Fünf für München:Politik und Punkrock

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Davíd Wunderlich. (Foto: Cosima Weiske)

Davíd Wunderlich rechnet mit der Vorstadt ab, Johanna Soller wird künstlerische Leitung, Carlo Masala spricht bei einer Podiumsdiskussion.

Von Sonja Niesmann, Martina Scherf und Stefanie Witterauf

Punkrock

Einmal Punk, immer Punk. Als Teenager spielte Davíd Wunderlich in der Münchner Band Zoo Escape. Damals nahm er Platten im Proberaum auf, spielte Punkrock auf Demonstrationen und ärgerte sich über den Regionalzug, der höchsten einmal in der Stunde den bayerischen Vorort anfuhr, in dem Wunderlich aufgewachsen ist. Schon längst hat er sich von der schlechten Anbindung befreit, spielt nicht mehr in der Münchner Punkband, sondern ist Gitarrist bei der Band Aszendent Joghurt. Die machen zwar auch Punk, aber musikalisch hat sich Wunderlich trotzdem sehr verändert und studiert an der Musikhochschule Jazz. In sechs Songs blickt der Künstler nun auf seine Jugend zurück - besonders die problematische Seite als Teenager in der konservativen Einöde knöpft er sich vor. Alle Titel seines Soloprojekts seien Abrechnungen mit der Lethargie innerhalb dieser Welt. Einen Ort von sozialer Kälte, Monotonie und toxischer Männlichkeit, wie Wunderlich meint. Trotzdem will er in seinen Songs nicht in die komplette Verzweiflung abrutschen, ebenso nicht in eine nostalgische Romantisierung verfallen - und dabei alles musikalisch vielfältig.

Durch sein Studium hat sich Wunderlich neue Fähigkeiten angeeignet, um eine eigene Klangwelt zu gestalten. Denn Do-it-yourself (DIY) zieht sich durch seine Laufbahn, genauso wie der Punk. Auch seine Musikvideos hat Wunderlich etwa mithilfe von Künstlicher Intelligenz in Eigenregie produziert. Da wundert es nicht, dass er für seinen ersten Release als Solokünstler ein DIY-Medium gewählt hat: die Kassette. Für seine Veröffentlichung "First They've Built Their Walls" hat er sich mit dem Leipziger Musiklabel Unterschall zusammengeschlossen.

Partitur

Johanna Soller ist die neue künstlerische Leiterin des Münchener Bachchors und dessen Orchesters. (Foto: Simon Pauly)

Sie sei, sagt Johanna Soller, voller Vorfreude, mit diesem Ensemble sein "gigantisches Spektrum an gestalterischen Möglichkeiten" auszuschöpfen. Mit Beginn der Saison 2023/24 wird die Dirigentin, Cembalistin und Organistin künstlerische Leiterin beim Münchener Bachchor & Orchester, die erste Frau dort am Dirigentenpult. Die 33-Jährige hat in ihrer Karriere bereits mit international renommierten Chören und Orchestern gearbeitet, ist seit 2016 auch Organistin an Münchens ältester Stadtpfarrkirche Alter Peter und hat an der Hochschule für Musik und Theater einen Lehrauftrag für Generalbass- und Partiturspiel.

Pfandbecher

Die Münchner produzieren jede Stunde so viel Plastikmüll, dass man die komplette Bavaria damit füllen könnte. Dazu zählen auch To-go-Becher, denn fast alle der Pappbecher sind innen mit Kunststoff beschichtet und gehören nicht die Papiertonne. Seit Januar gilt bundesweit die Pflicht, Alternativen zu Einweg-Verpackung anzubieten. Schon davor hatten Fabian Eckert und Florian Pachaly ein Start-up gegründet, mit dem sie Mehrweggeschirr anbieten. Unter dem Namen Recup begannen die beiden 2016 in München, Pfandbecher in verschiedenen Größen für die Gastronomie zu vertreiben, 2020 kamen Pfandschalen unter der Marke Rebowl dazu. Der Kunde zahlt für den Becher einen Euro, für die Schale fünf Euro Pfand. Gibt er Becher und Schale an einer beliebigen Ausgabestelle zurück, bekommt er das Geld wieder. Die Reinigung der Gefäße erfolgt entweder beim teilnehmenden Betrieb oder bei einem regionalen Dienstleister. Nun wurden Eckert und Pachaly Finalisten des Sonderpreises Verpackung beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2023.

Politik

Carlo Masala. (Foto: Thomas Bartilla/imago)

Es dürfte ein spannender Abend werden, wenn zwei ausgewiesene Kenner Osteuropas aufeinandertreffen - und zwei Professoren, die nicht nur dozieren, sondern auch verständlich formulieren können: Carlo Masala, Politologe an der Universität der Bundeswehr München, ist als Militärexperte derzeit regelmäßiger Gast im Fernsehen. Martin Schulze Wessel, Historiker an der Ludwig-Maximilians-Universität, ist Experte für Ost- und Südosteuropastudien und hat Beziehungen nach Russland und in die Ukraine. Am Mittwoch, 4. Oktober, sollen beide in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften die Frage erörtern: "Russlands Angriff auf die Ukraine - Wie geht es weiter?" Moderiert wird das Gespräch von Cathrin Kahlweit, Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung in Wien. Masala beschreibt im Buch "Weltunordnung", wie die USA und ihre Verbündeten nach dem Ende des Kalten Kriegs davon ausgegangen seien, das internationale System nach eigenen Vorstellungen umgestalten zu können. "Doch der Traum von der Verwestlichung der Welt ist ausgeträumt." Europa müsse wieder lernen, "die Sprache der Macht nicht nur zu lesen, sondern sie auch zu sprechen." Schulze Wessel stellt den Krieg in den langen Kontext der russischen Expansion nach Westen. In "Der Fluch des Imperiums" (beide Bücher erschienen im Beck-Verlag) erklärt er, wie der ideologisch aufgeladene Ost-West-Konflikt im 19. Jahrhundert entstand und sich bis heute in den Köpfen der Moskauer Führung hält. "Was Deutschland nach 1945 gelang, steht Russland noch bevor: die Abkehr vom Imperium", schreibt er. Beginn 19 Uhr, Alfons-Goppel-Straße 11 (Residenz), Eintritt frei. Anmeldung unter: anmeldung@badw.de.

Personale

Jovana Reisinger. (Foto: Friedrich Bungert)

Es ist das erste Mal, dass das Queer Film Festival München (QFFM) einer Kunstschaffenden eine Personale widmet. Die Künstlerin Jovana Reisinger ist Artist im Focus und wird nicht nur am 14. Oktober ihren neuen Film im Arena-Kino, sondern ihr Gesamtwerk dort präsentieren. Reisinger bewegt sich nicht nur im Videobereich, sondern erschafft Kunst crossmedial und bezieht sich selbst mit ein. Ihre pink-glitzernde Selbstinszenierung etwa mit künstlichen Nägeln und Austernschlürfen auf dem Viktualienmarkt in Designerstücken kuratiert sie konsequent auf Instagram. Diese Darstellung gehört zu ihrem Werk, ebenso wie ihre Bücher und Filme.

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