft."

In der anschließenden Bürgersprechstunde stellen sich Reiter und Kohnen auf der Bühne noch einigen Fragen - von der Rente bis zur Grundsteuer. Um ein Thema kommt Dieter Reiter allerdings herum: die MVV-Tarifreform, die Ganssmüller-Maluche bei ihrem Auftritt zuvor heftig kritisierte. Da kann der OB ganz locker bleiben.

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