Brandschutz:O du gefährliche

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Von Kerzen geht in Kirchen nach Ansicht von Experten weniger Gefahr aus als von veralteter Elektrik. (Foto: Imago)

Zu Weihnachten sind die Kirchen voll. Dabei erfüllen sie selten die Brandschutz-Auflagen. Die Feuerwehr sieht die Risiken nicht im Kerzenlicht.

Von Iris Hilberth

Am Sonntag brennt auch das vierte Lichtlein. Links neben dem Altar von St. Alto in Unterhaching verkündet der große Adventskranz mit seinen dicken Kerzen, auf denen die kleinen Flammen tanzen, dass bald Weihnachten ist. In der staden Zeit taucht der Kerzenschein die Gotteshäuser bei Messen und festlichen Konzerten in ein warmes, feierliches Licht.

Eine Kirche ohne Kerzen ist nicht denkbar. Zu den allzeit aufgestellten Opferkerzen kommen an Weihnachten noch die besonderen hinzu, etwa das Friedenslicht, das Pfadfinder in Oberschleißheim gerade zum Abendgottesdienst in St. Wilhelm getragen haben. Mancherorts gibt es auch den Brauch, dass Kinder am Heiligen Abend ihre eigenen Kerzen an diesem Licht anzünden dürfen. Aber ist das nicht gefährlich, gerade in der Weihnachtszeit, wenn sich mehr Menschen als sonst in den Kirchen versammeln?

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Josef Vielhuber, Kreisbrandrat des Landkreises München, winkt ab. "Kerzen sind nicht das große Problem, wenn die runterbrennen, steht nicht gleich die Kirche in Flammen." Eine Überhitzung könne in den großen und hohen Gebäuden kaum stattfinden, allerhöchstens in Nebenräumen. Zudem befänden sich die Kerzen in nicht brennbaren Ständern, auch der Altar sei aus Stein.

Bauarbeiten bergen ebenfalls Gefahren

Die Christbäume würden ohnehin mit elektrischen Kerzen bestückt, die überprüft werden müssen. "Wenn wirklich mal ein Adventskranz Feuer fangen sollte, wird außer einer Verrußung nichts weiter passieren", ist sich Vielhuber sicher. Im Sinne des Brandschutzes viel problematischer seien die elektrischen Leitungen, denn die Elektroinstallationen in Kirchen sind mitunter veraltet. Bauarbeiten bergen ebenfalls Gefahren.

Tatsächlich ist der Brand von Notre-Dame in Paris oder von St. Peter in Wörth bei Erding am Ostersonntag 2016 auf solche Ursachen zurückzuführen. Und als vor drei Jahren in Unterhaching kurz vor dem Jahreswechsel in St. Birgitta zwei Christbäume und die Weihnachtskrippe brannten, stellte sich hinterher heraus, dass es Brandstiftung war. Zwei Kinder hatten in der Kirche gespielt und dabei das Feuer verursacht. Zufällig wurden die Flammen damals bemerkt, eine Gemeindemitarbeiterin griff beherzt zur Gießkanne und hatte die Flammen schon gelöscht, als die Feuerwehr eintraf. Eine starke Rauch- und Rußentwicklung machte dennoch die vorübergehende Sperrung der Kirche notwendig.

So etwas passiert allerdings äußerst selten. Doch es könnte auch heute noch genauso ablaufen. Denn Feuerlöscher gibt es in der Unterhachinger Kirche nicht, der nächste hängt im benachbarten Pfarrhaus. Auch eine Brandmeldeanlage existiert weiterhin nicht, wie Kirchenpflegerin Michaela Thurnes bestätigt. Man hält es bei St. Birgitta aber für sehr unwahrscheinlich, dass hier noch einmal ein Feuer ausbrechen könnte. "Nachts brennen hier keine Kerzen, bis auf das ewig Licht", sagt die Kirchenpflegerin.

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Tatsächlich gibt es keine gesetzlichen Vorschriften zum Brandschutz in Kirchen, wie sie für andere öffentliche Gebäude gelten. Denn Kirchen nehmen in der Versammlungsstättenverordnung eine Sonderrolle ein: Sie gelten - kaum zu glauben - schlichtweg nicht als Versammlungsstätten. Damit soll verhindert werden, dass die Anforderungen zu hoch werden und die Religionsfreiheit eingeschränkt werden könnte.

Würden Maßstäbe wie an andere Gebäude mit Versammlungsräumen für mehr als 200 Besucher angelegt, etwa strenge Regeln für Rettungswege, Flächen für die Feuerwehr und Ausstattung vorgeschrieben, stünden bei den alten Bauwerken die Betreiber wohl häufig vor der gleichen Frage wie Besitzer von öffentlichen Gebäuden aus den Siebzigerjahren: aufwendig sanieren und umbauen oder gleich abreißen und neu bauen?

"In St. Stefan gibt es auch Feuerlöscher."

Gleichwohl vertrauen die Kirchen nicht allein auf Gott, was den Brandschutz angeht. Zuständig sind allerdings die jeweiligen Kirchengemeinden. Kreisbrandrat Vielhuber berichtet von regelmäßigen Feuerbeschauen mit der örtlichen Feuerwehr etwa in seiner Heimatgemeinde Oberhaching. "In St. Stefan gibt es auch Feuerlöscher", sagt er. Diese Begehungen werden vom Erzbischöflichen Ordinariat München empfohlen. "Einen zentralen Brandschutzbeauftragten gibt es zwar nicht", sagt Sprecherin Ursula Hinterberger. Die Architekten und Ingenieure der Bauabteilung berieten aber die Gemeinden, etwa bei Sanierungen.

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Ähnlich handhabt es das Evangelisch-Lutherische Dekanat München. Nach den Worten von Stefan Neukamm, Leiter der Abteilung Bauen und Liegenschaften, gibt es regelmäßige Feuerbeschauen, bei denen auf Fehler hingewiesen wird, etwa wenn Fluchtwege verstellt sind. "Häufig werden Türme als Lagerräume genutzt, das geht natürlich nicht", sagt er. Die Installation von Rauchmeldern würde laut Vielhuber hingegen wenig Sinn machen. "Es schläft ja keiner in der Kirche." Unterhachings Kirchenpflegerin Thurnes ergänzt mit Blick auf den Weihrauch: "Die würden jeden Sonntag beim Gottesdienst Alarm schlagen."

Zur Schadensverhütung hat die Versicherungskammer Bayern (VKB) ein eigenes "Risk-Management" für die Kirchen unter ihren Kunden entwickelt. Denn, so die Versicherung: "Auch kleine Brände können große Schäden verursachen."

Deshalb rät man zu feuerbeständigen Abtrennungen zwischen Kirchenschiff und anschließenden Räumen, gibt Tipps, um Kurzschlüsse oder Überhitzung in elektrischen Leitungen, Beleuchtungen und Heizungen zu vermeiden, und empfiehlt für bestimmte Teile der Kirche wie Dachgeschoss, Turm, Orgelbereiche und Beichtstühlen Brandmeldeanlagen. Kerzen sollten ausreichend Sicherheitsabstand zu brennbaren Materialien wie Holzverkleidung, Vorhängen und Holzstatuen haben, für Opferkerzen soll ein stabiler, fest montierter Kerzentisch verwendet werden. Auch rät die VKB zu einem schnell verfügbaren Feuerlöscher.

Beim Brandschutz in Kirchen geht es meist auch um die Bewahrung von Kunst- und Kulturgut. Um den Feuerwehren im Landkreis für den Notfall einen detaillierten Einsatzplan zur Rettung an die Hand zu geben, hat der Kreisfeuerwehrverband München begonnen, für Gebäude mit schützenswertem Inventar Räumungsplanungen vorzubereiten. Für das Neue Schloss Schleißheim gibt es die bereits, jetzt soll für einige Kirchen ein solches Konzept erstellt werden. Bevor es brennt.

© SZ vom 21.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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