KI im Konzert:Wenn der Computer dazwischenquatscht

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Bei einem experimentellen Liederabend des Klassik-Kollektivs Hidalgo versuchen Mensch und künstliche Intelligenz, gemeinsam zu musizieren.

Von Rita Argauer

Künstliche Intelligenz ist künstlerisch beschränkt. Das ist keine große Überraschung, aber ausschlaggebend beim Liederabend "Who are you". Das junge Klassik-Kollektiv Hidalgo ist hierfür mit Sängerin Theresa Pilsl, einem Streichertrio, zwei elektronischen Musikern und viel Technik in die Microsoft Zentrale gezogen, um im Foyer auszuloten wie Musik und KI zusammengehen. Doch wenn zu Beginn eine schmeichelnde Computerstimme betont, der Ausübung von Musik zur letztmöglichen Perfektion zu verhelfen, dämmert's schon: Der große Zauber von Musik liegt jenseits davon.

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Es folgt eine einstündige Beweisführung gegen die musikalischen Fähigkeiten von KI. Beginnt rein thematisch, noch völlig ohne Computer, mit dem hinreißend schön für Streichtrio arrangierten Schubert-Goethe-Lied "Die Grenzen der Menschheit": "Mit Göttern soll sich nicht messen..." Das interessiert die KI erst mal gar nicht, nach der dritten Strophe quatscht sie dazwischen und schlägt bessere Singhaltungen vor. Ein bisschen ein seltsamer Slapstick folgt. Und schließlich die Einsicht: Die menschlichen Sing-Tipps, etwa einzelne Töne wie Kirschen von Bäumen pflücken, sind viel besser, wenn auch weniger logisch als die KI-Ansage, man möge doch bitte den Gelenkpunkt Nummer 37 stärker abwinkeln. Ähnlich ist das musikalisch: Wenn Synthie-Geflimmer die Streichertöne verlängert, wird das klangliche Spektrum zwar breiter, die tonalen Strukturen aber langweilig. Die Musik verkommt zur Atmo.

Das wussten natürlich auch die Macher schon vorher. Deshalb führt die Aufführung von "Gretchen am Spinnrade" in den Glitch, den Softwarefehler. Steckenbleiben und Störgeräusch sind aber auch in der Computermusik tausendmal interessanter als errechnete Schönheit. "Mein armer Kopf ist mir verrückt", singt Gretchen, welch ein Glück! Mit Mahlers "Urlicht" folgt musikalisch erschaffene Göttlichkeit, und die KI ist künstlerisch von der fehlbaren Menschlichkeit ausgebootet. Quod erat demonstrandum.

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