Bayerische Staatsbibliothek:Wellenreiten

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Die "Große Welle" von Katsushika Hokusai: Der Farbholzschnitt entstand in den Jahren 1830/32 und gehört zu Hokusais berühmter Serie "36 Ansichten des Berges Fuji". (Foto: Bayerische Staatsbibliothek)

Münchens Eisbachsurfer bekommen Konkurrenz: Die Bayerische Staatsbibliothek hat die berühmte "Große Welle" von Hokusai gekauft und musste dafür gut eine Million Euro locker machen - ein Schnäppchen.

Von Evelyn Vogel

Mit Wellen kennen die Münchner sich aus. Schließlich ist die Eisbachwelle eines der Aushängeschilder der Stadt. Nun rollt eine andere große Welle auf die Stadt zu, und diese ist nicht minder populär. Üblicherweise schwappt sie über T-Shirts und Taschen, Hemden und Caps, Teller und Flaschen, umspült die Zeiger von Armbanduhren, türmt sich auf in Puzzles und nicht zuletzt hat sie sich in Form von Postern tausendfach in die Wohn- und Kinderzimmer dieser Welt ergossen: Die "Große Welle" von Hokusai. Die Bayerische Staatsbibliothek (BSB) reitet diese große Welle natürlich nicht in Form von Merchandising-Artikeln, sondern bringt sie als Original hierher.

Denn sie hat den Farbholzschnitt, den Katsushika Hokusai (1760 - 1849) ursprünglich unter dem Titel "Unter der Welle im Meer vor Kanagawa" in seiner berühmten Holzschnittserie "36 Ansichten des Berges Fuji" 1830/32 geschaffen hat, kürzlich erworben. Das Blatt stammt aus einer deutschen Privatsammlung, wie die BSB auf Nachfrage mitteilt. Einen Betrag im "unteren siebenstelligen Bereich", also wohl etwas mehr als eine Million Euro, hat man dafür locker machen müssen. Das Geld konnte man nach Auskunft von Generaldirektor Klaus Ceynowa aus Rücklagen von Drittmitteln aufbringen.

Das "Gewitter am Fuße des Fuji" aus der Serie "Ansichten des Berges Fuji" von Katsushika Hokusai konnte die Bayerische Staatsbibliothek schon vor einigen Monaten erwerben. (Foto: BSB/Res/4 L.jap. K 403)

Das Blatt ist eine Art Schluss- und Höhepunkt einer Reihe von Erwerbungen von Werken Hokusais durch die BSB. Denn schon in den zurückliegenden Monaten hat die Bibliothek die Hokusai-Holzschnitte "Gewitter am Fuße des Fuji" sowie "Südwind und klares Wetter", auch bekannt als "Roter Fuji", aus japanischen Privatsammlungen erworben. Insgesamt befänden sich nun sechs Hokusai-Fuji-Ansichten in der Japan-Sammlung der BSB, die etwa 900 Einblattdrucke umfasst, so Ceynowa.

Diese und etliches mehr sollen in der für 2025 geplanten Jahresausstellung gezeigt werden, mit der man sich der Sammlung japanischer Farbholzschnitte widmen wird. Und - soviel sei verraten - auch dem Thema Manga. Was einen Bogen zu Hokusai schlägt, der den Begriff, der so viel wie zwangloses, ungezügeltes Bild bedeutet, zwar nicht im heutigen Sinne benutzte, ihn aber populär machte, weil er einige seiner Skizzen "Hokusai Mangas" nannte.

Kürzlich wurde eine Hokusai-Welle in New York für 2,76 Millionen Dollar versteigert

Nun ist eine gute Million Euro ziemlich viel Geld für ein Druckblatt, von dem es schon zur Entstehungszeit wer weiß wie viele Abzüge gab. Doch kürzlich wurde eine Hokusai-Welle für 2,76 Millionen Dollar bei Christie's in New York versteigert. Ein neuer Rekord. Das Blatt zählt nach Ansicht von Experten zu den zwanzig am besten erhaltenen Exemplaren des Hokusai-Bildes.

Tatsächlich ist nicht bekannt, wie viele Blätter auf Hokusais Original-Holzstock gedruckt wurden. Manche schätzen, es könnten an die 8000 gewesen sein. Thomas Tabery, Leiter der Orient- und Asienabteilung der BSB, glaubt: "Es waren auf jeden Fall viele." Denn die Ansichten des Fuji und ganz besonders die "Große Welle" wurden schon kurz nach ihrer Entstehung sehr populär, sagt Tabery. "Farbholzschnitte waren damals für die breite Masse gedacht, wurden in großen Auflagen hergestellt und hingen wohl überall", erzählt er.

"Aus Privatsammlungen tauchen immer wieder Blätter auf. Aber manches ist auch früh schon in Museen und große Sammlungen gegangen", weiß Tabery. Originaldrucke befinden sich heute unter anderem im Britischen Museum in London, im Metropolitan Museum of Art New York, im Nationalmuseum Tokyo sowie im dem Künstler gewidmeten Sumida Hokusai Museum in Tokyo. In Deutschland gibt es Originalexemplare der "Großen Welle" beispielsweise im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg und im Museum für Ostasiatische Kunst in Köln.

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Aber Welle ist nicht gleich Welle. Bei der, die die BSB nun erstanden hat, sind beispielsweise die Boote fast farblos, während sie in anderen Auflagen gelb, mitunter sogar leicht orange aus den schaumgekrönten blauen Wellenbergen auftauchen. "Das Gelb ist vorhanden, aber sehr schwach", bestätigt Tabery. Dennoch sei die Qualität der Münchner Welle hervorragend. Die Farben des etwa 37 auf 26 Zentimeter großen Farbholzschnitts seien kaum verblasst. Dass so wenig Gelb vorhanden sei, komme daher, dass bei jedem Druck unterschiedlich viel Farbe auf den Druckstock aufgetragen worden sei. Die Druckqualität selbst sei sehr hoch, auch feine Linie bestens erkennbar. "Das Blatt muss also sehr früh entstanden sein, als der Druckstock noch wenig abgenutzt war", sagt Tabery.

Dass das von der BSB erworbene Blatt aus den frühen 1830er-Jahren stammt, darauf deutet auch ein weiteres Indiz hin, das bei der technischen Materialuntersuchung entdeckt wurde. Um 1830 wurde das sogenannte Preußisch Blau ungemein populär. Auch Hokusai, der damals schon 70 Jahre alt war, verwendete es gern, weiß Tabery. Bei frühen Abzügen seien deshalb die Umrisslinien der "Großen Welle" blau wie bei der Münchner, bei späteren schwarz.

Wegen der Popularität des Motivs wurden die Platten später immer wieder neu geschnitten, um Reproduktionen herzustellen. Hätte es damals schon Merchandising gegeben, die "Große Welle" hätte Hokusai, der seine Bilder zeitweise auf der Straße verkaufen musste, um zu Geld zu kommen, vermutlich reich gemacht.

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