Ebersberg:Rauscher, Huber, Lenz: Wie die Krise die Arbeit der Abgeordneten verändert

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Doris Rauscher arbeitet während der Corona-Krise in ihrem Bürgerbüro. Die SPD-Landtagsabgeordnete ist auch kommissarische Kreisvorsitzende in Ebersberg. (Foto: Privat)

Die Corona-Pandemie beeinflusst die Dinge in Berlin und München massiv. Wie es den drei Politikern aus dem Landkreis Ebersberg damit ergeht. Eine Home-Office-Story.

Von Thorsten Rienth, Ebersberg

Fahrschulen sind erst einmal nicht das Spezialgebiet des CSU-Bundestagsabgeordneten Andreas Lenz. Klar, mit 18 Jahren sei er mal für ein paar Monate in einer solchen ein- und ausgegangen, erzählt der promovierte Betriebswirtschaftler. "Aber wenn sich ein Fahrlehrer meldet, ob eigentlich seine Fahrschule eine Schule ist, dann musst du erstmal überlegen." Das war vorvergangene Woche, als der Freistaat gerade die Schulen geschlossen hatte.

Bei Fragen, die so frisch sind, dass noch nicht sofort jede Internetsuchmaschine darauf anschlägt, werden Abgeordnete wie Lenz zur Informationsdrehscheibe. Für den Austauschstudierenden in den USA, ob er eigentlich nach Semesterende wieder nach Deutschland einreisen darf. Für den Handwerker, der die Kurzarbeitergeld-Formulare sucht, das der Bundestag als eine der ersten Sofortmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie beschlossen hatte.

Dass die Ebersberger Abgeordneten zuhause als auskunftsfähige Ansprechpartner wahrgenommen werden, liegt wohl auch an deren zwischenzeitlichem politischem Aufstieg. Als Hinterbänkler jedenfalls gehen Doris Rauscher (SPD) und Thomas Huber (CSU) im Landtag sowie Andreas Lenz (CSU) im Bundestag kaum mehr durch: Rauscher ist Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales, Jugend und Familie. Huber sitzt im CSU-Fraktionsvorstand. Lenz leitet in Berlin den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung und sitzt obendrein im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung.

"Wie machen wir das mit unseren Mitarbeitern?", ist Rauscher zufolge eine der ersten Fragen gewesen. Schließlich seien Abgeordnete der Gremienarbeit in den Parlamenten nicht nur auch Multiplikatoren für Wissen, sondern potenziell auch welche für das Virus. Eine Mitarbeiterin sei ohnehin krank gewesen. An etwas anderem, wie man dieser Tage sicherheitshalber dazu sagt. "Alles andere haben wir sozusagen digitalisiert." Telefon, Video, Skype, aus Bürgerbüro oder Home-Office, Hauptsache Abstand.

Bei Lenz waren die Personalrochaden nochmal ein Stück umfangreicher. Ihm sind neben den Mitarbeitern in seinem Berliner Wahlkreisbüro auch noch die fünf Beiratsmitarbeiter unterstellt. Ein Kollege hält im Abgeordnetenbüro die Stellung. "Für alle anderen und auch mich gilt: alles, was irgendwie digital machbar ist, wird digital erledigt. Und wenn es einen Ermessensspielraum gibt, dann entscheiden wir tagesaktuell, wie wir mit der Situation umgehen."

Wie viele andere Arbeitnehmer, befindet sich auch der Politiker Thomas Huber im Home-Office. (Foto: Privat)

Während Mitarbeiter und Abgeordnete die meisten organisatorischen Arbeiten ortsungebunden erledigen können, sieht es beim parlamentarischen Betrieb anders aus. "Da hat es schnell eine Minimalspur gebraucht, mit der wir ihn aufrecht erhalten können, ohne dass 200 Leute nebeneinander im Plenum sitzen", berichtet Landtagsabgeordneter Huber. Diese "Minimalspur" entspricht im Landtag einer 20-Prozent-Regel, auf die sich die Fraktionen geeinigt hätten. Eine Fraktion besetzt in den Ausschüssen oder dem Plenum nur ein Fünftel der ihr eigentlich zustehenden Sitze. In der Tendenz würden das vor allem die Abgeordneten aus dem Münchener Umland sein. "Aber das kann natürlich keine Lösung auf Dauer sein", sagt Huber. Parallel würden Fachausschuss- und Fraktionssitzungen in größere Räume umziehen, oder, bei nicht belegtem Plenarsaal, eben dorthin geladen. "Dann ist genug Platz zwischen uns", berichtet Huber.

Die Fachausschüsse wie gewohnt stattfinden zu lassen, ist auch noch aus einem anderen Grund schwierig. "Ein Teil der Arbeit findet in Form von Expertenanhörungen statt", erläutert Rauscher. Da stelle sich schnell die Frage, ob deren Dienstreisen nach München wirklich nötig seien. "Einer hat angeboten, dass wir ihn per Video übers Internet dazu schalten, dann nehmen wir das natürlich dankbar an."

Derweil lichten sich die Kalender. Sämtliche Abendveranstaltungen - vier bis fünf pro Woche in normalen Zeiten, schätzen die drei Mandatsträger - sind längst abgesagt. Stattdessen würden sie immer mehr Einzelanfragen gerade von kleinen Unternehmern und Selbstständigen erreichen. Natürlich dreht sich das meiste um die staatlichen Hilfsprogramme. Huber berichtet von bis zu 200 Nachrichten am Tag via SMS, Whatsapp oder E-Mail.

Welche Hilfen Regierungen auch immer erarbeiten, zu beschließen sind sie auf dem Parlamentsweg. Abgeordnete müssen zusammenkommen, Lesungen abhalten, debattieren, ein verbindliches Votum abgeben. Bislang haben die Abgeordneten dafür persönlich anwesend zu sein. Was, wenn das nicht mehr möglich ist? "Im Prinzip ist die Technik ja vorhanden, etwa in Form von Videoschaltungen oder Fernabstimmungen", sagt Lenz. Hinsichtlich funktionierender Parlamentsarbeit werfe die Thematik in den nächsten Monaten eine ebenso zentrale wie spannende Frage auf: "Wie bekommen wir das verfassungsgemäß und vor allem manipulationssicher hin?"

© SZ vom 25.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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