Wahlkreis Erding-Ebersberg:Der Abstand der CSU zur Konkurrenz ist kleiner geworden

Lesezeit: 6 min

Die ersten Plakate für den aktuellen Bundestagswahlkampf sind bereits geklebt, wie hier in Grafing-Bahnhof. Welches Ergebnis der Urnengang bringt, ist diesmal so offen, wie selten zuvor. Es gibt aber einige Konstanten, wie im Landkreis abgestimmt wird. (Foto: Christian Endt)

Der Landkreis Ebersberg ist traditionell eine Hochburg der CSU, noch bei keiner überregionalen Wahl wurde die Partei hier nicht Erster. Bleibt es dabei?

Von Wieland Bögel, Ebersberg/Erding

Der Blick in die Zukunft gelingt selten zuverlässig, manchmal hilft bei der Prognose aber ein Blick in die Vergangenheit. Auf die kommende Bundestagswahl angewendet, ergeben sich daraus mehrere Erkenntnisse. Erstens: Die CSU hat im Landkreis Ebersberg - genau wie im Wahlkreis insgesamt - noch nie etwas anderes geholt, als den ersten Platz. Zweitens: Dies gilt sowohl für den Direktkandidaten, als auch für die Zweitstimmen und für jede der 21 Landkreiskommunen. Und drittens: Das Siegertreppchen wird seit Jahren immer niedriger.

Letzteres gilt vor allem bei den Zweitstimmen. Da es hier keinen Persönlichkeitsbonus oder auch -malus gibt, sind die Werte der vergangenen Jahre besser vergleichbar als bei den Erststimmen. Wäre der Landkreis ein Gemüsekörbchen, lägen darin traditionell eine dicke Aubergine, eine große Tomate sowie eine grüne und eine gelbe Paprika. Letztere sind indes in den vergangenen drei Jahrzehnten immer größer geworden, während die beiden ersteren ein wenig verschrumpelt sind.

Ganz besonders zeigte sich das bei der vergangenen Bundestagswahl. Für die CSU reichte es gemäß der ersten Wahlkreisregel zwar erneut für Platz eins - allerdings fuhr die Partei ihr bislang schlechtestes Zweitstimmenergebnis ein, seit es Bundestagswahlen gibt: 38,4 Prozent waren es nur, das sind knapp 20 Prozentpunkte weniger als 2002 - allerdings war dies auch, um im Bild zu bleiben, ein nie mehr erreichter Rekordjahrgang bei der Auberginenernte. Dennoch lag die CSU seit der Wiedervereinigung stets in Reichweite der absoluten Mehrheit, meist sogar knapp darüber - mit einer Ausnahme: Im Jahr 2009 entfielen nur 42,4 Prozent der Zweitstimmen im Landkreis auf die Christsozialen, seit 2017 ist das indes nur noch das zweitschlechteste Ergebnis.

Jeweils nichts genützt hat dies allerdings dem langjährigen Zweitplatzierten, der SPD. Die Partei hat sich im Gemüsekörbchen binnen einer Generation von der Fleisch- zur Partytomate entwickelt: 12,8 Prozent der Zweitstimmen gab es 2017, das war nicht nur das bislang schlechteste SPD-Ergebnis, es liegt sogar um mehr als die Hälfte unter dem, was die Genossen in den 1990er und frühen 2000er Jahren erzielten: Bestes Ergebnis waren die 30,2 Prozent aus dem Jahr 1998, bei den zwei Wahlen davor und danach lag der Wert bei immer knapp unter einem Viertel der gültigen Zweitstimmen. Der große Einbruch kam für die SPD bei der Wahl 2009, gerade einmal 14,9 Prozent der Zweitstimmen gab es damals im Landkreis.

Bundestagswahl
:Die zehn Kandidaten 2021 im Wahlkreis Erding-Ebersberg

Fünf Männer - fünf Frauen: Die Bewerber um ein Direktmandat bei der Bundestagswahl am 26. September in der Übersicht.

Interessant ist, dass die SPD und die CSU ihre beiden schlechtesten Ergebnisse bei den gleichen Urnengängen einfuhren. Die Ursachen dafür liegen außerhalb des Landkreises, teilweise auch außerhalb des Freistaates - und das lässt die Prognosen in diesem Jahr für beide Parteien zumindest durchwachsen aussehen. Denn sowohl 2009 als auch 2017 gehörten CSU und SPD, genau wie derzeit, derselben Bundesregierung an. Dies scheinen die Wahlberechtigten im Landkreis nicht zu goutieren und weichen auf andere Parteien aus, wechseln aber nicht das politische Lager.

Und hier kommen die beiden Paprikas ins Spiel, denn sowohl Grün als auch Gelb hatten ausgerechnet 2009 und 2017 ihre jeweils besten Wahlergebnisse im Landkreis: Die Grünen kamen auf 13,1 beziehungsweise 12,4 Prozent, die FDP erzielte 16,9 und 13,2 Prozent. Dass die Liberalen 2017 trotz des größeren Einbruchs bei der CSU davon weniger profitierten konnten als acht Jahre zuvor, dürfte daran liegen, dass es seit 2013 einen weiteren Mitbewerber auf der rechten Seite des politischen Spektrums gibt. Mit 10,3 Prozent konnte die AfD vor vier Jahren ihr Ergebnis aus der vorangegangenen Wahl mehr als verdoppeln.

Das dürfte auch mit dem zweiten Grund zu tun haben, aus dem sich die Wähler im Landkreis von der Union abwenden: Sie schätzen keinen Streit. 2017 war es jener um den richtigen Umgang mit Flüchtlingen, der zwischen CDU und CSU ausgetragen und mit teilweise rechtspopulistischen Argumenten geführt wurde - weshalb manche dann offenbar lieber das Original wählten. 2009 litt die CSU noch an den Nachwirkungen der letztlich gescheiterten Palastrevolte, als Günther Beckstein und Erwin Huber zwar Edmund Stoiber von der Macht verdrängten, was zuerst die Partei die absolute Mehrheit bei der Landtagswahl und dann die beiden ihre Ämter gekostet hatte. Ob die Unionswählerschaft das aktuelle Miteinander des offiziellen und des bayerischen Unions-Kanzlerkandidaten als Streit oder als konstruktives Teamspiel versteht, wird sich dann am Wahlsonntag zeigen.

Ebersberg/Erding
:Die Plakiatsaffäre

Auf dem Wahlposter von Andreas Lenz (CSU) steht ein Slogan, der kürzlich schon mal verwendet wurde - ausgerechnet von seiner Gegenkandidatin aus der SPD.

Interview von Korbinian Eisenberger

Neben den großen überregionalen Trends gibt es auch einen regionalen, der die Wahlergebnisse beeinflusst: die Demografie. Und die geht eindeutig zulasten der CSU und ein bisschen auch der SPD. Erstere ist vor allem in den kleineren und ländlicheren Kommunen stark. So reichte es etwa in Frauenneuharting, als einziger Gemeinde bei der vergangenen Wahl, noch für die absolute Mehrheit - wenn auch mit 50,05 Prozent denkbar knapp. Immerhin noch über 40 Prozent kam die CSU in Anzing, Baiern, Bruck, Emmering, Hohenlinden, Oberpframmern, Pliening und Steinhöring. Dagegen lag das Ergebnis in fast allen der sieben großen S-Bahn-Gemeinden unter dem Landkreisergebnis von 38,4 Prozent, Ausnahme ist Vaterstetten, wo die CSU einen Prozentpunkt mehr bekam. So war es auch bereits 2013 gewesen, wenn auch mit insgesamt höheren Werten.

Dass die Christsozialen umso schlechter abschneiden, je urbaner das Umfeld ist, ist bekannt. Für den Landkreis ist dies insofern bedeutsam, als die Bevölkerung erstens wächst und dies zweitens besonders in jenen urbaneren Kommunen entlang der S-Bahn. Was bedeutet, dass die Stimmen aus diesen Gemeinden immer mehr zum Gesamtergebnis beitragen und sich auch immer weniger durch noch so gute Werte aus den kleinen Orten kompensieren lassen.

Die SPD ist insofern von der Demografie betroffen, als die Zuzügler nicht ihr klassisches Klientel sind. Wer in den Landkreis zieht, gehört eher der Gruppe der Besserverdienenden an - oder man könnte sich das Herziehen gar nicht leisten. Ein Indiz dafür könnte das Abschmelzen der SPD-Ergebnisse in den Kommunen sein, in denen die Genossen traditionell gut abgeschnitten haben: In Poing und Markt Schwaben gab es für die SPD in ihren besten Zeiten - 1998 war das - 36,5 Prozent. Vor acht Jahren immerhin jeweils knapp 21, genau wie in Kirchseeon und Zorneding sowie je 19 in Grafing und Ebersberg. Bei der vergangenen Wahl waren es dann in den sechs Kommunen zwischen 12,8 in Grafing und 15,2 in Markt Schwaben.

Deutlich zugelegt haben in allen S-Bahn-Gemeinden 2017 dagegen die beiden Parteien, die eine sowohl urbane wie auch wohlhabendere Schicht ansprechen. Besonders bei der FDP ist dies zu sehen, sie konnte ihr Ergebnis von 2013 landkreisweit mehr als verdoppeln von 5,8 auf 13,2 Prozent. Der Trend zieht sich durch alle Landkreisgemeinden, durch die höheren Einwohnerzahlen in den S-Bahn-Gemeinden tragen die Zuwächse dort aber besonders zum Ergebnis bei. In Kirchseeon beispielsweise gab es einen Anstieg von 4,8 auf 12,7 Prozent, also nahezu eine Verdreifachung, ähnlich in Zorneding, dort stieg die Zustimmung zur FDP von 5,7 auf 14,3 Prozent. Ihr bestes Ergebnis haben die Liberalen traditionsgemäß in der teuersten Gemeinde, Vaterstetten: 17,2 Prozent waren es 2017, nur 2009 gab es mit 21,1 Prozent ein noch besseres Ergebnis.

Während bei der FDP auffällt, dass ihre Ergebnisse von Wahl zu Wahl stark schwanken, fällt die Amplitude bei den Grünen kleiner aus. Auch scheint eine Regierungsbeteiligung weniger Einbußen zu bringen als bei der FDP: Die Liberalen hatten ihren größten Einbruch - von fast 17 auf knapp sechs Prozent - 2013 nach der Schwarz-Gelben Koalition. Die Grünen hingegen fuhren 2005 mit 10,3 Prozent dasselbe Ergebnis ein, wie 2002, was jeweils drei Prozentpunkte über dem Wert von 1998 liegt, als die Rot-Grüne Koalition begann.

Regional setzt sich der Trend fort, der schon seit einigen Wahlen zu beobachten ist: Einerseits sind und bleiben die Grünen in den großen Kommunen stark, was dort meist zulasten der SPD geht. So haben etwa in Grafing die beiden Parteien 2017 die Plätze getauscht, genau wie in Vaterstetten und Zorneding. In der Gemeinde Baiern ist dies indes bereits bei der Bundestagswahl 2013 passiert, vier Jahre später lag die Ökopartei dann mit elf zu zehn Landkreisgemeinden knapp vor den Sozialdemokraten.

Bewegung gab es bei der vergangenen Wahl auch im Hinblick auf die Beteiligung: War diese nach einem Höchststand von 86,5 Prozent im Jahr 2002 zunächst stetig gesunken, 2013 auf den bisher niedrigsten Wert von 77 Prozent, gab es bei der vergangenen Wahl mit 84,1 Prozent den zweithöchsten Wert seit der Wiedervereinigung. Statistisch das geringste Interesse an Politik gibt es in Markt Schwaben und Steinhöring, sowohl 2013 wie 2017 war die Beteiligung jeweils knapp fünf Prozentpunkte unter dem Landkreisschnitt. Umgekehrt scheinen in Anzing mit 88 Prozent Beteiligung besonders eifrige Wähler zu wohnen, ebenfalls gut über dem Schnitt lagen die Gemeinden Zorneding mit 87,6 Prozent, Bruck mit 86,6 und Vaterstetten mit 86,2 Prozent.

Gut möglich, dass es heuer durch den erwarteten Zuwachs bei der Briefwahl und das offene Rennen der Bewerber einen weiteren Rekord bei der Wahlbeteiligung geben wird. Sicher ist jetzt bereits, dass im Landkreis noch nie so viele Personen wahlberechtigt waren, wie am 26. September: Knapp 99 000 waren es bei der vergangenen Wahl, gut 102 000 sind es am Wahlsonntag in vier Wochen.

© SZ vom 28.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Bundestagswahl in Ebersberg
:Vom Knubbel zum Knochen und wieder zurück

Der Wahlkreis Ebersberg hat sich in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder verändert und hatte zwischenzeitlich einen spöttischen Beinamen.

Von Wieland Bögel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: