Bahnhof Zorneding:Der Erste seiner Art

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Sieht so der Bahnhof der Zukunft aus? Nach dem Zornedinger Vorbild jedenfalls könnten künftig viele Stationen in ganz Deutschland gebaut werden. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Komplett aus Holz gebaut, mit Photovoltaikanlage und Wärmepumpe ausgestattet - und über einen Speicher aus recycelten E-Auto-Batterien mit Energie versorgt: Das neue Zornedinger Bahnhofsgebäude soll ein klimafreundliches Vorzeigeprojekt werden. Nun wurde Richtfest gefeiert.

Von Andreas Junkmann, Zorneding

Das Sonnenlicht strahlt durch die langen Glasscheiben in der Decke und wirft einen hellen Streifen quer durch das Gebäude. Fast könnte man denken, man stehe hier im Rohbau einer Kathedrale, so anmutig erscheint das neue Zornedinger Bahnhofsgebäude auf den ersten Blick. Es ist aber nicht nur die Architektur, die dieses Bauwerk so besonders macht. Im Inneren verbreitet sich ein intensiver Duft von frischem Holz, es riecht förmlich nach Nachhaltigkeit. Und genau das ist hier auch Programm, denn das schmucke Gebäude ist das Erste seiner Art in ganz Deutschland. Künftig könnte der Bahnhof dann als Vorlage für weitere klimafreundliche Stationen in der Bundesrepublik dienen.

Echte Gebäude an den Haltestellen sind hierzulande nämlich beileibe keine Selbstverständlichkeit, wie die Zornedinger selbst in den vergangenen Jahren erfahren mussten. Im Zuge des Bahnhofumbaus 2008 wurde die bisherige Empfangshalle abgerissen, einen Ersatz dafür gab es nicht. "Das hat sich über die Jahre dann ein bisschen zu einem Schandfleck entwickelt", sagte Bürgermeister Piet Mayr (CSU) deshalb im Rahmen des Richtfests für das neue Bahnhofsgebäude am Montagmorgen. Der Rathauschef ist nach langer Zeit des Wartens froh, dass es in seiner Gemeinde endlich wieder eine richtige Haltestelle gibt: "Jetzt ist die Zeit gekommen, dass unsere 9500 Bürgerinnen und Bürger wieder ,Bahnhof verstehen'", scherzte Mayr.

Beim Richtfest am Montag haben Mareike Schoppe vom DB-Bahnhofsmanagment (von links), Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter, DB-Konzernbevollmächtigter Klaus-Dieter Josel, Zornedings Bürgermeister Piet Mayr und CSU-Bundestagsabgeordneter Andreas Lenz selbst zum Hammer gegriffen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Bürgermeister hatte tatsächlich gut lachen, schließlich bekommt Zorneding von der Bahn nicht einfach eine schnöde Wartehalle spendiert, sondern ein echtes Vorzeigeprojekt. "Wir sind stolz auf diesen innovativen und klimafreundlichen Bahnhof, der zum Vorreiter für Bahnhofsgebäude in ganz Deutschland werden kann", sagte der Deutsche Bahn-Konzernbevollmächtigte für Bayern, Klaus-Dieter Josel. Doch was macht dieses kleine, längliche Bauwerk mit seinem spitz zulaufenden Dach nun eigentlich so besonders? Da wäre zunächst das für den Bau verwendete Material. Das Bahnhofsgebäude besteht komplett aus Holz, sei also zu hundert Prozent nachhaltig, so Josel. Die einzelnen Teile werden im Werk vorgefertigt und vor Ort zusammengesetzt, wodurch sich die Bauzeit stark verkürze. Nach nur wenigen Wochen stand das Gebäude in Zorneding bereits, nun folgen die Innenarbeiten, so dass der Bahnhof im Herbst eröffnet werden kann.

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Dann wird auch die insgesamt 160 Quadratmeter große Photovoltaikanlage auf dem Gebäudedach ihren Dienst verrichten. Das ist an sich heutzutage nicht mehr außergewöhnlich, wohl aber, dass der erzeugte Strom in einen Speicher fließt, der aus recycelten Batterien von Elektroautos besteht. "So etwas gibt es an keinem anderen Bahnhof in Deutschland", sagte Josel. Mit der auf diese Weise gewonnenen Energie soll die Station schließlich Tag und Nacht betrieben werden können. Doch damit noch nicht genug der Innovationen: Im Winter geheizt und im Sommer gekühlt wird das Gebäude über eine Wärmepumpe, wie der Konzernbevollmächtigte nicht ganz ohne Stolz erklärte, der von einem "kleinen, grünen Bahnhof" sprach.

So wie in dieser Simulation könnte der Zornedinger Bahnhof künftig aussehen. (Foto: Repro: Peter Hinz-Rosin)

Grün soll es auch um das Gebäude herum werden. Dafür sorgt die Gemeinde Zorneding, die für rund 600 000 Euro den Vorplatz umgestaltet, neue Fahrradstellplätze baut und eine barrierefreie Toilette einrichtet. Weitere 220 000 Euro steuert das Rathaus auch zum Bau des Gebäudes bei, der Freistaat Bayern beteiligt sich mit der gleichen Summe. Die Gesamtkosten für das innovative Bauwerk belaufen sich auf rund zwei Millionen Euro. Neben einem Wartebereich für Reisende sollen dort ein auch ein DB-Servicestore oder ein Café untergebracht werden. "Zorneding hat endlich wieder einen Bahnhof, der diesen Namen auch verdient", sagte Bürgermeister Mayr.

Der Verkehrsminister lobt zwar das Projekt, kritisiert aber die mangelnde Barrierefreiheit

Der nachhaltige Baukasten-Bahnhof erregt aber auch über die Gemeindegrenzen hinaus Aufmerksamkeit. So war neben der lokalen Politprominenz auch Bayerns Bau- und Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) zum Richtfest gekommen. "Der Zornedinger S-Bahnhof wird zur Vorzeige-Station, denn dort trifft klimaschonende Mobilität auf klimabewussten Bau", lobte er in seiner Rede.

Das Zornedinger Bahnhofsgebäude nimmt bereits Formen an, wie beim Richtfest Ende Mai dieses Jahres zu sehen war. Am Vorplatz dagegen geht bisher kaum etwas voran. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Doch Bernreiter sprach auch ein Thema an, bei dem die Haltestelle noch den Ansprüchen der heutigen Zeit hinterherhinkt: die Barrierefreiheit. Zwar sind das Empfangsgebäude und die dazugehörige Toilette bald auch für gehbehinderte Menschen gut zu erreichen, zum Bahnsteig in Zorneding führt aber weiterhin nur eine Treppe - kein Einzelfall, wie der Verkehrsminister kritisierte. 80 Prozent der Fahrgäste in Bayern seien bereits barrierefrei angebunden, 20 Prozent jedoch nicht. "Wir müssen da deutlich vorankommen", sagte Bernreiter, der sich hier vom Bund mehr Engagement wünschen würde. Selbiges gilt für den Ausbau der Schienen-Infrastruktur im Allgemeinen, denn Bahnfahren sei eben mehr als nur attraktive Preise, so der Minister mit Blick auf das 49-Euro-Ticket.

Allzu viel Wasser in den Wein wollte Bernreiter an diesem Tag dann aber doch nicht schütten. Er finde es jedenfalls toll, "dass der bundesweit erste Holz-Bahnhof im Bahnland Bayern entsteht". Das Projekt zeige, was möglich sei, wenn viele am richtigen Strang in dieselbe Richtung ziehen würden. Ob das Empfangsgebäude nicht nur innovativ und hübsch anzusehen ist, sondern auch im Betrieb funktioniert, wird sich dann von Herbst an zeigen. Sollte sich das Baukasten-Prinzip bewähren, könnte der Zornedinger Bahnhof in den nächsten Jahren den ein oder anderen Doppelgänger bekommen.

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