Kulturprogramm zur EM:So lief das Eröffnungsspiel im "Stadion der Träume"

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Wenn der Fußball Kultur und Politik zusammen bringt: Zum Auftakt war das "Stadion der Träume" gut besucht. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Bei der Auftaktveranstaltung kommt Prominenz aus Kultur, Sport und Politik in den Innenhof des Gasteigs - und zeigt, dass die EM der Stadt mehr bringt als Fußball.

Von Thomas Becker

Als die Kultur pünktlich um halb sechs loslegt, sind die Fußballer längst nass geschwitzt. Ist auch echt heiß auf dem engen Kleinfeld im Innenhof des Fat Cat, der Zwischennutzung im Gasteig. Gerade legen die Harras Boys eine irre Aufholjagd gegen die Berg-am-Laim-Kickers hin, machen aus einem 1:4 in der Nachspielzeit noch ein 4:4, Real Madrid lässt grüßen.

Am Spielfeldrand klingt das nicht anders als im Estadio Bernabéu: "Geh drauf, geh drauf! Worauf wartet ihr?", schallt es von der einen Seite, vergleichsweise pädagogisch von der anderen: "Hakim, wenn du den Ball hast: ruhig!" Schon klar, Coach, aber so ein Spiel dauert halt nur sechs Minuten, und deshalb geht es bei diesem Drei-gegen-Drei-Match der Bunt-kickt-gut-Liga der U13 natürlich alles andere als ruhig zu.

Sechs Teams beharken sich seit drei Uhr nachmittags so intensiv, dass auch mal ein Endergebnis geschätzt werden muss ("5:1? Nee, 7:1. So ungefähr."). Immerhin ist am Ende der Sieger unstrittig: FC Rambos.

35 Tage sind es an diesem warmen Freitag noch, bis am 14. Juni draußen in Fröttmaning die deutsche und die schottische Elf die EM eröffnen. Und das kleine Fußballturnier ist quasi das Vorprogramm zum Eröffnungsspiel des Kulturprogramms, das das große Fußballturnier in München begleiten wird.

Etwa 300 Zuschauerinnen und Zuschauer sind dafür ins Stadion der Träume gekommen, das sich neben dem kleinen Fußballfeld im Innenhof erhebt, farbenfroh gestaltet von der britischen Künstlerin Morag Myerscough.

Und es ist ein vielseitiges Programm, das in zweieinhalb Stunden an diesem Abend geboten ist, die Künste erhellen sich wechselseitig: Garagen-Rock von Whale City, der Band des Ex-Nationalkickers Andreas Görlitz, Herbert Grönemeyer und Nina Kunzendorf lesen Fußball-Gedichte von Ror Wolf, Friedrich Torberg und Ludwig Harig, Jessica Niles von der Bayerischen Staatsoper spielt klassische Musik. Es gibt kluge Worte von Theaterregisseur Ersan Mondtag, frechen Poetry Slam von Vivienne Papst, warmen Karibik-Sound von Wally und Ami Warning sowie Auszüge von Auftragswerken des Schriftstellers Davide Enia und der ukrainischen Dramatikerin Natalia Blok - allesamt Künstlerinnen und Künstler, die den Abend locker allein bestreiten könnten, sich aber in den Dienst der Mannschaft und der Sache stellen: Lust aufs Zusammenspiel machen.

Und das geht so weiter. Bis zum Vorabend des EM-Finales am 14. Juli dreht sich am Gasteig alles um Fußball und Kultur, in allen Formen und Farben, kostenlos für jedermann (bis auf die Theatervorstellungen).

"Es ist wunderbar bunt hier!": Kulturstaatsministerin Claudia Roth spricht bei der Eröffnung des "Stadions der Träume". (Foto: Stephan Rumpf)
Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter, hier mit Stargast Herbert Grönemeyer, war bestens gelaunt. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Und wer am Freitag kurz vor Anpfiff der Prominenz beim großen Griaß-di zuschaut, der kann schon eine gewisse Vorfreude erkennen. Vorneweg der Oberbürgermeister: Dieter Reiter ist blendend gelaunt, obwohl es ihm als Bayern-Fan "gerade nicht so leicht fällt, über Sport zu reden". Er ist einfach froh, dass sich was rührt in seiner Dreiviertelmilliarden-Baustelle, die einmal zu einem sanierten Gasteig führen soll.

Und so hat er wirklich für alle, die ihm in die Arme laufen, einen mal mehr, mal weniger liebevollen Spruch parat. Kultur-Staatsministerin Claudia Roth - ganz in rot - begrüßt er mit den Worten: "Was is'n mit dir? Du bist ja so dünn geworden! Ich kenn' dich ja sonst nur im Dirndl." Jimmy Hartwig kommt besser weg: "Ah, der große Meister ist da!", schalmeit Reiter und findet auch für Philipp Lahm, den Organisations-Chef der EM, ein paar warme Worte: "Hey junger Mann, du wirst ja immer jünger!"

Wie all den kreativen Input bündeln? Wie vom Garagen-Rock zur Klassik überleiten, ohne dass es peinlich wird? Das ist die Aufgabe des künstlerischen Leiters Albert Ostermaier, den die SZ-Redakteurin Marlene Knobloch unterstützt. Dabei geht Ostermaier angeschlagen ins Turnier: der Rücken, seit einer Ewigkeit schon. Der Job als Torhüter der Autoren-Nationalmannschaft: ruht.

Während der Lyriker und Dramatiker à la Günter Netzer den Spielmacher auf der Zehner-Position gibt, schlüpft Veranstalter Till Hofmann, sein Bruder im Geiste, in die Rolle von Hacki Wimmer, als unermüdlicher Wasserträger und Mittelfeldmotor, wie das früher einmal in Fußball-Deutschland hieß. Seit in der Früh um sechs steht Hofmann, ein ehemaliger Landesligakicker, schon auf dem Platz: Da wurde erst der Rollrasen fürs Träume-Stadion geliefert und zugeschnitten.

Seit frühmorgens liefen die Aufbauarbeiten für das von der britischen Künstlerin Morag Myerscough entworfene Areal. (Foto: Catherina Hess)
So schnell wie die bunte Bühnenlandschaft wird der 700 Millionen Euro teure neue Gasteig nicht fertiggestellt. (Foto: Catherina Hess)

Es gibt an diesem Abend auch eine von der SZ-Sportredaktion organisierte Diskussionsrunde zur Zukunft des Fußballs, moderiert von Claudio Catuogno und Christof Kneer. Es ist ein kilometerweites Thema, zu dem nicht nur Grönemeyer und EM-Botschafterin Célia Šašić, sondern auch Comedian Michael Mittermeier und erst recht Matthias Sammer, Europameister von 1996, so einiges beizutragen haben.

Allerdings rutscht Sammer schon kurz vor der Halbzeit das Schlusswort raus: "Fußball ist sooo schön." Kein Widerspruch, nirgends. Claudia Roth hebt das Thema noch eine Ebene höher: Die EM werde "nicht nur ein Fußball-Fest, sondern ein europäisches Demokratie-Fest". Applaus, Applaus, nur gestört von ein paar lärmenden Kickern auf dem Kleinfeld nebenan.

Nach dem Abpfiff im Stadion der Träume liefern sich Valentin und Rafael, beide zehn Jahre alt, ein enges Match: Übersteiger, Hacke, das ganze Programm. Rafael macht das entscheidende 5:4, fährt sich durchs verschwitzte Haar und fordert ein paar Ovationen ein.

Programm im Internet unter www.stadiondertraeume.de .

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