Wärmeplangesetz:"Am Ende ist es wichtig, dass alle mitmachen"

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Poing verfügt bereits über ein Geothermiekraftwerk. Die Neubaugebiete können dadurch mit erneuerbarer Wärme versorgt werden. (Foto: Christian Endt)

Bis 2028 müssen alle Kommunen eine Wärmeplanung erstellen, so sieht es ein Gesetz vor, das nach der Sommerpause vom Bundestag verabschiedet werden soll. Wie gut sind die Gemeinden im Landkreis vorbereitet?

Von Merlin Wassermann, Ebersberg

Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) - besser bekannt als Heizungsgesetz - ist in den vergangenen Monaten heiß diskutiert worden. Nach der Sommerpause soll nun ein Gesetz verabschiedet werden, das mit dem GEG verschränkt ist: Das Wärmeplangesetz wird voraussichtlich alle Kommunen zwischen 10 000 und 100 000 Einwohnern dazu verpflichten, bis spätestens 31. Dezember 2028 einen Wärmeplan vorzulegen. Darin sollen die Kommunen angeben, wie sie planen, ihr Wärmenetz nachhaltig zu gestalten, und wo sie Nah- oder Fernwärmelösungen anstreben.

Dadurch sollen Bürgerinnen und Bürger für ihre eigene Heizung Planungssicherheit erhalten: Kann ein Haus an ein Fernwärmenetz angeschlossen werden, oder ist in Zukunft eine Wärmepumpe sinnvoller? Welche Wärmeoptionen wird es in den nächsten Jahren und Jahrzehnten geben?

Im Landkreis Ebersberg gibt es fünf Kommunen über 10 000 Einwohner: Ebersberg, Grafing, Vaterstetten, Poing und Markt Schwaben. Wie weit ist man in den Rathäusern mit der Wärmeplanung, und wie blickt man dort auf das Gesetz?

Eine frühe Wärmeplanung bringt eigene Probleme

Auf die ein oder andere Art hat natürlich jede der Kommunen schon lange mit Wärmeplanung zu tun. Markt Schwaben etwa verfügt seit 2014 über das Kommunalunternehmen Markt Schwaben (KUMS), das über ein Blockheizkraftwerk Fernwärme an die Marktbewohner abgibt. Bürgermeister Michael Stolze (parteilos) sieht seine Kommune in Bezug auf Wärmeplanung deswegen "gut aufgestellt". Immer mehr Kunden würden sich für die Fernwärme interessieren, nicht zuletzt aufgrund der hohen Energiepreise im vergangenen Winter.

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Von Merlin Wassermann

In Grafing gibt es dank der Firma Rothmoser GmbH ebenfalls einen Fernwärmeanbieter. Bürgermeister Christian Bauer (CSU) sagt, Grafing werde die Wärmeplanung mit der Firma absprechen. In Vaterstetten wiederum wird derzeit an einem Geothermieprojekt gearbeitet, das nachhaltige Fernwärme für die Gemeinde bereitstellen wird, in Poing existiert ein solches bereits.

Inwieweit die Kommunen auf diese Informationen für die Wärmeplanung im Sinne des Gesetzes werden aufbauen können, ist noch nicht völlig klar. Wie Ebersbergs Bürgermeister Ulrich Proske (parteilos) erklärt, sind die Kriterien, anhand derer die Wärmeplanung erfolgen soll, noch nicht abschließend geklärt. In Ebersberg gibt es eine Wärmeplanung für das Gewerbegebiet Nord, zwei weitere Gebiete sind ins Auge gefasst. Generell sei noch vieles unklar, so etwa, ob Rahmenverträge mit Firmen abgeschlossen werden können, die in Zukunft das Wärmenetz betreiben, so wie es jetzt bereits beim Gas der Fall ist.

Unter anderem deswegen wollen es die Bürgermeister mit der Planung nicht überstürzen: Vaterstettens Bürgermeister Leonard Spitzauer sagt, man wolle noch auf das Gesetz warten, bevor man mit der Planung anfange, Christian Bauer und Poings Bürgermeister Thomas Stark (CSU) schließen sich dem an.

Michael Stolze warnt vor "blindem Aktionismus". Ein früher Abschluss der Wärmeplanung bedeute auch, dass die Bürgerinnen und Bürger schlechter gestellt seien im Hinblick auf die freie Wahl ihrer Heizung. Ulrich Proske verweist außerdem darauf, dass eine frühere Wärmeplanung auch eine frühere - kostenintensive - Umsetzung bedeutet. Gut möglich also, dass sich die Gemeinden noch etwas Zeit mit dem Beginn der Planung lassen werden, bis beispielsweise geklärt ist, was der Bund und was die Kommunen zahlen.

Die meisten Planungskosten können durch Förderungen gedeckt werden

In jedem Fall werden neue Kosten auf die Kommunen zukommen. Alle außer Grafing wollen auf externe Planungsbüros zurückgreifen, um ihre Pläne zu erstellen. "Ohne geht es nicht", sagt Ulrich Proske. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass diesbezüglich qualifiziertes Personal in den Rathäusern rar ist. Michael Stolze schätzt, dass ein Planungsbüro einen "niedrigen sechsstelligen Betrag" kosten wird - man habe aber noch keine Angebote eingeholt. Auch Proske geht von 200 000 bis 250 000 Euro aus. Ein Problem wird sein, dass alle Kommunen mehr oder weniger gleichzeitig auf die begrenzte Anzahl an Büros zugreifen wollen. Die Bearbeitungszeiten und möglicherweise die Preise werden sich dadurch erhöhen.

In Grafing will man die Planung direkt mit der Firma Rothmoser durchführen und kommt so um ein eigenes Planungsbüro herum. Auch neues Personal wird wohl nicht eingestellt werden. Ebenso in Markt Schwaben, auch wenn es dort nicht am Willen, sondern an den Möglichkeiten scheitert: "Wir würden gerne mehr Personal einstellen", so Michael Stolze. Im Rahmen der Stabilisierungshilfe, die der Markt bereits seit Jahren in Anspruch nimmt, sei dies jedoch nicht gestattet.

Ulrich Proske berichtet, die Stadt Ebersberg suche derzeit einen neuen Klimaschutzmanager, der die Wärmeplanung koordinieren würde. Auch müsse man im Rathaus intern umstrukturieren, um auf die Anforderungen zu reagieren.

Auch Leonard Spitzauer geht davon aus, dass Vaterstetten neues Personal brauchen wird. Deswegen fordert er auch, dass 100 Prozent der Kosten für die Wärmeplanung vom Bund übernommen werden. "Wir Kommunen müssen immer nur umsetzen", so Spitzauer. Nicht zuletzt wegen der Finanzierung wolle man in Vaterstetten noch mit dem Beginn der Planung warten.

Allzu lange sollte sich die Gemeinde jedoch nicht Zeit lassen. Eine Förderung ist vom Bund bereits jetzt vorgesehen: Kommunen, die eine Wärmeplanung bis zum 31. Dezember 2023 beantragen, erhalten 90 Prozent der Kosten erstattet, danach sind es noch 60 Prozent. In Markt Schwaben ist man laut Michael Stolze schon dabei, die Förderung zu beantragen, auch die anderen Gemeinden haben dies in Planung.

Der Bezirkskaminkehrermeister Florian Bäuml in Markt Schwaben. Kaminkehrer sollen die für die Wärmeplanung notwendigen Daten sammeln. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ein Grund für die Notwendigkeit von Planungsbüros und neuem Personal ist der, dass die Kommunen zur Umsetzung ihrer Wärmepläne jede Menge Daten erfassen, zusammentragen und auswerten lassen müssen: Welche Heizung befindet sich derzeit in Haus A? Wie energieeffizient ist Haus B? Wie lange sind ihre Anlagen in Betrieb? Wo liegen die Gebäude? Stehen sie womöglich unter Denkmalschutz?

Wo Fernwärmenetze bereits bestehen oder im Entstehen sind, können die Antragsdaten hierzu Aufschluss geben. Darüber hinaus gibt es im Landkreis Daten aus dem digitalen Energienutzungsplan, darauf verweist Thomas Stark. Schließlich sollen Kaminkehrer über die Gegebenheiten in den einzelnen Häusern Aufschluss geben. Christian Bauer zeigt sich optimistisch, dass so alle notwendigen Daten erhoben werden können. Alle Bürgermeister gehen zudem davon aus, dass sie den Wärmeplan bis 2028 erstellen können.

50 Prozent erneuerbare Wärme bis 2030 sehen die meisten Kommunen als unrealistisch

Weniger optimistisch ist die Einschätzung, wenn es um den zweiten Teil des Gesetztes geht, die "Dekarbonisierung der Wärmenetze". Bis 2030 muss mindestens die Hälfte der in das Wärmenetz eingespeisten Energie aus erneuerbaren Quellen kommen. Christian Bauer hält das für "schwierig". 75 Prozent der Heizungen in Grafing würden mit fossilen Brennstoffen betrieben, eine Wärmepumpe könne sich nicht jeder leisten und an die Fernwärme könne sich nicht jeder anschließen lassen. In Vaterstetten hängt das Ziel unter anderem davon ab, ob die Geothermie tatsächlich ab 2026 Wärme liefern kann und inwiefern sie für das gesamte Gemeindegebiet nutzbar gemacht werden kann.

In Markt Schwaben und Poing stehen die Zeichen bereits jetzt besser. Die Abwärme des Blockheizkraftwerks des Marktes fließt in das Wärmenetz, was als "innovative Kraft-Wärme-Kopplung" bezeichnet wird. Außerdem wird in Zukunft eine Hochtemperatur-Luft-Wärmepumpe dafür sorgen, dass ein Großteil der kommunalen Wärmeversorgung aus erneuerbaren Energiequellen stammt. Thomas Stark hält die Vorgabe für seine Gemeinde ebenfalls für realistisch, da durch das Geothermiekraftwerk in Poing bereits jetzt ein Großteil des Neubaugebiets am Bergfeld sowie Teile des Gewerbegebietes und Alt-Poings versorgt werden. Weitere Ausbaumaßnahmen laufen.

Für Ulrich Proske ist jedoch noch "brutal viel unklar", so etwa, wer für den Umbau der Wärmenetze die Kosten übernehmen wird. Im Vergleich zur Planung werden sie um ein vielfaches höher liegen. "Mit was für Geld sollen die Kommunen das machen?", fragt Proske. "Kommt jetzt ein Sondervermögen Wärmeplanung?"

Neben dem Geld ist für Proske die Frage nach den richtigen Technologien noch offen: Hackschnitzel, Wärmepumpen, Wasserstoff? Am Ende wird es eine Mischung sein müssen, so Proske, wobei er 2030 als Ziel für unrealistisch hält. So müsse ja die Energie für Wärmepumpen oder die Produktion grünen Wasserstoffs aus erneuerbaren Quellen kommen, dort hinke man aber noch weit hinterher.

Auch kleine Gemeinden planen ihre Wärme

Doch obwohl das Wärmeplangesetz nur für Kommunen ab 10 000 Einwohnern gilt, beschäftigen sich auch kleinere Gemeinden mit dieser Aufgabe. Ein Paradebeispiel hierfür ist Moosach im Landkreissüden. Die 1500-Seelen-Gemeinde verfügt über mehrere Biomassekessel und eine Freiflächensolarthermieanlage, mit deren Hilfe rein erneuerbare Wärme an circa 20 Prozent der Moosacher Haushalte geliefert wird. Das erzählt der Bürgermeister der Gemeinde, Michael Eisenschmid (CSU und Moosacher Bürger). Grundsätzlich steht allen - bestehenden und zukünftigen - Haushalten ein Anschluss an dieses Wärmenetz offen. Für ihr System hat die Gemeinde 2019 den Energiepreis des Landkreises gewonnen.

In Zukunft wolle man in Sachen Erneuerbare "noch mehr machen", in anderthalb Jahren gehe dort ein Windrad in Betrieb, die öffentlichen Gebäude seien bereits mit PV-Anlagen ausgestattet. Ob auch kleinere Gemeinden so wie die seine unter das Wärmeplangesetzt fallen sollten - so wie kürzlich vom Energieexperten des Bayerischen Gemeindetags gefordert - sieht Eisenschmid eher kritisch. Er sei kein Freund von Vorschriften und fände es besser, "vernünftige Anreize" zu schaffen. "Am Ende ist es wichtig, dass alle mitmachen, die Kommunen, aber auch die Privathaushalte", sagt er.

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