Freizeit in Franken:Zu Weihnachten und Alladooch

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Himmlisches Gipfeltreffen: Sandra Schöttner reist 1996 als erstes Nürnberger Christkind in die USA. Vom Besuch bei Santa Claus in Chicago berichtet Siegfried Zelnhefer in seinem Buch "Das Nürnberger Christkind". (Foto: Stadt Nürnberg, Ursula Wagner/ars vivendi verlag GmbH, Cadolzburg)

Franken jenseits von Söder und Zwetschgenmännla? Gibt es! Freizeit-Tipps zu Weihnachten und Alladooch.

Von Jutta Czeguhn

"Dies Städtlein in der Stadt, aus Holz und Tuch gemacht, so flüchtig, wie es scheint, in seiner kurzen Pracht, ist doch von Ewigkeit. Mein Markt bleibt immer jung, solang' es Nürnberg gibt und die Erinnerung."

Den berühmten Prolog sprach Christkind Teresa Windschall heuer nicht wie sonst üblich vom Balkon der Frauenkirche, sondern hinter verschlossenen Türen. Immerhin wurde er live im BR-Fernsehen übertragen. Der Nürnberger Hauptmarkt, er blieb wüst und leer in diesem Advent. Deshalb hat auch das Christkind 2021 seinen Job 2021 ins Internet verlegt und dort jeden Tag das Türchen eines digitalen Adventskalenders geöffnet. Mal gab es Gedichte, mal Geschichten, mal zeigte Teresa Windschall, wie man Schneemannwäscheklammern bastelt. Am 24. Dezember öffnet sich nun das letzte Fenster.

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Schwindelfreies Christkind

Die 17-jährige Teresa reiht sich ein in eine lange Tradition interessanter Frauen, von denen nun ein neues lesenswertes Buch erzählt. Siegfried Zelnhefer hat die Geschichte des Nürnberger Christkinds und des Marktes aufgeschrieben, inklusive seiner Bemächtigung durch die Nationalsozialisten. Er ist ein Mann mit Expertise, war er doch 18 Jahre lang Pressechef der Stadt und damit auch Vorsitzender der Jury, die alle zwei Jahre das neue Christkind kürt. Seit 1948 haben 28 Mädchen und junge Frauen dieses ehrenvolle Amt bekleidet, mit goldener Krone und goldenem Mantel. Die spätere Nürnberger Volksschauspielerin Sophie Keeser war das erste Christkind nach dem Zweiten Weltkrieg. Es sollte da noch Jahrzehnte dauern, bis der Markt zum internationalen Touristenmagneten und das Christkind zu seinem Werbegesicht wurde. 1996 kam es in Amerika sogar zum himmlichen Gipfeltreffen mit Santa Claus. Seit 1969 können sich junge Nürnbergerinnen für das Ehrenamt bewerben. Sie müssen mindestens 1,60 Meter groß und vor allem schwindelfrei sein. Was seine Gründe hat: Da ist die niedrige Brüstung der zwölf Meter hoch gelegenen Empore an der Frauenkirche, wo das Christkind seinen Prolog zudem noch von einem erhöhten Podest aus vortragen muss. Teresa freut sich gewiss drauf in ihrem zweiten Jahr als Christkind.

"Das Nürnberger Christkind", Siegfried Zelnhefer, ars vivendi verlag, Cadolzburg. Der digitale Adventskalender des Nürnberger Christkinds unter www.christkindlesmarkt.de

Schneeballenschlacht auf dem Teller

Schmilzt nur im Mund: Als süßes Gebäck haben Schneeballen in Franken Tradition, zu Weihnachten und zur Kirchweih. Ein Rezeptvorschlag aus dem Buch "Nürnbergs Weihnachtsküche", erschienen im Hölker Verlag. (Foto: Lisa Nieschlag/Hölker Verlag)

"In Franken wird man nicht schlank, aber satt", hat Markus Söder einmal warnend verkündet. Nun denn, schmausen wir uns also mutig durch die kulinarische Heimat des Ministerpräsidenten, durch "Nürnbergs Weihnachtsküche". Ein gleichnamiges Buch mit appetitanregender Food- und Stadtfotografie, erschienen im Hölker Verlag, liefert schöne Rezeptvorschläge. Für Heilig Abend hoch im Kurs steht zunächst das "Nürnberger Gwerch", für den kleinen Hunger vor der Bescherung. Schon deshalb, weil die Welt ja seit geraumer Zeit ein einziges Gewerch, also Riesendurcheinander ist. Aus Rücksicht auf die Vegetarier unter uns und weil original fränkisches Metzgerhandwerk in München rar ist, wird das gehaltvolle Amuse Gueule im Glas aus rotem und schwarzem Presssack, Stadtwurst, Leberkäse und Ochsenmaulsalat dann doch verworfen. Am Ende siegt am 24. Dezember die süße Fraktion. Zum Kaffeetrinken gibt's Schneeballen. Die heißen so, weil sie den eisigen Wurfgeschossen recht ähnlich sehen. Man bekommt sie im ländlichen Westmittelfranken auch unterm Jahr, bei Rothenburger Bäckern sogar im Online-Shop, auf den Dörfern vor allem zur Kerwa (Kirchweih) oder traditionell als Gegengeschenk von Konfirmanden an Familie und Freunde. So einen Schneeballen isst man unbedingt mit den Fingern, was ein herrliches Gebrösel gibt, eine puderzuckerstaubige Schneeballschlacht auf dem Teller.

Rezept (Kurzfassung nach Buch): 350 g Mehl (Type 405), 2 Eier, 40 g Zucker, 1 Päckchen Vanillezucker, 150 g, Schmand, Abrieb von einer halben Bio-Zitrone, 1 Prise Salz, 150 g weiche Butter, alle Zutaten zu einem geschmeidigen Teig kneten, mindestens zwei Stunden ruhen lassen. 1 l neutrales Öl in einem hohen Topf langsam auf 170 Grad erhitzen, Teig in zehn gleich große Stücke teilen und zu runden Platten von etwa 15 cm Durchmesser ausrollen. In jede Platte mit dem Teigrädchen 1,5 cm breite Streifen schneiden, aber nicht über den Rand schneiden. Mit dem Holzlöffel jeden zweiten Streifen aufnehmen und mit einer drehenden Bewegung die aufgedrehte Teigplatte in eine Suppenkelle gleiten lassen, diese nun im heißen Fett versenken. Mit einer zweiten Kelle den Schneeballen zusammenhalten, bis er sich zu einer Kugel ausgedehnt hat. 5-8 Minuten goldbraun ausbacken, mit Puderzucker bestäubt servieren.

"Nürnbergs Weihnachtsküche", Lisa Nieschlag & Lars Wentrup, Hölker Verlag

Mord auf dem Winterball

Miss Marple lässt grüßen: Sigrun Arenz' Krimi "16 Uhr 50 ab Ellingen" führt ins fränkische Seenland. (Foto: ars vivendi verlag, Cadolzburg)

Nach neuem DB-Winterfahrplan geht er zwar schon um 16.39 Uhr, der Regionalzug von Ellingen Richtung Nürnberg. Macht nichts, Krimi-Autorin Sigrun Arenz hat alle poetische Freiheit, wenn sie ihr im November erschienenes Buch "16 Uhr 50 ab Ellingen" titelt. Da schwingt dann ganz viel mit, Margret Rutherfords unerschrockene Miss Marple, die sich mit Dauerfreund Jim Stringer nach Ackenthorpe Hall aufmacht, um einen Mord im Zug aufzuklären. Bei Anglistin Sigrun Arenz, die an der renommierten Universität St. Andrews in Schottland studiert hat und heute am Heinrich-Schliemann-Gymnasium Englisch unterrichtet, ermitteln zwei TV-Journalisten in einem Schlosshotel im Fränkischen Seenland. Dort soll eigentlich ein Winterball im Stil der englischen Recency-Zeit stattfinden, Leute schmeißen sich in Klamotten wie aus einem Jane-Austen-Film und üben sich in stilvoll züchtigen Tänzen. Natürlich taucht bald eine Leiche auf, und das Reporter-Pärchen muss Licht ins Dunkel bringen. Suspense, very britisch-fränkisch.

Sigrun Arenz, "16 Uhr 50 ab Ellingen", Ars vivendi Verlag, Cadolzburg

Lideraden und Schachgenies

Früher Poetry Slam in der fränkischen Provinz: Hans Werner Richter, Chef der Gruppe 47, posiert im November 1967 vor der Pulvermühle in Waischenfeld und zeigt mit diesem Schild die Schließung der Gaststätte für das normale Publikum an. (Foto: Karl Schnörrer/picture-alliance / dpa)

Regelmäßig im Sommer treibt es Münchner nach Bayreuth, vor allem wenn sie Wagnerianer sind. Aber wer von ihnen kennt Waischenfeld? Ganz in der Nähe gelegen mitten im Wiesenttal, wo ein Flüsschen mäandert, das dem Tal seinen Namen gab. So unaufgeregt und leise fließt es dahin, als wollte es Besuchern fränkisch-höflich die Leviten lesen: "Horch, mach hald etz a weng langsamer!" Schon in früheren Zeiten hatte sich diese Seelenruhe offenbar herumgesprochen. So verschlug es Ende der Sechzigerjahre den Literaturkreis der "Gruppe 47" in ein von der Waischenfelder Ortsmitte zu Fuß leicht erreichbares Gasthaus mit dem explosiven Namen "Pulvermühle". Die Abgeschiedenheit, aber auch ein komplexes Beziehungsgeflecht zwischen dem Kopf der Dichter, Hans Werner Richter, und Wirt Kaspar Bezold führten wohl dazu, dass die Pulvermühle, die noch heute Gäste bewirtet, zum Austragungsort der berüchtigten Poetry Slams wurde. Auch wenn Pulvermüller Bezold gewarnt worden sein soll: "Bind' Dein Besteckt an, wenn die roten Dichter und Edelkommunisten kommen!" Ein circa zwei Kilometer langer Spazierweg an der Wiesent entlang führt literaturinteressierte Wanderer heute an Infotafeln mit Originalfotos und Berichten über Grass, Enzensberger und Co. vorbei zur ehemaligen Schwarzpulver-Mühle. Auch das menschenscheue Schachgenie Bobby Fischer wählte diesen Ort, um sich dort ungestört Anfang der Neunzigerjahre auf Turniere vorzubereiten. Wenn diese komplizierten Zeiten irgendwann vorbei sein werden, können Besucher im Wiesenttal endlich auch wieder ins Gasthaus Heckel einkehren und in der Gaststube bei gutem Bier und mit etwas Glück noch auf so manchen Zeitzeugen treffen, der dann Lustiges erzählen kann, über extravagante "Lideraden" oder eigentümliche Schachspieler.

Die Pulvermühle und die Gruppe 47, www.pulvermuehle.de

Wein, Gips und die Monroe

Starkregen wird auch in Bayern häufiger vorkommen, wie hier im unterfränkischen Iphofen vor zwei Jahren. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Wer Wein den exzellenten oberfränkischen Bieren vorzieht, steuert Iphofen an im unterfränkischen Landkreis Kitzingen. Von dort aus führen etliche Wanderwege durch die Weinlagen rund um den 474 Meter hohen Schwanberg. Dieses Hügelchen - aus Münchner Sicht - an den Ausläufern des Steigerwaldes ist ein irgendwie magischer Ort. Besonders an Heilig Abend bei Einbruch der Dunkelheit, wenn man dort oben vom Spaziergang durch den Wald und den Park rund um das Geistige Zentrum der Schwestern der "Communität Casteller Ring" zur St. Michaelskirche zurückkehrt und erlebt, wie die Menschen aus den umliegenden Dörfern zum Weihnachtsgottesdienst heraufkommen. Die Frauengemeinschaft lebt nach der Regel des Heiligen Benedikt und bietet übers Jahr Seelsorge, Exerzitien und Therapien an. Auf dem Nachhauseweg kommt man bergabwärts bei der Panoramaschaukel am Conradseck vorbei. Von dort aus hat man einen großartigen Ausblick auf das fränkische Weinland und Iphofen mit den weißen Gebäuden des Gips-Weltmarktführers Knauf. Das Unternehmen leistet sich im Ort ein formidables Privatmuseum. Aktuell ist dort Winterpause. Wiedereröffnung ist am 27. März mit der Sonderausstellung "Marilyn - die Frau hinter der Ikone". Zum 60. Todestag der Monroe zeigt das Museum dann unter anderem Einzelstücke aus ihrem Privatbesitz, Briefe und Filmdokumente.

Mehr zu Iphofen und seinen Weinwanderwegen unter www.iphofen.de , zum Schwanberg unter www.ccr-schwanberg.de und zum Knauf-Museum unter www.knauf-museum.de

Teufelslöcher und gute Löwen

War der Teufel im Spiel? Einer alten Sage nach grub er unter der Alten Mainbrücke in Würzburg ein Loch, weil ihm der Baumeister keine armen Seelen überantworten wollte. (Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo)

Kranführer, Fährmann und passionierter Main-Schwimmer in Würzburg soll er gewesen sein, der Ur-Ur-Großvater. Seine beiden Ur-Ur-Enkelinnen sitzen gespannt wie Blitzbögen da. "Hat er ihn gesehen, den Teufel?" Bestimmt. Denn der Ur-Ur-Opa musste ja auch wie alle Schiffer und Schwimmer höllisch aufpassen und den steinernen Heiligen Johannes von Nepomuk anrufen, wenn er zwischen den Pfeilern der Alten Mainbrücke hindurch den gefährlichen Strudel im Strom, das sogenannte Teufelsloch, sicher passieren wollte. Untergekommen ist Nachkömmlingen des Würzburger Ahnen die schaurige Geschichte auf der Hör-CD "Fränkische Sagen für Kinder", für die Autorin Julia Schölzel uralte Legenden aus Unter-, Mittel- und Oberfranken zusammengetragen hat. Eli Wasserscheid, Volker Heißmann und Martin Maria Eschenbach haben sie wunderbar authentisch in den drei Frankendialekten eingesprochen. Und so werden Würzburger Teufelslöcher, Coburger Brunnenlöwen oder listige Rothenburger Bäcker sehr lebendig, selbst wenn es sie womöglich nie gegeben hat.

Fränkische Sagen für Kinder, Audio-CD, erschienen im Label "Beste Unterhaltung" , Langenzenn, in Koproduktion mit dem Bayerischen Rundfunk

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