Prävention:Ein paar Klicks mit schwerwiegenden Folgen

Lesezeit: 3 min

Justizminister Georg Eisenreich stellt die Kampagne in Unterhaching vor. (Foto: Claus Schunk)

Das bayerische Justizministerium will Jugendliche mit einer Kampagne über die Tücken bei der Handynutzung aufklären. Am Lise-Meitner-Gymnasium in Unterhaching diskutieren Minister Georg Eisenreich und Jugendrichter Christian Gassner mit den Schülerinnen und Schülern darüber, wie schnell man sich strafbar macht.

Von Patrik Stäbler, Unterhaching

Falco Punch hält sein Handy in die Kamera - mithin jenes Gerät, mit dem der 27-Jährige sein Geld verdient. Im nächsten Moment schwingt der Influencer, der bei der Videoplattform Tiktok mehr als 13 Millionen Follower hat, das Smartphone wie einen Zauberstab - und schwupps ist daraus eine Pistole geworden. Es sind dies nur wenige Sekunden aus einem Video des bayerischen Justizministeriums und doch bringen sie die Sache auf den Punkt. "Mach dein Handy nicht zur Waffe", heißt die zugehörige Kampagne, die Kinder und Jugendliche über strafbare Inhalte auf Handys aufklären soll. Unter anderem mit jenem zweiminütigen Kurzfilm von Falco Punch, der am Lise-Meitner-Gymnasium in Unterhaching gedreht wurde.

Dort flimmert das Video an diesem Vormittag über die große Leinwand in der Aula, wo knapp 200 Schüler und Schülerinnen der neunten und zehnten Klassen im Beisein von Justizminister Georg Eisenreich (CSU) mehr über die Gefahren erfahren sollen, die im Umgang mit jenem Gerät lauern, das ihren Alltag wie nichts anderes bestimmt. Erst neulich habe sie einer Schülerin gesagt, dass an ihrem Gymnasium im Falle von unerlaubter Handynutzung das Smartphone - im Einverständnis mit den Eltern - auch mal für einige Tage einkassiert werde, erzählt Schulleiterin Michaela Trinder. Daraufhin habe das Mädchen sie völlig entgeistert angesehen und protestiert: "Das können Sie nicht tun. Da sind alle meine Fotos und Kontakte drauf, damit organisiere ich meinen Alltag, und das Handy brauche ich auch als Arbeitsgerät für Hausaufgaben und Referate." Kurzum, das Smartphone ist ein integraler Bestandteil der Lebenswelt dieser Schülerin - und so ist das nicht nur bei ihr.

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Wovon viele junge Menschen aber zu wenig wüssten, seien die Gefahren durch "nachlässige, unbedachte und manchmal auch vorsätzliche Handynutzung", sagt Jugendrichter Christian Gassner. Er warnt die Schülerinnen und Schüler in seinem Vortrag eindringlich davor, dass man sich im Internet ungleich schneller strafbar machen könne als in der analogen Welt. "Weil die Hemmschwelle viel geringer ist", sagt Gassner. Und, wie Minister Eisenreich später betont: "Weil es schnell passiert ist. Nur ein paar Klicks, und schon ist ein scheinbar lustiges Foto oder Video geteilt." Was freilich schwerwiegende Folgen haben kann - sofern es pornografische oder beleidigende Inhalte, verbotene Aufnahmen etwa aus dem Klassenzimmer, Nacktfotos, Beleidigungen oder illegale Symbole wie Hakenkreuze sind.

Jugendrichter Christian Gassner warnt vor nachlässiger und unbedachter Handynutzung. (Foto: Claus Schunk)

Vor allem vor kinderpornografischen Bildern warnt der Jugendrichter am Amtsgericht München, schließlich haben sich die Deliktzahlen hier seit 2018 mehr als verzehnfacht. So stellte die Polizei vor fünf Jahren bundesweit noch 1373 Delikte in diesem Bereich fest; im Jahr 2022 waren es dann schon mehr als 14 700. "Bereits der Besitz solcher schmutziger Bilder ist strafbar", betont Christian Gassner. Bekomme man ein solches Foto zugeschickt oder stoße im Klassenchat bei Whatsapp darauf, sollte man dies bei Schule oder Polizei melden, rät er. "Und danach müsst ihr diesen Dreck sofort löschen, sonst seid Ihr selbst dran."

Die Kontrollfrage: Würde ich mich in der analogen Welt auch so verhalten?

Viel Unwissenheit bei jungen Menschen treffe er im Gerichtssaal auch beim Thema Hakenkreuze und SS-Runen an, sagt Gassner. So sei das Verschicken derartiger Symbole strafbar, auch wenn diese als vermeintlich lustige Sticker daherkämen. Gleiches gelte für hetzerische, antisemitische und rassistische Inhalte, ebenso für Aufnahmen von Prügeleien auf dem Schulhof. Um sich zu schützen, sollten sich Schülerinnen und Schüler bei allen Internetposts und Chatnachrichten stets zwei Kontrollfragen stellen, empfiehlt der Jugendrichter. Erstens: "Würde ich wollen, dass mir so etwas geschieht?" Und zweitens: Würde ich mich in der analogen Welt auch so verhalten?"

Vor dem Hintergrund der rasant steigenden Deliktzahlen, erzählt hinterher Georg Eisenreich, habe seine Behörde gemeinsam mit dem Kultusministerium die Kampagne "Mach dein Handy nicht zur Waffe" entwickelt - inklusive jenes Videos mit Falco Punch. Das Ziel sei es, "Schülerinnen und Schüler zu sensibilisieren und einen Beitrag zur Prävention zu leisten". Er erhoffe sich dadurch, dass mehr Kinder und Jugendliche in puncto Handynutzung künftig "erst nachdenken, bevor sie etwas sagen oder tun", erklärt der Minister. Und merkt dann noch an: "Dieser Grundsatz gilt an vielen Stellen - auch in der Politik."

Die Schülerinnen und Schüler des Lise-Meitner-Gymnasiums haben viele Fragen an den Minister und den Jugendrichter. (Foto: Claus Schunk)

Bei den Gymnasiastinnen und Gymnasiasten in Unterhaching jedenfalls scheinen die mahnende Worte Gehör zu finden: Nachdem sie dem einstündigen Vortrag des Jugendrichters gebannt gelauscht haben, stellen sie noch zahlreiche Fragen. Wie es mit Beleidigungen in einem Streitgespräch bei Whatsapp aussehe, will etwa ein Schüler wissen. "Auch das kann strafbar sein", antwortet Gassner. "Das ist das Gleiche, wie wenn man sich gegenübersteht und streitet." Derweil erkundigt sich ein weiterer Gymnasiast mit hörbar besorgtem Unterton, ab wann eine Beleidigung verjähre. "Das kannst du nicht absitzen, das dauert dafür zu lange", erklärt Christian Gassner, ehe Georg Eisenreich dem Fragesteller empfiehlt: "Das Beste ist, du gehst zu dem hin und entschuldigst dich."

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