SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 116:Feinschliff statt Kritik

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Genau wie man Messer ab und an mal schleifen muss, sollte man es auch mit dem eigenen Wissen tun - das versucht Pola Gülberg, wenn sie ihre Kollegen als Praxisanleiterin begleitet. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Als Pola Gülberg davor stand, ihre eigenen Kolleginnen und Kollegen in ihrer neuen Funktion als Praxisanleiterin zu begleiten, war sie ganz schön aufgeregt: Wird sich jemand durch ihr Zutun auf den Schlips getreten fühlen?

Protokoll: Johanna Feckl, Ebersberg

Seit einem guten dreiviertel Jahr bin ich ausgebildete Praxisanleiterin: Wenn Auszubildende auf unsere Station kommen oder Kolleginnen und Kollegen ihre Weiterbildung zur Fachpflegekraft im Intensiv- und Anästhesiebereich durchlaufen, dann fällt es nun unter anderem mir zu, sie anzuleiten und zu betreuen. Im vergangenen März, als der neue Weiterbildungskurs begonnen hat und ich zum ersten Mal ganz offiziell als Praxisanleiterin gefragt war, war ich aufgeregt: Wie werden die Kollegen, die ich anleite, wohl reagieren?

Insgesamt absolvieren gerade sieben Pflegekräfte aus unserem Team ihre Fachweiterbildung. Fast alle benötigen einen Tag Anleitung pro Monat - das bedeutet, dass wir einen Dienst als Tandem durchlaufen und dabei ein konkretes Thema anhand der Versorgung eines Patienten praktisch erarbeiten.

Meine Aufgabe als Praxisanleiterin verstehe ich so, dass ich eine Unterstützung biete, den Feinschliff sozusagen, damit die Kollegen bestmöglich vorbereitet in ihre Prüfungen gehen können. Weil mir das so wichtig ist, habe ich das jedes Mal auch betont: Es ist nicht so, dass ich beurteile, wie jemand arbeitet, sondern mir geht es um einen Austausch und Anregungen. Das ist für mich ein großer Unterschied.

Denn mit jedem Anleitungstag profitiere auch ich selbst: Zum einen lerne ich die Kolleginnen und Kollegen besser kennen - viele von ihnen haben während oder kurz vor Corona angefangen. Weil auch für uns gemütliches Beisammensitzen in den Pausen oder Weihnachtsfeiern weggefallen war, kenne ich manche von ihnen kaum, obwohl wir schon seit drei Jahren zusammenarbeiten. Zum anderen lerne ich durch die unterschiedlichen Charaktere auch, mein Verhalten an sie anzupassen. Direkt hat das nichts mit Pflege zu tun, indirekt aber schon. Denn auch unsere Patienten unterscheiden sich vom Typ her oft sehr: Mit dem einen spricht man besser so, mit dem anderen ganz anders.

Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Und was ich besonders toll finde: Ich lerne ebenso von der Arbeit der angeleiteten Kolleginnen und Kollegen. Das sind oft kleine Handgriffe, die jemand in Nuancen anders macht. Ein paar Mal habe ich mir schon gedacht: "He, das ging ja viel schneller im Vergleich zu der Methode, die ich immer mache - das probiere ich auch mal aus." Nur weil ich meine Fachweiterbildung schon abgeschlossen habe und nun auch Praxisanleiterin bin, habe ich nicht die Weisheit mit Löffeln gegessen.

Am Tag vor der Praxisanleitung versuche ich, mich mit der Kollegin oder dem Kollegen schon einmal kurzzuschließen: Welches Thema wollen wir uns genauer anschauen? Welche Ziele setzen wir uns? Haben wir einen passenden Patienten dafür? Bei Themen, mit denen ich selbst nicht so häufig zu tun habe, muss ich als Vorbereitung auch schon mal etwas nachlesen - ich bin ja kein wandelndes Lexikon.

Praxisanleitungen machen viel Arbeit, das läuft nicht einfach so nebenher. Aber mir macht es sehr viel Spaß, gerade, weil auch ich unglaublich davon profitiere. Meine neue Aufgabe gibt mir einen richtigen Motivationsschub.

Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 39-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind unter sueddeutsche.de/thema/Auf Station zu finden.

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