Geschichte der Gadgets:"Praktisch denken - Elektrisches schenken!"

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Die Anzeige, in der elektrische Geräte als Weihnachtsgeschenke angepriesen werden, ist dem Nachrichtenblatt der "Bayerischen Electricitäts Lieferungs Gesellschaft" vom Dezember 1930 entnommen. (Foto: Bayerisches Wirtschaftsarchiv)

Tablets, Smartphones, Fitnesstracker - Weihnachten ist das Fest der Stromfresser. Doch schon vor fast 100 Jahren warb die "Bayerische Electrizitäts Lieferungs Gesellschaft" für moderne Haushaltsgeräte.

Von Hans Kratzer, München

Längst ist Weihnachten nicht mehr nur ein Hochfest des Glaubens, sondern vor allem ein Fixpunkt der Elektronikbranche, deren Produkte einen festen Platz unterm Christbaum haben. Zu den beliebtesten Weihnachtsgeschenken zählen auch in diesem Jahr wieder elektronische Produkte wie Fitnesstracker (intelligente Armbänder), Tablet-Computer, Spielekonsolen, Fernsehgeräte und Smartphones. Dass diese Entwicklung schon viel früher begonnen hat, als man allgemein vermuten möchte, belegt der aktuelle Weihnachtsbrief des Bayerischen Wirtschaftsarchivs. Er enthält einen interessanten Absatz, der gerade mit Blick auf die aktuellen Topthemen Energieverbrauch und Klimawandel zum Nachdenken anregt.

"Praktisch denken - Was Elektrisches schenken!" Mit diesem Motto warb die "Bayerische Electrizitäts Lieferungs Gesellschaft" im Dezember 1930 für ihre Weihnachtsgeschenke. Es war in puncto Elektrizität noch eine weitgehend unschuldige Zeit voller Verheißungen. Mit Kerzen notdürftig erleuchtete Häuser verwandelten sich plötzlich in sonnenhelle Wohnstätten, händische Schwerstarbeit auf den Höfen und in den Fabriken wurden nun mit spielerischer Leichtigkeit verrichtet, die Mobilität sprengte ihre engen Grenzen.

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Obwohl damals noch lange nicht alle Landesteile ans Stromnetz angeschlossen waren, war das Angebot an Elektrogeräten bereits übergroß. Das zeigt sich besonders beim Blick in alte Werbebroschüren. Darin wurden beispielsweise Brennscherenwärmer für "den Backfisch mit der schicken Wellenfrisur" angeboten. Der elektrische Leuchtofen Furniculus wurde dem gesetzten Herrn fortgeschrittenen Alters ans Käuferherz gelegt. 20 Reichsmark musste der Käufer dafür auf den Tisch legen, die ökologischen Folgen des wachsenden Energieverbrauchs waren noch nicht im Entferntesten absehbar. Während viele Verbraucher heute den Stromverbrauch ihrer Geräte kritisch prüfen, unternahm das Bayreuther Unternehmen bereits vor 88 Jahren alles werblich Mögliche, um den Verbrauch anzukurbeln.

Das Nachrichtenblatt der "Bayerischen Electrizitäts Lieferungs Gesellschaft" packte mit Blick auf ihre "praktischen Weihnachtsgeschenke" die Männer häufig bei ihrer Ehre. "Haben Sie schon, lieber Ehemann, daran gedacht, dass ein Fönapparat, eine Kaffee- oder Teemaschine, ein Vampyr-Staubsauger, oder gar eine elektrische Waschmaschine der stille Wunsch jeder Hausfrau sind?" In diesem Stil wurde dafür geworben, dass Wasserkocher, Heizkissen und Tauchsieder in keinem Haushalt fehlen sollten. Ebenso wenig ein elektrisches Bügeleisen mit zu regulierender Bügeltemperatur, die Bratröhre Carnifix und die elektrische Nähmaschine.

Für den Herrn wurden elektrisch beleuchtete Rasierspiegel offeriert, dazu Zigarrenanzünder und Rauchverzehrer. Als Krönung aber wurde 1930 der Rundfunkapparat anempfohlen, der sich, Hinweis an die Frauen, bereits nach kurzer Zeit selbst bezahlt mache. "Wird doch durch ihn der Mann viel mehr ans Haus gefesselt wie bisher und mancher unsolide Ehemann ist als Opfer des Rundfunks an seinem Stammtisch ein selten gesehener Gast geworden."

"Es war alles nicht so viel anders als heute"

Sogar die elektrische Kirchenbeheizung und elektrische Weihnachtskerzen gehörten bereits zum Repertoire. Und das in schweren Zeiten, in denen das Geld allgemein knapp war. Aber das Land Bayern war in Sachen Elektrizität überhaupt früh dran. Gerd Hirzinger, der langjährige Leiter des Instituts für Robotik und Mechatronik des deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums (DLR), hegt keinen Zweifel daran, dass König Ludwig II. die technische Entwicklung massiv vorangetrieben hat.

Er habe bereits auf Dampfkraft und Elektrizität zurückgegriffen. "Bayern wurde unter ihm zu einem Vorreiter neuer Technologien", sagt Hirzinger. Tatsächlich besaß das Schloss Neuschwanstein bereits eine hochmoderne Zentralheizung. Gestaunt haben auch die Allgäuer Bergbauern, die ihren König ungläubig beobachteten, wie er mit seinem Puttenschlitten durch die nächtliche Einsamkeit ihrer Wälder glitt. Was sie sahen, war eine Weltsensation. Ludwigs Schlitten war bereits 1879 elektrifiziert, und zwar durch eine Kohlefaden-Glühlampe, die sich kaum vom heutigen Standard unterscheidet.

Eva Moser, die Leiterin des Bayerischen Wirtschaftsarchivs, zitiert, um die Tragweite dieser Neuerung zu ermessen, gerne den Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe, der sich seinerzeit Elektrizität so sehr gewünscht hätte. "Ich wüsste nichts was sie besseres erfinden könnten als dass die Lampen ohne Putzen brennten", schrieb er, schon ahnend, was da noch kommen würde. Bei der "Internationalen Elektricitäts-Ausstellung" 1882 im Münchner Glaspalast bot dann Oskar von Miller eine beeindruckende Show: Vom 57 Kilometer entfernten Miesbach aus ließ er elektrische Energie über eine Drahtleitung in den Glaspalast fließen, die dort einen künstlichen Wasserfall antrieb.

Die Visionen waren grenzenlos. Die Elektrizität würde eine arbeits- und ausbeutungsfreie Genussgesellschaft schaffen, glaubte und hoffte man. Trotzdem: Die Bauern des Oberlands standen der Elektrizität anfangs skeptisch gegenüber. Bisweilen stießen die Gründungsmitglieder der jungen, seit 1904 bestehenden Isarwerke GmbH auf eisiges Schweigen, wenn sie in den Wirtshäusern für den Anschluss an ihr Leitungsnetz warben. Gelegentlich soll ein Direktor versucht haben, mit Zauberkunststücken die Stimmung etwas zu heben.

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Immerhin ging es darum, dass einfache Bauern, die Jahrhunderte lang zu einem einfachen Leben gezwungen und dies gewohnt waren, ihre Lebensweise ändern sollten. Auch an Weihnachten, einer Zeit, in der auf den Höfen im Einklang mit der ruhenden Natur alles dunkel und still war. Es war eine Zeit der Besinnung. Und auch Geschenke gab es kaum, wenn überhaupt, bekamen Kinder selbstgeschnitzte Sachen oder Nüsse. "Das weihnachtliche Schenken setzte erst im 19. Jahrhundert in der Stadt so richtig ein", sagt die Historikerin Cornelia Oelwein. Beliebt waren Lebkuchen, mit Glanzbildern obendrauf. "Und Orangen waren eine Sensation", sagt Frau Oelwein, sie standen auf einer Wertigkeitsstufe mit heutigen Smartphones.

Nach dem Krieg begann der Siegeszug des Kommerzes, Weihnachten verwandelte sich in ein Konsumfest. Elektrogeräte waren von da an auf dem Gabentisch unverzichtbar. In den 50er Jahren waren an den Sonntagen vor Weihnachten die Geschäfte geöffnet. Zeitungsberichten zufolge hat es in den Kaufhäusern zeitweise "ein beängstigendes Gedränge" gegeben. "Es war alles nicht so viel anders als heute", sagt Eva Moser. Immerhin sah man bereits die Gefahren dieser Entwicklung. Eindringlich wurde davor gewarnt, dass "die Stimmung der Vorweihnacht im Gedränge um das preiswerte Geschenk untergehen könnte."

Dieser Text erschien ursprünglich in der SZ vom 17.12.2019

© SZ vom 17.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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